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EU-TaxonomieEuropäisches Parlament entscheidet sich für Greenwashing-Taxonomie

Europäisches Parlament in Strasburg
Kein Veto gegen Greenwashing: Das EU-Parlament billigt vermeintlich grüne EU-Taxonomie, die Gas und Atomkraft als nachhaltig einstuft. (Bild: © European Union 2021 / Source: EP)

Das EU-Parlament hat trotz einer aktuellen Resolution seiner Ausschüsse und weitreichender Kritik von Umwelt- und Klimaschützern kein Veto gegen die Greenwashing-Taxonomie eingelegt. Gas und Atomkraft werden zukünftig als klimafreundlich eingestuft.

07.07.2022 – Das EU-Parlament hat am Mittwoch in Strasburg kein Veto gegen die Novellierung der EU-Taxonomie eingelegt. Investitionen in Gas und Atomkraft werden damit zukünftig unter bestimmten Umständen als ökologisch nachhaltig und klimafreundlich deklariert und gefördert. Umweltverbände bezeichneten dies als Fehlentscheidung und kritisierten die Einstufung als Greenwashing. Ein breites Bündnis von Akteuren kündigte nach Bekanntwerden der Entscheidung an, Klage gegen die vermeintlich grüne Taxonomie vor dem Europäischen Gerichtshof einzureichen.

Entscheidung im EU-Parlament

Am Mittwochmittag stimmten 328 Abgeordnete des EU-Parlaments gegen die Resolution seiner Ausschüsse für Umwelt (ENVI) und Wirtschaft (ECON), ein Veto gegen die neue, vermeintlich grüne EU-Taxonomie einzulegen.

Erst Mitte Juni hatten die Ausschüsse des EU-Parlaments die Veto-Resolution mit dem Ziel beschlossen, den Rechtsakt zur vermeintlich grünen EU-Taxonomie zu verhindern. Die Verabschiedung galt als positives Signal, überzeugte bei der gestrigen Abstimmung jedoch nicht genug EU-Parlamentarier, für ein Veto und damit gegen die neue Taxonomie zu stimmen.  

Politiker, Umweltverbände sowie verschiedene Aktivistengruppen hatten sich bereits in den letzten Monaten zahlreich gegen die neue EU-Taxonomie ausgesprochen. Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Akteure, darunter namhafte Umwelt- und Klimaschutzverbände, forderten das EU-Parlament auf, die neue EU-Taxonomie zu stoppen. Nachdem das EU-Parlament sein Vetorecht nicht genutzt hat, kündigten nun verschiedene Akteure juristische Schritte an.

Eine grüne EU-Taxonomie schaffen

Die Europäische Kommission hatte die neue Taxonomie, die Richtlinien für nachhaltige und klimafreundliche Investitionen festlegt, zu Beginn des Jahres als Rechtsakt beschlossen. Darin sind Umweltziele und Nachhaltigkeitskriterien definiert, die den nachhaltigen und grünen Strukturwandel in der EU fördern. Ziel der grünen Taxonomie war, Investitionen in klimafreundliche Investitionen zu erleichtern.

Die Idee einer nachhaltigen Taxonomie wurde weitreichend positiv aufgenommen. Klima- und Umweltschützer kritisierten die Einbindung von Gas und Atomkraft in die nachhaltige Taxonomie jedoch von Anfang an als unwissenschaftlich und fatale Weichenstellung gegen die Energiewende.

EU-Parlament und EU-Rat wirken an einem Rechtsakt nicht aktiv mit, haben jedoch ein Vetorecht. Das EU-Parlament entschied sich gestern, dieses Vetorecht nicht zu nutzen, und stimmte damit faktisch der Greenwashing-Taxonomie zu. Der EU-Rat hätte zwar noch die Möglichkeit, ein Veto einzulegen. Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass eine entsprechende Mehrheit zustande kommt. Für ein Veto müssten sich 20 der 27 Mitgliedstaaten für ein solches aussprechen.

Gas und Atomkraft sind nicht klimafreundlich

Die NGOs Germanwatch, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), DUH, das Umweltinstitut München, der Bundesverband Erneuerbare Energie und viele weitere Umwelt- und Klimaschutzaktivisten kritisierten die Entscheidung scharf und kündigten an, sich weiter vehement gegen die Greenwashing-Taxonomie einzusetzen.

„Die Entscheidung unterminiert Investitionssicherheit für den notwendigen sozialverträglichen Strukturwandel zur Klimaneutralität. Durch das aufgeweichte Klassifizierungssystem kommen nun auch nicht nachhaltige Unternehmensaktivitäten leichter an frisches Geld. Dies droht die notwendige Transformation zentraler Wertschöpfungsketten zu verzögern“, kritisiert Christoph Hoffmann, Referent für klimakompatible Finanzflüsse bei Germanwatch.

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND, zeigt sich verständnislos: „Mit dem Beschluss werden die völlig falschen Weichen gestellt: Gelder, die dringend im europäischen Ausbau von erneuerbaren Energien benötigt werden, können so in fossile und atomare Technologie angelegt werden. Das blockiert einen nachhaltigen Umbau des Energiesystems.“ Besonders vor dem Hintergrund des Kriegs Russlands gegen die Ukraine sei die Entscheidung nicht nachvollziehbar, so Bandt. Abhängigkeiten würden weiter gefestigt und Russland durch den verstärkten Export von Uran, Atomtechnologie und Gas unterstützt.

Greenwashing vor Gericht bringen

Österreich und Luxemburg hatten bereits im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof anzustreben, sollte die EU-Taxonomie nicht im Parlament gestoppt werden. Umweltverbände fordern nun die Bundesregierung auf, eben diesen Weg zu gehen und Klage gegen das drohende Greenwashing durch eine EU-Taxonomie mit Gas und Atomkraft einzureichen. Sie begründen dies unter anderem damit, dass Gas und Atomkraft nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht als nachhaltig gelten könne. Ein Gutachten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sieht gute Chancen für den Erfolg einer derartigen Klage. Der erste Entwurf des Rechtsakts verstoße gegen die Grundlagen der Taxonomie-Verordnung, heißt es in dem Gutachten.

Ein Bündnis aus EU-Politikern, die sich gegen die Einstufung von Gas und Atomenergie als nachhaltige Technologien eingesetzt hatten, streben ebenfalls eine Klage an. Michael Bloss, klimapolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament begründete im Anschluss an die Abstimmung eine Klage zudem damit, dass die EU-Kommission kein Recht hätte, eine derart weitreichende Klassifizierung in Form eines Rechtsakts durchzuführen.

Sowohl EU-Mitgliedstaaten als auch Politiker und Aktivisten wollen somit gegen die Greenwashing-Taxonomie klagen. Hoffmann warnte dabei vor einem drohenden juristischen Tauziehen, das weder Klima noch Bürgern nütze. jb


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