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Erneuerbare in FrankreichViel zu wenig Dynamik bei der Energiewende

Leuchtturm mit Photovoltaikdach auf Belle Ile/Frankreich.
In Frankreich sind die Ausbau-Pläne der Regionen und der Regierung nicht gut aufeinander abgestimmt. (Foto: Lepocheux auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Man könnte meinen, dass im sonnenreichen Frankreich der Ausbau der Photovoltaik boomt, doch dem ist nicht so. Die Zubauzahlen liegen weit hinter Plan. Auch der Windkraftausbau ist nicht auf Kurs. Seit Jahren wird nur gekleckert, statt geklotzt.

20.01.2021 – Zum elften Mal hat der ObservER seinen jährlichen Report über den Zubau der Erneuerbaren Energien in Frankreich vorgelegt. Das Fazit fällt eindeutig aus: Der Zubau von Wind- und Solarkraft ist viel zu gering, um die selbst gestellten Ziele zu erreichen.

In den zwölf Monaten von Oktober 2019 bis September 2020 gingen Solaranlagen mit 692 Megawatt Leistung neu ans Netz. Das Zubautempo blieb damit drei Jahre in Folge auf gleichbleibend niedrigem Niveau (2018: 873 Megawatt; 2019: 704 Megawatt). Die Gesamtleistung aller installierten Solaranlagen betrug Ende September 2020 rund 10,6 Gigawatt – kein Ruhmesblatt für ein Land mit Sonnenschein im Überfluss. Zum Vergleich: Deutschland konnte per Ende 2020 eine installierte Photovoltaikleistung von 53,6 Gigawatt vorweisen, rund das Fünffache.

Aber nicht der Vergleich mit Deutschland zählt, sondern die eigenen Ziele sollten die Messlatte sein. Davon entfernt sich das Land immer mehr, zumindest die kurzfristigen Ziele scheinen unerreichbar. Die mehrjährige Programmplanung der französischen Regierung sieht für 2023 insgesamt 20,1 Gigawatt installierte Photovoltaikleistung vor. Damit müssten in den nächsten drei Jahren jährlich rund drei Gigawatt neu gebaut werden, das Ausbautempo müsste sich verdreifachen. Geht es so weiter wie bisher, könnten 2023 etwa fünf bis sieben Gigawatt fehlen. Das ist kein Pappenstiel.

Große Solarkraftwerke im Süden, wenig Zubau auf den Dächern

Ein stetiger Trend charakterisiert den Markt: Im sonnenreichen Süden werden sehr große Photovoltaik-Freiflächenanlagen gebaut. Auf den Gewerbe- und Wohnhausdächern hingegen lahmt der Zubau. Die niedrigen Strompreise – auch dank immer noch rund 70 Prozent Atomstromanteil – machen den Eigenverbrauch wenig lukrativ. Wer trotzdem den Strom vom eigenen Dach nutzen will, muss einige Hürden überwinden. Kollektiver Eigenverbrauch ist ähnlich wie in Deutschland bisher nur eine Vision, kaum gelebte Wirklichkeit.

Die französische Regierung versetzte die heimische Photovoltaik-Branche und vor allem Großinvestoren im Herbst 2020 zudem in helle Aufregung. Sie brachte einen Vorschlag für eine rückwirkende Einspeisevergütung ins Parlament. Die Kürzung sollte für zwischen 2006 und 2010 errichtete Anlagen über 250 Kilowatt Leistung gelten. Die Branche und die Banken reagierten verstört. Insolvenzen und Stilllegungen wurden befürchtet. Die Regierung ruderte zurück. Die rückwirkende Vergütungskürzung gibt es, wird aber von Fall zu Fall entschieden.

Wenige neue Windkraftanlagen

Auch der Windausbau müsste mehr Dynamik entwickeln. An Land wurden 2019 immerhin Windkraftanlagen mit 1,4 Gigawatt Leistungen neu in Betrieb genommen. Von Januar bis September 2020 waren es dagegen nur 671 Megawatt, rund 17 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Insgesamt sind nun 17,3 Gigawatt Windkraft jenseits des Rheins installiert. Das Ziel für 2023 sind 24,1 Gigawatt. Der Ausbaupfad müsste jährlich rund zwei Gigawatt betragen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Offshore-Windkraft ist bisher kaum nennenswert ausgebaut, soll jedoch in den nächsten Jahren kräftig zulegen.

Der Präsident des Observ’ER und Herausgeber des Erneuerbaren-Barometers Vincent Jacques Le Seigneur erklärt die niedrigen Zubauraten nicht mit der Corona-Pandemie. Vielmehr sei das Fehlen einer kohärenten und gemeinsamen Vision sowie viele administrative Hindernisse die Ursache für die Verzögerung beim Ausbau der Windenergie. Bei der Photovoltaik sieht er die Hürden für den Eigenverbrauch als Bremse. Le Seigneur verweist auf eine weitere Stellschraube: Die Planungen der einzelnen Regionen haben keinen gemeinsamen methodischen Rahmen und sind nicht auf die nationalen Ziele abgestimmt.

Wasserkraft ist wichtige Größe

Die Wasserkraft verfügt mit knapp 26 Gigawatt installierter Leistung über die gleiche Kapazität wie Wind und Solarenergie zusammen. Ein nennenswerter Ausbau ist nicht vorgesehen, wohl aber die Erneuerung von Kraftwerken und damit einhergehende Effizienzgewinne. Weil mit Wasserkraftwerken in den meisten Fällen sehr flexibel Strom erzeugt werden kann, sind diese Kapazitäten essenziell für die Versorgungssicherheit in Frankreich.

Die Energiepolitik Frankreichs ist von Widersprüchen geprägt. Besonders der große Atomkraftwerkspark ist ein Erbe, von dem sich das Land nur schwer trennen kann. Bis 2035 soll der Atomstromanteil auf 50 Prozent sinken. Ursprünglich war das Ziel bereits für 2025 avisiert. Vor zwei Jahren wurde es ohne großes Aufsehen um zehn Jahre in die Zukunft geschoben. Immerhin ging im vergangenen Jahr Frankreichs ältester Atommeiler vom Netz.

Eine schlecht konzipierte Öko-Umlage auf die Benzinpreise hatte Ende 2018 die Gelbwesten-Proteste auf den Plan gerufen und starken Druck auf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aufgebaut. Eine Forderung war die Einberufung eines Klimarates, in dem zufällig ausgeloste Bürger ihre Vorstellungen zu Klimaschutzmaßnahmen diskutierten. Der Bürgerrat wurde tatsächlich einberufen und diskutierte ein Jahr lang verschiedene Klimaschutzaspekte und Maßnahmen. Das Ergebnis war überraschend klar. Im Sommer 2020 wurde dem Präsidenten ein Gutachten mit konkreten Forderungen überreicht.

Die Klima- und Umweltpolitik von Präsident Macron bleibt halbherzig. Ende 2020 lobbyierte er gar zusammen mit Staatschefs anderer Länder bei der EU für die Atomkraft. Sie forderten mehr Technologieoffenheit bei der Zuteilung von Corona-Hilfsgeldern, die in Klimaschutz investiert werden. pf


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