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EnergiewendeWindkraft-Ausbau braucht mehr Tempo und Flächen

Windenergieanlagen unter Gewitterhimmel
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen Erneuerbare Energien noch viel schneller ausgebaut werden. (Foto: Cassie Boca on Unsplash)

Die Windkraft an Land legt zwar zu, doch bleibt noch weit hinter den Ausbauzielen zurück. Vor allem der Süden der Republik hinkt weiter hinterher, die Verfahrenslaufzeiten erreichten einen neuen Höchstwert und es klemmt an der Transportinfrastruktur.

19.07.2023 – Die positive Nachricht zuerst: Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Deutschland 331 Windenergie-Anlagen (WEA) an Land mit einer kumulierten Leistung von 1.565 Megawatt (MW) errichtet. Der Bruttozubau im ersten Halbjahr 2023 beträgt damit bereits 65 Prozent des Zubaus des Gesamtjahrs 2022. Damit werde voraussichtlich der obere Bereich der Verbändeprognose von einem Zubau der Onshore-Windkraft von 2,7 bis 3,2 Gigawatt (GW) in diesem Jahr in Deutschland erreichbar, so die Einschätzung von BWE-Präsidentin Bärbel Heidebroek. Allerdings bleibe der aktuelle Zubau hinter den Erfordernissen für die sichere Erreichung eines Ausbauziels von 115 GW für Onshore-Wind im Jahr 2030 zurück. Derzeit sind hierzulande 28.517 WEA mit einer kumulierten Leistung von 59,34 GW installiert.

„Die Bundesregierung hat in den letzten 16 Monaten sehr viel Gutes geleistet, um den Ausbau der Windenergie zu ermöglichen, doch hinkt immer noch weit hinter den Zielen hinterher“, unterstrich auch Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems, bei einer gemeinsamen Verbändekonferenz am gestrigen Dienstag in Berlin. Die deutlich steigenden Genehmigungszahlen reichten bei Weitem noch nicht aus, um den Ausbaupfad von jährlich 10 GW ab 2025 zu stemmen.

Die Diskrepanz zwischen Realität und Zielsetzung sei derzeit noch zu hoch und könne nur durch die konsequente und zügige Umsetzung der auf Bundesebene – vor allem auf Betreiben des Bundeswirtschaftsministeriums – beschlossenen Maßnahmen reduziert werden. Hierfür braucht es intensive Anstrengungen anderer Ressorts wie des Bundesverkehrsministeriums, der beteiligten Landesministerien und der Behörden vor Ort.

Das Verfehlen der Ausbauziele der Windenergie an Land könne Auswirkungen auf Fortschritte in anderen Sektoren haben. Wärmepumpen, Elektromobilität und grüner Wasserstoff könnten nur zur Erreichung der Klimaziele beitragen, wenn insbesondere Onshore-Wind den Ausbaupfad erreiche und somit ausreichend grüner Strom zur Verfügung stehe. Verfehlungen in jedem Jahr erhöhten den Druck in den folgenden Jahren und verstärkten Herausforderungen bei der Umsetzung.

Mehr Neugenehmigungen – aber immer noch zu wenig

„Schlüsselwert sind und bleiben die Neugenehmigungen. Hieran wird sich der Erfolg der Bundesregierung messen lassen müssen“, erklärte Heidebroek. Der aktuelle Zubau speise sich vor allem aus den Genehmigungen vergangener Jahre. Schleswig-Holstein (597 Megawatt (MW)/1. Halbjahr 2023), Niedersachsen (267 MW) und Nordrhein-Westfalen (204 MW) führten die Zubau-Rangliste auf einem verhaltenen Niveau an und profitieren bei der Platzierung von der Ausbauschwäche anderer Bundesländer. Insbesondere in Süddeutschland stocke der Ausbau weiterhin, aber auch in den führenden Ländern bestehe deutlich Luft nach oben.

Der starke Anstieg der Genehmigungen in Höhe von bundesweit 3.175 MW im ersten Halbjahr 2023 stütze sich auf Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und etwas reduziert auf Brandenburg. „Dies sind zu wenige Länder. Es braucht jetzt in allen Ländern deutlich mehr Tempo. Um die angestrebten jährlich 10 GW Zubau zu erreichen, müssen mindestens 12 Gigawatt (GW) neu genehmigt werden", forderte Heidebroek.

Verfahrenslaufzeiten von 24,5 Monaten

Langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Mangel an verfügbaren Flächen stellen weiter die größten Zubauhürden dar. Die Verfahrenslaufzeiten sind laut Fachagentur Wind an Land nach einem kurzen Rückgang im Jahr 2021 zuletzt sogar auf einen neuen Höchstwert angestiegen und liegen nun bei 24,5 Monaten. „Beschlüsse und Ziele sind vorhanden. Bis die Bundesländer diese Regelungen schlussendlich umsetzen, darf nicht weiter wertvolle Zeit verstreichen. Mit dem derzeitigen Tempo werden die Ziele verfehlt“, unterstrich Rendschmidt. Hersteller und Zulieferer brauchten die zügige Projektrealisierung, auch um Fertigungskapazitäten auszulasten und Wertschöpfung für künftige Investitionen in den Kapazitätsausbau zu sichern.

Auch die langwierigen Genehmigungsprozesse für die Transporte der Anlagen seien ein echter Flaschenhals für die Realisierung von Projekten und eine hohe Belastung für die Branche. Mit beschleunigten und verschlankten Genehmigungsverfahren müsse die Zahl der Anträge deutlich verringert werden, die Branche und die Behörden müssten entlastet und die Genehmigungszeiten und Kosten deutlich gesenkt werden.

Zwölf Wochen Genehmigungszeit für einen Schwertransport

So verwies Rendschmidt darauf, dass die durchschnittliche Genehmigungszeit für einen WEA-Schwertransport in Deutschland zwölf Wochen brauche, in Holland dagegen nur vier bis fünf Tage. Durch Vereinfachungen könnten hierzulande jährlich 90.000 von 120.000 Transportgenehmigungen für die Errichtung von jährlich 2.000 WEA entfallen. Dies bringe allein jährliche Kosteneinsparungen von rund 70 Mio. Euro, rechnete Rendschmidt vor.

Zudem seien Behelfsmaßnahmen im Infrastrukturbereich notwendig, um Transportengpässe zu verringern. Noch bevor der Zubau anziehe, müsse die Situation auf der Straße incl. Autobahnen schnell und bundeseinheitlich gelöst werden. Die Binnenschifffahrt werde voraussichtlich erst mittel- bis langfristig größere Anteile des Transports übernehmen können, wenn Zuwege, Häfen, Wasserstraßen und Schleusen ausgebaut seien. Auch hier müsse die Lücke zwischen Realität und Zielen schnell geschlossen werden, so Rendschmidt.

Hohes Potenzial von Repowering-Projekten

Die Verbände sehen beim beschleunigten Repowering einen wichtigen Hebel zum schnellen Erreichen der Ausbauziele. „Der Ersatz von Windenergieanlagen, die ihr Lebensende erreicht haben, durch moderne Anlagen steigert die Effizienz der Stromerzeugung, senkt die Kosten, und unterstützt die Akzeptanz der Windenergie“, sagte Heidebroek.

Es gelte, Repowering-Projekte durch Beschleunigung in den Genehmigungsverfahren deutlich voranzubringen. Im 1. Halbjahr 2023 wurde 80 der 331 neuen WEA im Rahmen von Repowering-Projekten errichtet. Das Potenzial liegt bei rund 13.600 Anlagen mit einer Leistung von mehr als 18 GW bis Ende 2028. Hier schlummert kurz- bis mittelfristig ein Repowering-Potenzial von bis zu 54 GW.

Hochlauf der Produktionskapazitäten braucht Wirtschaftlichkeitsperspektive

„Hersteller und Zulieferer benötigen eine marktliche Wirtschaftlichkeitsperspektive durch Projekte sowie durch den Abbau von Hemmnissen, um ihre Kapazitäten auszulasten und perspektivisch einen Hochlauf zu stemmen – ohne diese können notwendige Investitionen in Forschung, Standorte und Personal nicht stattfinde“, betonte Rendschmidt.

Für die Stärkung der europäischen Lieferkette brauche es verbesserte Rahmenbedingungen und eine politische Flankierung des strategischen Wertes eines starken Anlagenbaus in Europa. Die bisherigen Ansätze zum Green Deal Industrial Plan reichten hierfür nicht aus. Hans-Christoph Neidlein


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