LausitzLEAG Kraftwerke in der Verlustzone

Im Vordergrund ein See. Dahinter ist die Sprengung eines Teiles von einem Kraftwerk zu sehen.
2009 wurden zwei alte Schornsteine des Braunkohlekraftwerks Boxberg gesprengt. Seit den 1960er Jahren existiert das Kraftwerk. (Bild: HumAnum, WikiCommons, CC BY 3.0)  

Trotz hoher Auslastung zu Beginn des Jahres macht die LEAG mit der Kohleverstromung Verluste. Ein baldiges Aus von Kraftwerken erscheint nicht mehr abwegig. Auch die vorgesehenen Entschädigungszahlungen stehen auf dem Prüfstand.

04.03.2021 – Der Energiekonzern LEAG steuert unsicheren Zeiten entgegen. Das prognostizieren Experten und legt ein interner Mitarbeiter-Newsletter nahe, auf den die Grüne Liga hinweist und der der energiezukunft vorliegt. Dort wurde der Energiemarkt-Experte der LEAG, Olaf Adermann gefragt: „Hartes Winterwetter, wenig Wind und Sonne, hohe Auslastung: Ganz klar Gewinnzone, oder?“ Adermann aber dämpft die hohen Erwartungen. Zwar ist die Nachfrage nach Kohlestrom in den letzten Wochen tatsächlich groß gewesen, doch geringe Strommarktpreise und der europäische CO2-Zertifikatehandel sind für die LEAG problematisch.

Trotz positivem Handel am Spotmarkt räumte Adermann ein: „Die negativen Entwicklungen können wir nicht immer vollständig kompensieren“. Der CO2-Preis im Europäischen Emissionshandel ETS ist inzwischen auf 38 Euro pro Tonne gestiegen. Niedrige Strommarktpreise wiederum ergeben sich aus einem Rückgang der Stromnachfrage, infolge der Corona-Krise sowie dem steigenden Anteil von Wind- und Sonnenstrom. Es entsteht ein Überangebot, das den Preis drückt, auch wenn kein Überschuss vorhanden ist.

Im Zuge dieser Entwicklungen wird die Kohleverstromung für die LEAG zunehmend unrentabel. Felix Matthes, Experte für Energie- und Klimapolitik am Ökoinstitut glaubt, dass die LEAG am Strommarkt ihre kurzfristigen Betriebskosten zwar noch decken kann, doch für größere Reparaturen, Investitionen oder Personalkosten könnte schnell Geld fehlen.

Kraftwerke auf Verschleiß fahren

„In dem Moment, wo etwa im Kraftwerk eine größere Reparatur ansteht, stellt sich die Frage, ob sie das Kraftwerk weiterbetreiben können“, sagte Matthes gegenüber der energiezukunft. Über zwei bis drei Jahre sei es noch möglich, ein Kraftwerk auf Verschleiß zu fahren, doch dann könnte „die Stunde der Wahrheit“ gekommen sein und selbst die fixen Betriebskosten seien nicht mehr zu decken, so Matthes weiter.  

Für René Schuster, Braunkohlenexperte der Grünen Liga, entsteht immer mehr der Eindruck, dass ein Teil der LEAG-Kraftwerke nur noch läuft, damit die 1,75 Milliarden Euro Entschädigung für den Kohleausstieg nicht in Frage gestellt werden. Betreiber von Braunkohlekraftwerken in Deutschland sollen laut Kohleausstiegsgesetz insgesamt 4,35 Milliarden Euro erhalten. Damit sollen Entschädigungen für entgangene Gewinne in der Zukunft und die Finanzierung von Tagebaufolgekosten gedeckt werden.

René Schuster weist schon länger daraufhin, dass es sich bei den Entschädigungen für die LEAG um einen „Milliardenschwindel“ handelt. Unterlagen belegen demnach, dass mit dem Abschaltplan im Zuge des Kohleausstiegs in der Lausitz genauso viel Kohle verstromt werden soll, wie die LEAG seit 2016 ohnehin plant. Längere Laufzeiten der Kohlekraftwerke fußen laut Schuster lediglich auf einem 2017 erstellten „Revierkonzept“, das aus einer Pressemitteilung und verschiedenen Varianten einer Powerpoint-Präsentation besteht, ohne tiefgründigere Daten und Ausführungen.

Das Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde wäre laut internen Planungen sogar früher abgeschaltet worden als jetzt im Zuge des Kohleausstiegs vorgesehen. Auch Felix Matthes und das Ökoinstitut sehen die Entschädigungszahlungen kritisch. Nach Schätzungen des Ökoinstituts im Juni 2020 würde die LEAG etwa eine Milliarde zu viel erhalten. Mit der zunehmenden kritischen wirtschaftlichen Lage der Kohleverstromung könnte diese Schieflage noch deutlich höher ausfallen.    

Entschädigungen auf dem Prüfstand

Auch die EU-Kommission hat ihre Zweifel und ein eingehendes Prüfverfahren eingeleitet. Die Kommission bezweifelt, ob die Entschädigungen im Einklang mit dem EU-Beihilferecht sind. Wenn staatliche Mittel zur Begünstigung bestimmter Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, wird dies von der Europäischen Union geprüft. Marktverzerrende Vorteile für Unternehmen sollen ausgeschlossen werden.

Die EU-Kommission sieht vor allem die Angemessenheit der Entschädigungszahlungen kritisch. Es bestehen Zweifel, „ob die Entschädigung der Betreiber für entgangene Gewinne, die sehr weit in die Zukunft reichen, als erforderliches Mindestmaß betrachtet werden kann.“ Margrethe Vestager, zuständige Kommissarin für Wettbewerbspolitik, erklärte dazu, dass der Ausgleich, der den Anlagenbetreibern für den vorzeitigen Ausstieg gewährt wird, auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt werden muss. „Die uns bisher zur Verfügung stehenden Informationen erlauben es uns nicht, dies mit Sicherheit zu bestätigen. Daher leiten wir dieses Prüfverfahren ein“, so Vestager weiter.

Bezüglich der LEAG spricht die EU-Kommission bei den übermittelten Informationen von einem kontrafaktischen Szenario, das also nicht der Wirklichkeit entsprechen könne. René Schuster sagte auf Anfrage der energiezukunft: „Die EU-Kommission lässt sich nicht einfach erzählen, dass der LEAG durch das Kohleausstiegsgesetz Gewinne in dieser Höhe entgehen würden.“ Sollte die EU-Kommission die Entschädigungszahlungen nicht freigeben, könnte die Abschaltung der Braunkohlekraftwerke wirtschaftlich bedingt wesentlich früher erfolgen. Manuel Först

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