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Atomkraft, nein dankeNeue Kernkraftprojekte technisch riskant und unrentabel

Menschen in Schutzanzügen in der Ruine des Kernkraftwerks Fukushima
Die Reaktorkatastrophe von Fukushima jährt sich am 11. März zum zwölften Mal. (Foto: Greg Webb IAEA auf Flickr / CC BY-SA 2.0)

In Deutschland ist der Atomkraftausstieg beschlossene Sache. Andere Staaten sehen in der Atomenergie das rettende Puzzlestück auf dem Weg zur Klimaneutralität. Ein ökonomischer und technischer Irrweg, wie ein Forscherteam vom DIW aufzeigt.

10.03.2023 – Am 11. März 2011 zerstörte ein Tsunami das Kernkraftwerk in Fukushima.Die Folgen dieses Supergaus waren für die Menschen in der Region dramatisch und versetzten die Welt in Schrecken. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl war Fukushima ein weiteres starkes Argument gegen die Nutzung der Kernenergie. Doch inzwischen hat der Schrecken von damals an Kraft verloren. Die Atomenergie ist wieder salonfähig geworden und bekommt auch in Europa neuen Aufwind.

Die Atomnation Frankreich setzt auf ihrem Weg zur Klimaneutralität ganz explizit auf neue Atomkraftwerke und schmiedet darüber hinaus eine europäische Allianz für Atomenergie. Gerade haben sich unter der Ägide Frankreichs elf europäische Nationen dazu verpflichtet, in der nuklearen Versorgungskette enger zusammenzuarbeiten und gemeinsame Industrieprojekte zu fördern.

In Europa hat die Aufnahme von Atomenergie in die EU-Taxonomie zudem Möglichkeiten eröffnet, Neubauprojekte noch stärker als bisher zu subventionieren. Begründet wird dies mit Nachhaltigkeitsaspekten, was allerdings unter Experten höchst umstritten ist.

Weltweit treiben insbesondere die offiziellen Atommächte (USA, Russland, China, Frankreich, Vereinigtes Königreich) die Debatte um die Entwicklung neuartiger Kernreaktoren. Aber auch Atomkraft-Neueinsteiger wie Türkei, Ägypten, Bangladesch, Belarus und die Vereinigten Arabischen Emirate

Alle derzeit diskutierten neuen Kernkraftprojekte sind ökonomisch und technisch weder zukunftsfähig noch sinnvoll. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von Wissenschaftler:innen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Atomenergie war, ist und bleibt technologisch riskant und unrentabel. Daran ändern auch angeblich innovative Reaktorkonzepte nichts, die in Wirklichkeit ihren Ursprung in der Frühzeit der Atomenergie in den 1950/60er Jahren haben“, erläutert Christian von Hirschhausen, Forschungsdirekter der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin.

Daher könne Atomenergie auch keinen kostengünstigen und zeitnahen Beitrag zum Klimaschutz leisten oder die Stromversorgung sichern. „Neben der Klimaneutralität brauchen wir auch eine Plutoniumneutralität, weil es nicht nur darum geht, CO2 zu reduzieren, sondern auch das gefährliche, langlebige Plutonium in den radioaktiven Abfällen.“

Die DIW-Forscher nehmen drei Reaktorkonzepte unter die Lupe, die aktuell die internationale Atomdebatte bestimmen: Leichtwasserreaktoren, SMR („Small Modular Reactors“) und schnelle Brüter. Kernkraftwerke der dritten Generation, Leichtwasserreaktoren mit einer elektrischen Leistung von 600 bis 1600 Megawatt, basieren auf einer Technologie der 1980er Jahre und werden noch heute gebaut. Als problematisch erweisen sich jedoch überbordende Kosten und Bauverzögerungen, wie sie seit ihrer Entwicklung in besonders eklatanter Weise in den USA und Europa beobachtet wurden.

Befürworter von Kernkraftwerksneubauten sehen insbesondere SMR als Hoffnungsträger, wie sie unter anderem von Microsoft-Gründer Bill Gates propagiert werden. Es handelt sich um Leichtwasserreaktoren mit einer Kapazität in der Regel bis zu 300 Megawatt. Sie sind den Studienautoren zufolge allerdings keineswegs innovativ, sondern gehen auf die 1950er Jahre zurück, als Atomkraft als Antriebstechnologie für Militär-U-Boote nutzbar gemacht wurde.

Bereits damals konnte sich die Technik wegen Kostennachteilen gegenüber leistungsfähigeren Reaktoren nicht durchsetzen. Heute gibt es einige Pilotprojekte, etwa in den USA, Kanada und Großbritannien, die jedoch Modellrechnungen zufolge wesentlich teurer werden dürften als herkömmliche Reaktoren. Noch dazu ist die Marktnachfrage gering. Trotz jahrzehntelanger Forschung konnte kaum ein Kernkraftwerk des Typs SMR den kommerziellen Leistungsbetrieb aufnehmen. Insbesondere besteht aber keine Perspektive, die erheblichen Größennachteile durch Massenproduktion wettzumachen. Hierfür wäre bei optimistischer Betrachtung der Bau von mehreren Tausend baugleichen Kernkraftwerken notwendig.

Auch schnelle Brüter und andere nicht leichtwassergekühlte Reaktoren sind auf absehbare Zeit nicht wettbewerbsfähig, wie die DIW-Forscher in ihrer Studie aufzeigen. Die Technik stammt ebenfalls aus dem vergangenen Jahrhundert, die meisten angeschobenen Projekte wurden wegen sicherheitstechnischer Mängel und fehlender wirtschaftlicher Perspektiven gestoppt, so unter anderem der schnelle Brüter im nordrhein-westfälischen Kalkar, der niemals in Betrieb ging und zu einem Freizeitpark umgebaut wurde. Da bei schnellen Brütern viel spaltbares Material entsteht, gibt es auch ein größeres Proliferationsrisiko, also die Gefahr der Weitergabe zu Atomwaffenzwecken.

Erneuerbare um ein Vielfaches günstiger als Atomenergie

„Technisch sind bei der Atomenergie keine signifikanten Durchbrüche absehbar“, bilanziert Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im DIW Berlin. „Atomkraft ist zudem die mit Abstand teuerste Energie – und bei Weitem teurer als Erneuerbare.“ Diese Erkenntnis habe sich inzwischen auch bei der Modellierung von Energiesystemen durchgesetzt. Während zuvor aufgrund überoptimistischer Annahmen immer ein wesentlicher Anteil an Atomenergie angenommen worden sei, richte sich der Fokus nun immer stärker auf Erneuerbare und weg von Kernkraft.

Staatlich geförderte Forschung sollte sich künftig auf die Bereiche konzentrieren, von denen substanzielle Beiträge zur Energiewende zu erwarten sind“, empfiehlt Kemfert. „Dies sind etwa erneuerbare Energien oder Speichermöglichkeiten und andere Flexibilitätsoptionen, Atomkraft gehört definitiv nicht dazu. Die Bundesregierung sollte auch davon absehen, mit Atomkraft erzeugter Energie ein grünes Label anzuhängen, wie es derzeit beim Wasserstoff diskutiert wird. Stattdessen sollte mit Hochdruck nach sicheren Zwischenlagern und einem Endlager gesucht werden, um das Atomkapitel endgültig abzuschließen.“ pf


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Kommentare

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Rainer Kirmse , Altenburg 10.04.2023, 22:15:38

Jahrzehnte nur Nutzbarkeit -

Jahrtausende Strahlungszeit;

Unwägbarkeiten beim Betrieb,

für Endlager die Aussicht trüb.

 

AKW adé ☢️ AUSGESTRAHLT

 

Gegen den GAU ist kein Land gefeit,

der Atomausstieg verhindert Leid.

Deutschland hat die Weichen gestellt,

beispielgebend für die ganze Welt.

 

Kernenergie war mal der Renner,

auserkoren als Dauerbrenner.

Atomstrom wurde huldvoll kreiert,

die Gefahren hat man ignoriert.

 

Das Energieproblem schien gelöst,

bis Tschernobyl den Traum zerstößt.

Fukushima brachte die Wende,

deutschen Reaktoren das Ende.

 

Wohin das strahlende Material?

Die Suche entwickelt sich zur Qual.

Atommüll ist nicht Stoff der Träume,

da öffnet man ungern die Räume.

 

Tonnen von radioaktivem Kies,

Aus für jedes Urlaubsparadies.

Lager gesucht für die Ewigkeit,

Grab für Relikte der Atomzeit.

 

Rainer Kirmse , Altenburg

 

Herzliche Grüße aus Thüringen


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