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Dezentrale EnergiewendeDer Hindernislauf zum Windpark ist geschafft

Oberfränkische Landschaft mit Windkraftanlagen
Es war ein Weg mit vielen Hürden, doch jetzt hat der Ökostrompionier NATURSTROM seinen Windpark an der Grenze der oberfränkischen Landkreise Kulmbach und Kronach in Betrieb genommen. (Foto: NATURSTROM AG)

Nach langem Vorlauf hat der Ökoenergieversorger NATURSTROM seinen Windpark in Bayern in Betrieb genommen. Doch für erfolgreichen Klimaschutz ist der Windenergie-Ausbau generell zu langsam. Akteure fordern, Hemmnisse wie die 10H-Regelung abzuschaffen.

17.05.2021 – Nach einer fast einjährigen Bauphase hat der Ökostrompionier NATURSTROM seinen Windpark an der Grenze der oberfränkischen Landkreise Kulmbach und Kronach in Betrieb genommen. Vier leistungsstarke Anlagen der 3 Megawattklasse liefern jetzt saubere Energie für über 6.500 durchschnittliche Drei-Personen-Haushalte. Der Atmosphäre erspart das jährlich rund 14.000 Tonnen CO2.

Die Realisierung des Projektes fand mit einer langen Vorlaufzeit statt: Bereits 2014 wurde der Bau von drei Anlagen durch das Landratsamt Kronach genehmigt. Ein Jahr später wurde die vierte Anlage durch das Landratsamt Kulmbach bewilligt. Der Zuschlag im Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur wurde im Oktober 2018 erteilt.

Zur Betrachtung der Windgegebenheiten vor Ort wurde während der Planungsphase eine Windmessung über den Zeitraum von gut einem Jahr vorgenommen. Das überzeugte immer noch nicht Jeden: Nach Erhalt der Genehmigung klagte ein Verein gegen die Windenergieanlagen – der Bau wurde dadurch erheblich verzögert und selbst nach diversen Gerichtsentscheidungen pro Windpark gehen die Kläger weiter gegen diesen vor. Ein Vorgang, der bundesweit zu beobachten ist und den Klimaschutz hintenanstellt.

Wie sich erst vor kurzem herausstellte, hatte ein Rechenfehler in einer Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe aus dem Jahr 2009 Windkraftgegnern in den letzten Jahren in die Hände gespielt. Mit scheinbar hohen Infraschallwerten von Windanlagen wurden bei Bürgern fälschlicherweise Ängste vor gesundheitlichen Gefahren geschürt – die Ablehnung wuchs.

Politik in der Pflicht

Dabei ist der Ausbau Erneuerbarer Energien unerlässlich, um die Klimaziele zu erreichen und die CO2-Emissionen zu reduzieren. Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht der Energiewende den Rücken gestärkt und das 2019 von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzgesetz kassiert, weil die deutsche Klimapolitik zu kurz greift. Nun muss die Politik kräftig nachbessern, statt den Ausbau von Wind- und Solarenergie weiterhin zu blockieren.

Die Windenergie bleibt ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Ohne sie ist die angestrebte Reduzierung der CO2-Emissionen nicht möglich. Die Errichtung von Windkraftanlagen trägt ebenso wie die von Solarparks nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern stärkt auch langfristig die regionale Wirtschaft. Viele Bürger engagieren sich deshalb für den Ausbau der Erneuerbaren in Bürgerenergiegesellschaften, und auch immer mehr Stadtwerke wenden sich diesen zu.

Nichtsdestotrotz ist der Zuwachs von Windenergie in Bayern erheblich ins Stocken geraten. „Dass wir dieses Projekt erfolgreich umsetzen konnten, setzt angesichts des insgesamt nur noch geringen Windenergieausbaus in Deutschland und vor allem in Bayern ein wichtiges Zeichen für die Energiewende“, bewertet NATURSTROM-Chef Thomas Banning den erfolgreichen Bauabschluss.

Ein Gewinn für den Klimaschutz und die Region

In Oberfranken drehen nun vier neue Anlagen des Typs Vensys V120 auf dem Gebiet der Gemeinden Rugendorf, Weißenbrunn, Kronach und Marktrodach und sollen dank der insgesamt installierten Leistung von 12 Megawatt (MW) plangemäß zusammen 20 Mio. Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugen. Die jeweilige Nabenhöhe der Anlagen liegt bei 139 Metern mit einem Rotordurchmesser von 120 Metern. Die neuen Anlagen tragen nicht nur zur Vermeidung klimaschädlicher CO2-Emissionen bei, sondern fördern auch die Region durch Pachtzahlungen, lokale Aufträge, Gewerbesteuereinnahmen, zudem ist ein Sonderstromtarif für die umliegenden Ortschaften geplant.

Bayern blockiert die lokale Energiewende

Ungeachtet der hervorragenden Ökobilanz konnten im Jahr 2020 in Bayern insgesamt nur acht Anlagen ans Netz genommen werden, 2019 waren es sogar nur sechs und 2018 ebenfalls nur acht Anlagen. Und das, obwohl Bayern als größtes Flächenland ein großes Ausbaupotenzial für Windenergie hat und gerade hier in den kommenden Jahren Stromerzeugungskapazitäten fehlen werden.

Der schleppende Windausbau im Freistaat hängt vor allem mit der 2014 in Kraft getretenen 10-H-Abstandsregel zusammen. Sie besagt, dass der Abstand eines Windrads zur nächsten Wohnbebauung mindestens das Zehnfache seiner Höhe betragen muss – kein anderes Bundesland hat eine vergleichbare Restriktion. „Die 10 H-Regelung hat in Bayern fast alle Möglichkeiten für den Windenergie-Ausbau zunichte gemacht“, bedauert Banning. „Eine dezentrale und umweltfreundliche Energiewende wird so bewusst behindert.“

Obwohl Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Aiwanger sowie Umweltminister Glauber die Regelung kritisieren und deren Abschaffung befürworten, verteidigt die CSU die umstrittene Bestimmung. Dies aber steht im klaren Widerspruch zu den Klimazielen des Freistaates – insbesondere nachdem der Ministerpräsident Söder nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgesetzes zum bundesdeutschen Klimaschutzgesetz in der vorletzten Woche erklärt hat, dass Bayern nun zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz werden und bis 2040 klimaneutral sein soll.

„Es sind also nicht einmal mehr 20 Jahre, um von derzeit gut 22 Prozent Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch in Bayern auf annähernd 100 Prozent zu kommen“, so Banning. „Dieses Ziel kann ohne einen sehr ambitionierten Ausbau der Solar- und Windkraftwerke im Freistaat jedoch keinesfalls erreicht werden, eine Umstellung auf einen überwiegenden Import von der Nordsee oder aus dem Ausland vernichtet Wertschöpfung in Bayern und erhöht Abhängigkeiten. Wenn da nicht schnell die Bremsen gelöst und andere Gesetze beschlossen werden, die den mittelständischen Unternehmen, den Bürgern und den Stadtwerken in Bayern Raum zur Gestaltung ihrer Energiezukunft geben, dann werden alle großen Ansagen zum Klimaschutz kläglich scheitern und die nächste Generation vor nicht mehr handhabbare Probleme stellen.“

Der Ausbau der Windenergie darf nicht weiter verschleppt werden

Hoffnung mache der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum bundesdeutschen Klimaschutzgesetz. „In Europa, in Deutschland und in Bayern sollen jetzt kurzfristig die Klimaziele verschärft werden. Das ist richtig, aber es braucht nun engagiertes Handeln und passende Rahmenbedingungen, um diese Ziele auch zu erreichen“, mahnt Banning. Da seien die von manchen lange schlecht geredeten Erneuerbaren Energien nun der für alle deutliche Weg in die Zukunft, da werden in ganz erheblichem Maße weitere Wind- und Solarkraftwerke benötigt.

„Es ist nicht länger zu wünschen, sondern es ist unbedingt erforderlich, dass die verantwortlichen Politiker und die Bürgerinnen und Bürger, die sich durch neue regenerative Kraftwerke gestört fühlen, den Ernst der Lage verstehen und erkennen, wie wichtig der schnelle Ausbau der Wind- und Solarenergie zur Erreichung der Klimaziele ist", so Banning weiter. „Wir kämpfen seit über 20 Jahren für eine zukunftsfähige Energieversorgung und Klimaschutz, und trotz unserer Erfolge kann ich nur warnen: 20 Jahre sind eine sehr, sehr kurze Zeit für die anstehenden Aufgaben. Eine pauschale 10-H-Abstandsregel ist dabei hochgradig unsinnig, sie gehört schnellstens abgeschafft“, appelliert der Ökostrompionier. Die richtigen Abstände von Windenergieanlagen zu einer Bebauung zu finden, müsse stattdessen die Aufgabe von konkreten Planungsverfahren sein. sk / na


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Kommentare

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Stephan Geue 17.05.2021, 14:07:31

Das Foto ist symptomatisch: Die Anlage ist abgeschaltet, die Flügel in den Wind gedreht. Warum? Und ich sehe das immer wieder, auch wenn gerade kein Starkwind durchs Land fegt. Gibt es in Oberfranken tatsächlich Phasen, in denen die in Bayern ohnehin nur wenig entwickelten Erneuerbaren zu stark fürs Netz sind, obwohl (oder weil nicht??) alle nachrangigen Energiequellen abgeregelt sind?


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