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GenehmigungsverfahrenMehr Tempo beim Windkraftausbau – aber wie?

Schwerlasttransport mit Rotorblatt im Winter mit Schnee
Die Genehmigungsverfahren für Windkraft sind viel zu komplex und zu lang. (Foto: JoachimKohler-HB auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0)

Die langwierigen Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen bremsen die Energiewende. Nur leider gibt es keinen Knopf, den man drücken könnte, um sie zu beschleunigen. Energierechtsexpertinnen benennen Stellschrauben.

28.02.2022 –Projektierer, Unternehmen, Investoren, Bürgerenergiegenossenschaften und Kommunen stöhnen schon lange unter den vielfältigen komplizierten Regeln und Gesetzen, die beim Errichten von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu beachten sind. Brancheninsider sprechen gar von einer Komplexitätsfalle. Über die Jahre haben die ständigen Novellen am EEG und anderen Rechtsvorschriften für eine recht unübersichtliche juristische Gemengelage gesorgt. Insbesondere der Windkraftausbau mit seinen besonderen planungsrechtlichen Vorgaben – Raumplanungs- und Kommunalplanungsrecht müssen ineinandergreifen – leidet unter dieser Situation.

Dass es schneller gehen soll, ist Konsens aller Akteure in Politik und Wirtschaft. Doch wie genau das zu bewerkstelligen ist, scheint ein juristisches Puzzle mit tausend Teilen. Die Dialoggesellschaft hat die Rechtsanwaltskanzlei Becker Büttner Held beauftragt, wichtige Beschleunigungshebel zu identifizieren und anhand ihrer juristischen Komplexität einzuordnen. Eventuelle Maßnahmen sollten aber weder die Sorgfalt noch die Beteiligungsmöglichkeiten oder den Rechtsschutz beschneiden. Die Energierechtsexpertinnen und Experten setzen sich außerdem die Prämisse, das bestehende Recht nicht von Grund auf gegen den Strich zu bürsten, sondern innerhalb des aktuellen Rahmens Wege zu finden, die Tempo bringen und praxistauglich sind.

Die Juristen unterteilten das Feld der möglichen Ansatzpunkte in drei Ebenen und strukturierten ihre Vorschläge nach der Art der Adressaten: Ein Teil der Vorschläge richtet sich an die Politik, ein anderer Teil an die Vorhabenträger und einige Vorschläge an die Behörden. Zusätzlich bewerteten sie die einzelnen Vorschläge nach ihrer Wirksamkeit und bildeten dieses Urteil in einem Farbsystem ab.

Was die Politik tun kann

Auf der legislativen Ebene sei der Schlüssel, die Zulassungsverfahren insgesamt neu zu denken und das mehrstufige Verfahren auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene auf einer Ebene zu bündeln. Darüber hinaus müsse der Klimaschutz mehr Relevanz bekommen und in der Abwägung mit anderen Belangen mehr Gewicht erhalten. Die behördliche Betrachtung von FFH- und Natura-2000-Gebieten, sollte fortlaufend erfolgen, um qualitative Verbesserungen und Verschlechterungen von Flächen zu dokumentieren und nicht für jedes Vorhaben neue naturschutzrechtliche Gutachten anzufertigen, die jeweils nur für einen Beobachtungszeitraum Aussagen treffen.

Was die Projektierer tun können

Die Projektierer bzw. Vorhabenträger können Beschleunigungspotenzial aktivieren, indem sie die Kosten für Projektmanager und externe Sachverständige übernehmen, die im Auftrag der Genehmigungsbehörde tätig werden und damit die Behörden entlasten. Die Begleitung der Genehmigungseinreichung sollte Standard werden, d.h. die Behörden und andere Interessengruppen frühzeitig in die Projektkoordination eingebunden werden.

Was die Behörden tun können

Wenn die Beteiligung nicht eingeschränkt, aber Beteiligungsverfahren effizienter werden sollen, liegen Potenziale für mehr Tempo in der Digitalisierung, so ein Fazit der Juristen. Darüber hinaus entwickeln sie die Idee eines Expertenpools, dessen Mitglieder im jeweiligen Bundesland mit den Vorschriften und Vorgaben vertraut sind und kurzfristig gegenüber Behörden Auskünfte erteilen können. Die Erteilung von Vollgenehmigungen mit Genehmigungsauflagen sollte der Teilgenehmigung vorgezogen werden. Das sei für die Praxis manchmal sogar sinnvoller.

Die Behörden sollten zudem auf nicht benötigte Unterlagen verzichten und mit der inhaltlichen Prüfung eines Antrags bereits vor der förmlichen Feststellung der Vollständigkeit beginnen.

Landespolitik hat entscheidenden Einfluss auf Windkraftausbau

Bei der Vorstellung des Gutachtens sagte Ines Zenke, Rechtsanwältin und Mitverfasserin, dass mit der Umsetzung dieser Vorschläge nahezu eine Halbierung der Verfahrensdauer möglich sei. Allerdings betonte sie auch, dass die Länge der Verfahren sehr vom jeweiligen Bundesland abhänge.  Wie das Land hinter dem Windkraftausbau stehe, sei ein klarer Faktor für das Tempo der Verfahren.

Wie die Fachagentur Wind ermittelt hat, liegt die durchschnittliche Genehmigungsdauer derzeit bei vier bis fünf Jahren. Aber es gibt auch Projekte, die deutlich längere Vorbereitungszeiträume durchlaufen. Ein Beispiel dafür ist der Windpark im Reinhardswald, der Anfang des Jahres seine Genehmigung erhielt – die Energiegenossenschaft Reinhardswald hatte einen langen Atem bewiesen. Zehn Jahre hat es gedauert, bis alle Verfahrensschritte zur Genehmigung durchlaufen waren.  pf


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Kommentare

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Anne 19.03.2022, 00:40:34

Die Geschichte von 10 Jahren Verfahrensdauer für Hessens größtes Windprojekt mit 18 WEA im Reinhardswald und 14 Kilometer Schwerlasttrassen- Aus- und Neubau wird gerne erzählt, ist aber falsch. Hier die Chronologie:

 

- Im Oktober 2016 wurde der Teilregionalplan Energie in Nordhessen überhaupt erst beschlossen - damit auch 2000 Hektar, verteilt auf sieben Flächen, im landeseigenen Reinhardswald als sog. Windvorrangflächen. Übrigens gingen damals zusammen 32 000 Einwendungen gegen den TRP Nordhessen ein - rund 20.000 davon allein gegen die Beplanungen des Reinhardswaldes. Sie blieben weitgehend unberücksicht

 

- Im darauf folgenden Sommer 2017 pachtete die Energiegenossenschaft Reinhardswald zwei dieser sieben Flächen im Reinhardswald von HessenForst.

 

- Die in 2018 und 2019 stark veränderte Waldsituation führte zu verschiedenen Verzögerungen - auch waren die vorgelegten Unterlagen lt. RP Kassel lange unvollständig.

 

- Im August 2019 wurde das Genehmigungsverfahren schließlich eröffnet.

https://www.google.com/amp/s/www.hna.de/lokales/hofgeismar/trendelburg-ort43206/reinhardswald-start-windkraftverfahren-12902168.amp.html

 

- Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren hatte zunächst einen Formfehler und musste daher, vorgesehen von August bis November 2020, noch einmal vom November bis 4.1.21 wiederholt werden.

 

- Es folgte im April 21 eine coronabedingte 4wöchige online- Konsultation anstelle eines physischen Anhörungstermins.

 

- Am 2.2.22 wurde dann die PM aus dem RPKassel mit der Vorabankündigung der Baugenehmigung veröffentlicht. Offensichtlich die erste Amtshandlung des seit dem 1.2. erst im Amt befindlichen neuen Regierungspräsidenten Mark Weinmeister ( als Nachdolger des in den Ruhestand entlassenen H.-J. Klüber).

Kaum 4 Stunden nach Veröffentlichung dieser Vorab- Ankündigung fällten bereits 3 Harvesterteams parallel an verschiedenen Standorten im Reinhardswald. Zuerst fielen die wertvollsten Bestände mit über 110jährigen und älteren Buchen...


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