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EnergiemarktStrompreise weiter auf hohem Niveau

Spitzen von Strommasten ragen aus Nebel
Hohe Strompreise setzen Energieversorger unter Druck und belasten Verbraucher. (Foto: analogicus auf Pixabay)

Die Energiemärkte erleben nie gekannte Turbulenzen. In der Weihnachtswoche erreichten die Großhandelspreise für Strom ein Rekordhoch. Einige Versorger haben ihren Kunden gekündigt oder Neukundenpreise stark erhöht. Ein aktueller Blick auf den Markt.

11.01.2022 – Im Spätsommer letzten Jahres begannen die Energiepreise an den Großhandelsmärkten zu steigen. Ihren Höhepunkt hatte die Preisspirale in der Weihnachtswoche: Der Einkaufspreis für Strom betrug phasenweise 35 Cent pro Kilowattstunde, rund das zehnfache des Vorjahrespreiseses. Inzwischen hat sich die Situation leicht entspannt, die Preise bewegen sich bei einer Marke von 20 Cent. Verglichen mit dem über lange Jahre ungeschlagenen Strompreisrekord aus 2008 mit 8 Cent pro Kilowattstunde sind das aber immer noch unvorstellbare Höhen.

Zwischenzeitlich berieten die europäischen Energieminister, wie Europa diesen Marktentwicklungen begegnen solle. Konsens bestand darin, dass die Länder individuell einen sozialen Ausgleich für die steigenden Strom- und auch Gaspreise gestalten können. Weitere Ideen, wie beispielsweise eine zukünftige gemeinsame Gas-Bevorratung, wurden aber nicht vertieft. Ein Eingreifen in das Marktgeschehen plant die deutsche Politik derzeit nicht. Lediglich eine Erhöhung des Heizkostenzuschlags für Wohngeldempfänger soll es demnächst geben.

An den Ursachen für die Preisentwicklung, wie sie NATURSTROM-Vorstand Oliver Hummel Ende September im Interview erläuterte, hat sich indes nichts geändert, nur dürfte noch mehr Nervosität und Spekulation im Markt vorzufinden sein. Neben den gestiegenen Zertifikatspreisen für CO2 ist vor allem die weltweite Wiederbelebung der Wirtschaft nach dem coronabedingten Einbruch die Ursache der erhöhten Energienachfrage und steigender Preise. Die Gasspeicher in Europa wurden in den Sommermonaten auf Grund der hohen Preise nicht wie sonst üblich gefüllt, der Markt hoffte auf sinkende Preise, die jedoch nicht eintrafen. Auch die Preise für Steinkohle stiegen im letzten Jahr kräftig. In Deutschland kam ein kalter und windschwacher Jahresbeginn 2021 hinzu, der Strom aus konventionellen Kraftwerken ein Nachfragehoch bescherte.

Die Optionen der Energieversorger

Während Ende September die Versorgerwelt in Deutschland noch recht stabil schien, brachte das letzte Quartal einige Verwerfungen. Die Spitze des Eisbergs: Versorger stellten die Belieferung ihrer Kunden ein, kündigten Verträge oder meldeten gar Insolvenz an. So beendete beispielsweise gas.de – auch bekannt unter der Marke Grünwelt Energie – Anfang Dezember für zahlreiche Kunden die Gasbelieferung. Kurz vor Weihnachten stoppte der Stromanbieter Stromio – zur gleichen Gruppe gehörend – die Belieferung seiner Kunden, die damit in die Grundversorgung fielen. Insolvenz meldete unter anderem die Neckermann Strom AG an, aber auch einige andere Anbieter.

Nach Meinung von Verbraucherschützern können die Kündigungen für betroffene Kunden ein Recht auf Schadenersatz begründen. Die Verbraucherzentrale NRW stellt einen Musterbrief und allgemeine Informationen bereit.

Eine weitere Reaktion der Energieversorger: hohe Neukundenpreise. Da die Energieversorger in der Regel passgenau zu ihrem Kundenstamm Energie langfristig einkaufen und für Neukunden Energie kurzfristig zugekauft wird, müssten vor allem Kunden, die den Energieversorger wechseln müssen, derzeit tief in die Tasche greifen, erläutert NATURSTROM-Vorstand Oliver Hummel.

Spitzenpreis von einem Euro pro Kilowattstunde für Neukunden

Die Grundversorger, die plötzlich viele Neukundenanfragen zu bedienen haben, stehen dabei einer besonderen Herausforderung gegenüber: Sie haben die erforderlichen Strommengen nicht eingekauft und müssen sie zu hohen Kurzfristpreisen einkaufen. Sollen sie diese hohen Preise auf alle Kunden gleichmäßig verteilen oder nur die Neukunden zahlen lassen? Einige Stadtwerke haben sich dazu entschieden, zwei Grundversorgungstarife anzubieten – einen für Bestandskunden und einen für Neukunden. Wobei der Strompreis für die Neukundentarife in Einzelfällen sogar den aktuellen Beschaffungspreis übersteigt. Der Kunde muss in der Spitze bis zu einem Euro pro Kilowattstunde Strom zahlen, wenn er den Vertrag annimmt.

Merit-Order-Effekt jetzt schmerzhaft spürbar

Für Energieversorger gibt es kaum eine Möglichkeit, an den hohen Preisen vorbeizukommen. Das hängt mit der Regulierung des Energiemarktes zusammen. Der Börsenstrompreis bildet sich nach der sogenannten Merit Order: den Preis bestimmt das letzte für die Versorgung noch notwendige Kraftwerk – in der Regel sind das Gaskraftwerke, die wegen der aktuell hohen Gaspreise sehr teuren Strom erzeugen.

Dieses Strommarktdesign führt dazu, dass für alle an der Börse gehandelten Strommengen die Preise gleich hoch (oder niedrig) sind, unabhängig davon wieviel ihre Erzeugung kostet. Schon in der Vergangenheit wurde daran öfter Kritik geübt, jetzt offenbart diese Logik ihre Schwächen schmerzhaft. Es geht um die Frage, ob es neben dem Energiemarkt einen Kapazitätsmarkt geben soll, über den Erzeugungskapazitäten honoriert werden, die nur in bestimmten Fällen tatsächlich Energie in den Markt liefern.

Langfristige Preise ziehen ebenfalls an

Die Großhandelspreise für 2023 und 2024 sind in den letzten Monaten ebenfalls gestiegen. Normalerweise kostet Energie, die für weit in der Zukunft liegende Zeiträume eingekauft wird, weit weniger als kurzfristig benötigte Mengen. Die Differenz zwischen den Jahrespreisen existiert zwar immer noch, wie Oliver Hummel berichtet, doch sie ist merklich kleiner geworden. „Die starken Preisschwankungen werden zu deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Versorgern führen. Diejenigen, die relativ früh einkaufen und die jetzt hohen Preise nicht zahlen müssen, werden unter Umständen später getroffen, dann, wenn sie Mengen für 2023 einkaufen.“

Doch im Markt gebe es laut Hummel die berechtigte Erwartung, dass die Preise nicht so hoch bleiben. Zwar werden die gestiegenen CO2-Zertifikatspreise bestehen bleiben, allerdings machen sie nur wenige Cent pro Kilowattstunde aus. „Das Spekulative und Engpassgetriebene bleibt kein Dauerzustand und dann spricht auch vieles dafür, dass die Preise wieder runtergehen“, sagt Hummel. Denn der Grund für die Entwicklung liege in der temporären Engpasssituation, nicht in einem generellen Energiemangel. „Allerdings hat der Optimismus, bald zum alten Normal zurückzukehren, angesichts der gestiegenen Preise für die Folgejahre deutlich abgenommen“, ergänzt Hummel.

Bei den Energieversorgern verhageln die hohen Beschaffungspreise die Bilanz, ihre Jahresergebnisse werden weniger positiv ausfallen. Und auch die Liquidität so mancher Unternehmen könnte in Gefahr sein. So sorgte die Meldung, dass sich der Energieriese Uniper Milliarden zusätzlicher Kreditlinien sichern musste, für einiges Aufsehen.

Der Öko-Energieanbieter NATURSTROM indes sieht sich laut Hummel in dieser schwierigen Marktsituation gut aufgestellt. Besonders die Strategie des Unternehmens, mit eigenen Erneuerbaren-Anlagen Strom zu erzeugen, erweist sich als Vorteil. Zwar musste auch NATURSTROM seine Preise inzwischen anpassen, kann jedoch nach wie vor auch Neukunden bedienen. pf


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