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MarktmachtberichtRWE dominiert Wettbewerb bei Stromerzeugung

Luftaufnahme Kohlekraftwerk, blauer Himmel, im Hintergrund Windräder
Das Kohlekraftwerk Weisweiler von RWE wird mit Braunkohle aus dem Tagebau Inden befeuert. 2029 soll der letzte der drei noch betriebenen Blöcke stillgelegt werden. Bis 2030 soll an diesem Standort ein wasserstofffähiges Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerk errichtet werden. (Foto: Arthur Konze auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Laut Bundeskartellamt ist RWE unverändert der größte Stromerzeuger in Deutschland und liegt klar über der Vermutungsschwelle zur Marktbeherrschung. Um die Marktmacht der inländischen Stromerzeuger zu begrenzen, werden Stromimporte immer wichtiger.

11.08.2023 – Die Wettbewerbsverhältnisse bei der Erzeugung elektrischer Energie werden regelmäßig vom Bundeskartellamt untersucht und in Marktmachtberichten zusammengefasst. Für den Untersuchungszeitraum Oktober 2021 bis März 2023 legte die Behörde in dieser Woche den vierten Bericht vor.

Darin wird festgestellt, dass sich die Markmachtverhältnisse bei der Stromerzeugung verfestigt haben. RWE ist unverändert der größte Stromerzeuger in Deutschland. In einer Vielzahl von Stunden sei das Unternehmen unverzichtbar für die Deckung der Stromnachfrage und „liegt damit klar über der Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung“, wie Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, ausführt. Weiter seien EnBW und LEAG nahe an diese Schwelle herangerückt.

Marktanteile allein nicht aussagekräftig

Die wettbewerbliche Bedeutung eines Unternehmens kann man häufig an den Marktanteilen ablesen. Bei der Stromerzeugung sind Marktanteile allerdings nicht aussagekräftig, weil Strom nicht speicherbar ist. Er muss genau in den Momenten produziert werden, in denen er gebraucht wird, und zwar in jeder Stunde des Jahres. Wie hoch die Marktanteile über das Jahr betrachtet sind, ist daher nicht entscheidend. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob und inwieweit ein Anbieter für die Stromnachfrage unverzichtbar ist. Ist die Nachfrage hoch und das Angebot knapp – z. B. wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht – könnten unverzichtbare Anbieter in diesen Knappheitsmomenten den Preis manipulieren. Daher bemisst sich die Marktmacht im Strombereich danach, in wie vielen Stunden im Jahr ein Unternehmen unverzichtbar ist, um die Nachfrage zu decken.

Keine Erzeugungskapazitäten zurückhalten

Für Stromerzeuger hat eine marktbeherrschende Stellung ganz entscheidende Konsequenzen. Insbesondere dürfen sie keine Erzeugungskapazitäten künstlich zurückhalten, weil sie dadurch in Knappheitsmomenten manipulativ den Preis in die Höhe treiben könnten. Das wäre missbräuchlich. Das Amt erstellt den Marktmachtbericht, damit die Stromerzeuger besser einschätzen können, ob sie der Missbrauchsaufsicht durch das Amt unterliegen und ihnen damit eine manipulative Kapazitätszurückhaltung verboten ist.

„Mit dem Marktmachtbericht trifft das Bundeskartellamt zwar keine förmliche Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung. Eine solche Feststellung kann letztlich nur im Rahmen einer konkreten Einzelfallentscheidung erfolgen“, erklärt Mundt weiter. Doch das Überschreiten der Vermutungsschwelle für eine marktbeherrschende Stellung sei für die Unternehmen, konkret RWE, ein starkes Indis dafür, dass sie mit ihrem Marktverhalten das Missbrauchsverbot beachten müssen. Die künstliche Verknappung des Stromangebots wäre damit kartellrechtlich hochproblematisch.

Auch die Kraftwerkparks von EnBW und LEAG sind inzwischen häufiger für die Deckung der Stromnachfrage unverzichtbar. Beide Unternehmen lagen aber nach Analyse des Bundeskartellamtes noch nicht eindeutig über der Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung. Die Kraftwerksparks aller drei führenden Stromerzeuger sind insbesondere dann für die Deckung der Nachfrage unverzichtbar, wenn bei hoher Nachfrage die Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne gering ist.

Besonderheiten im Berichtszeitraum

Die Entwicklung der inländischen Kraftwerkskapazitäten weist im Berichtszeitraum Besonderheiten auf. Anfang 2022 wurden noch Kraftwerke endgültig abgeschaltet, auch drei Atomkraftwerke. Zur Dämpfung der Strompreissteigerungen im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine wurden die Laufzeiten von drei anderen Atomkraftwerken kurzzeitig verlängert, und es wurden für einen längeren Zeitraum Kohlekraftwerke reaktiviert. Trotz dieser krisenbedingten Kapazitätserweiterungen haben sich die Marktmachtverhältnisse verfestigt.

Stromimporte aus wettbewerblicher Sicht von Bedeutung

Das Bundeskartellamt hat ferner für den Berichtszeitraum die Bedeutung freier ausländischer Kraftwerkskapazitäten und damit den Einfluss von Stromimporten für die Entwicklung der Marktmachtverhältnisse in Deutschland untersucht.

„Stromimporte werden perspektivisch zunehmend unverzichtbar, um die Marktmacht der führenden inländischen Anbieter wettbewerblich in Schach zu halten“ erklärt Mundt. Über das gesamte Jahr betrachtet exportiere Deutschland zwar mehr Strom als es importiert. Diese Gesamtbetrachtung dürfe aber nicht über die Tatsachen und den wettbewerblichen Befund hinwegtäuschen: Ausländische Erzeugungskapazitäten sind vor allem dann für die Deckung der Nachfrage besonders wichtig, zum Teil sogar unerlässlich, wenn die inländische Stromerzeugung aus Wind und Sonne gering ist, die Stromnachfrage aber gleichzeitig hoch. Ohne ausreichende Stromimporte in solchen Momenten der Knappheit wäre die Marktmacht inländischer Stromerzeuger noch stärker ausgeprägt.

Ob und inwieweit Stromimporte die Marktmacht jeweils konkret begrenzen, hängt von der Kapazität des Übertragungsnetzes sowie von den Angebots- und Nachfrageverhältnissen in unseren Nachbarländern ab. Marktsituationen, in denen Stromimporte zur Begrenzung der Marktmacht inländischer Erzeuger erforderlich waren, traten nach den Analysen des Bundeskartellamtes im Berichtsjahr nicht mehr nur besonders konzentriert im Frühsommer auf. Zu dieser Zeit ist ein nicht unerheblicher Teil der inländischen konventionellen Erzeugungskapazitäten typischerweise in der jährlichen Revision und daher nicht verfügbar. Solche Situationen waren vielmehr zunehmend auch in Tagesrandstunden im Herbst sowie zu sonnen- und windschwachen Zeiten im Winterhalbjahr zu beobachten.

Nach Ende des Berichtszeitraumes wurde der Atomausstieg endgültig abgeschlossen und die befristeten Reaktivierungen von Kohlekraftwerken laufen schrittweise aus. Hinzu kommen weitere geplante Kraftwerksstilllegungen insbesondere im Rahmen des Kohleausstiegs. Die Bedeutung von Stromimporten für die Begrenzung der Marktmacht der führenden inländischen Stromerzeuger dürfte daher noch weiter zunehmen. Die konkreten Entwicklungen werden im nächsten Marktmachtbericht analysiert und dargestellt.

Das Bundeskartellamt hat den gesetzlichen Auftrag, mindestens alle zwei Jahre einen Marktmachtbericht zu veröffentlichen. Aufgrund der oben dargestellten Entwicklungen wird das Bundeskartellamt auch den kommenden Marktmachtbericht früher als nach der gesetzlich vorgesehenen Zweijahresfrist veröffentlichen.

Mega-Deal zwischen Eon und RWE

Dass RWE eine so große Marktmacht erlangen konnte, geht zurück auf einen großen Anteilstausch zwischen RWE und Eon. 2018 beschlossen die Unternehmen, den Markt und den gegenseitigen Wettbewerb neu zu sortieren. In Folge dieser Übereinkunft erlangte RWE alle Erzeugungskapazitäten von Eon. Eon wiederum übernahm alle Vertriebs- und Netzaktivitäten von RWE. Beide Energiekonzerne übernahmen mit diesem Deal in ihrem jeweiligen Marktsegment die Marktführerschaft mit großem Abstand zu anderen Wettbewerbern. Der Ökostromanbieter naturstrom klagte zusammen mit zehn Regionalversorgern gegen einzelne Bestandteile und Genehmigungen zu diesem Anteilstausch. Das Europäische Gericht erklärte im Frühjahr 2023, dass die Behörden die Voraussetzungen und Folgen des Anteilstauschs ausreichend geprüft hätten und wies die diesbezügliche Klage ab.

„Die marktbeherrschende Stellung von RWE im Erstabsatzmarkt für Strom hat sich verfestigt. Wir sehen uns daher in unserer Ablehnung des Megadeals zwischen RWE und E.ON aus dem Jahr 2019 bestätigt, der diese bedenkliche Entwicklung massiv befördert hat. Auch wenn das EU-Gericht unserer Argumentation nicht folgen wollte“, kommentiert naturstrom-Sprecher Tim Loppe. pf


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