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IEA-Sonderbericht zur COP27Divest Kohle – invest Erneuerbare

Kohleförderung in East Kalimantan, indonesischer Teil der Insel Borneo
Kohleförderung in East Kalimanta. Indonesien soll nun Unterstützung für den Kohleausstieg von den Industrieländern erhalten. (Foto: consigliere ivan from Bontang, Indonesia, CC BY 2.0 via Wikimedia Commons)

Um die CO2-Emissionen aus der Kohlekraft zu reduzieren, fordert die IEA die Weltgemeinschaft auf, Finanzmittel für saubere Energiealternativen zu mobilisieren und damit auch faire Übergänge in Schwellen- und Entwicklungsländern zu ermöglichen.

18.11.2022 – Anlässlich der Klimakonferenz COP27 in Ägypten analysiert der neue IEA-Sonderbericht Coal in Net Zero Transitions: Strategies for Rapid, Secure and People-Centred Change was erforderlich wäre, die globalen Kohleemissionen schnell genug zu senken, um die internationalen Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig Energiesicherheit und Wirtschaftswachstum sowie die Bewältigung der sozialen und beschäftigungspolitischen Folgen der damit verbundenen Veränderungen sicherzustellen. Dazu gehören die großen Auswirkungen eines Übergangs zu Netto-Null-Emissionen bis 2050 für den Kohlesektor.

Die neue Analyse zeigt, dass aktuell der überwiegende Teil des weltweiten Kohleverbrauchs in Ländern stattfindet, die sich verpflichtet haben, Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Die globale Kohlenachfrage sei jedoch weit davon entfernt, zurückzugehen, und ist laut Analyse in den letzten zehn Jahren stabil auf hohem Niveau. Wenn nichts unternommen wird, würden allein die Emissionen bestehender Kohleanlagen die Welt über die 1,5-Grad-Grenze bringen, berichten die Studienautoren.

Kohle ist sowohl der größte Emittent von energiebedingtem Kohlendioxid – 15 Gigatonnen (Gt) im Jahr 2021 – als auch die größte Quelle für die Stromerzeugung mit einem Anteil von 36 Prozent im Jahr 2021 und ein bedeutender Brennstoff für die industrielle Nutzung, heißt es im Bericht. Umfassende, integrierte Strategien, die sich mit Emissionen aus allen Quellen befassen, wären für den Klimaschutz unerlässlich – aber die Reduzierung der Emissionen aus Kohle müsste absolute Priorität haben, raten die Studienautoren. Jeder zukünftige Weg für den globalen Energiesektor, der schwerwiegende Auswirkungen des Klimawandels vermeiden will, beinhalte eine frühzeitige und signifikante Reduzierung der kohlebedingten Emissionen.

„Über 95 Prozent des weltweiten Kohleverbrauchs findet in Ländern statt, die sich verpflichtet haben, ihre Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren“, sagt IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. „Aber während es in den politischen Reaktionen vieler Regierungen auf die aktuelle Energiekrise ermutigende Impulse für den Ausbau sauberer Energie gibt, besteht ein großes ungelöstes Problem darin, wie mit der riesigen Menge bestehender Kohleanlagen weltweit umgegangen werden soll.“

Die größten Kohle-Junkies

Der neue IEA Coal Transition Exposure Index hebt die Länder hervor, in denen die Kohleabhängigkeit hoch und der Übergang vermutlich am herausforderndsten ist: Indonesien, die Mongolei, China, Vietnam, Indien und Südafrika stehen dabei im Fokus. Es müssten Lösungen erarbeitet werden, die auf die nationalen Gegebenheiten zugeschnitten sind.

Heute gibt es laut IEA-Report weltweit rund 9.000 Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 2.185 Gigawatt. Ihr Altersprofil variiert dabei stark von Region zu Region, von durchschnittlich über 40 Jahren in den Vereinigten Staaten bis zu weniger als 15 Jahren in Entwicklungsländern in Asien. Industrieanlagen, die Kohle verwenden, sind ähnlich langlebig.

Nur ein massiver und vor allem jetzt schneller Ausbau Erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung, begleitet von systemweiten Verbesserungen der Energieeffizienz, wäre der Schlüssel, um den Kohleverbrauch für Strom zu reduzieren und die Emissionen bestehender Anlagen zu reduzieren.

In einem Szenario, in dem die aktuellen nationalen Klimaschutzverpflichtungen rechtzeitig und vollständig erfüllt würden, sinke die Leistung bestehender, laufender Kohlekraftwerke zwischen 2021 und 2030 um etwa ein Drittel, wobei 75 Prozent davon durch Solar- und Windenergie ersetzt werden. Stärker wäre der Rückgang der Kohleproduktion in einem Szenario, das darauf abzielt, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen. Im Net Zero by 2050-Szenario sinkt der Kohleverbrauch bis Mitte des Jahrhunderts um 90 Prozent.

Finanzierung neuer Kohle-Projekte ist fatal

Neue Projektgenehmigungen wären zwar in den letzten zehn Jahren stark zurückgegangen, doch die aktuelle Energiekrise zeige bereits eine neue Bereitschaft zur Genehmigung von Kohlekraftwerken. Rund die Hälfte der 100 im Bericht untersuchten Finanzinstitute weltweit unterstützten weiterhin Kohle-Projekte.

Ein aktueller Bericht von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen macht deutlich, wie die Lage bspw. auf dem afrikanischen Kontinent ist. Auch wenn die Anzahl der geplanten Kohlekraftwerke in Afrika in den letzten vier Jahren geschrumpft ist, expandiere die Kohleindustrie weiter auf dem Kontinent, heißt es im Bericht. In elf afrikanischen Ländern sind demnach neue Kohlekraftwerke, Kohlebergwerke oder der Bau von Kohletransportinfrastruktur geplant bzw. aktuell in Entwicklung. Insgesamt befinden sich über 10 Gigawatt neuer Kohlekraftwerkskapazität in der Pipeline. Derzeit werden in neun afrikanischen Ländern 70 neue Kohleminen erschlossen oder bestehende erweitert.

„Afrika verfügt über 39 Prozent des weltweiten Potenzials für Erneuerbare Energien. Doch ausländische Investoren unterstützen weiterhin eine fossile Zukunft für unseren Kontinent“, mahnt Bobby Peek von der Life After Coal Campaign in Südafrika. Mit Stand Juli 2022 hielten laut NGO-Bericht mehr als 5.000 institutionelle Investoren Aktien und Anleihen im Gesamtwert von 109 Milliarden US-Dollar an Unternehmen, die neue fossile Projekte in Afrika vorantreiben. Dabei verfügt Afrika über 39 Prozent des weltweiten Potenzials für Erneuerbare Energien.

Anreize für den Kohleausstieg setzen

Regierungen sollten Vermögenseigentümern Anreize für einen Kohleausstieg und einen Übergang in saubere Energieerzeugung schaffen, raten die Autoren des Berichts. Eine hohe Wirtschaftlichkeit für saubere Stromerzeugung allein würde nicht ausreichen, um einen raschen Übergang zu gewährleisten. Denn Kohlekraftwerke wären oft außerhalb des Marktwettbewerbs – etwa, weil sie im Besitz etablierter Energiekonzerne oder durch PPA-Verträge geschützt seien. Power Purchase Agreements, kurz PPA, bezeichnet einen langfristigen Stromliefervertrag zwischen zwei Parteien, meist zwischen einem Stromproduzenten und einem Stromabnehmer.

Mögliche Finanzierungsmodelle

Die Analyse zeige, erläutern die Autoren des Berichts, dass außerhalb Chinas, wo kostengünstige Finanzierungen die Norm seien, die durchschnittlichen Kapitalkosten von Eigentümern und Betreibern von Kohlekraftwerken bei etwa sieben Prozent liegen. Könnte man auf drei Prozent reduzieren, würde sich die Anfangsinvestition für die Eigentümer schneller amortisieren. Das könnte den Weg dafür ebnen, ein Drittel der weltweiten Kohleflotte innerhalb von zehn Jahren stillzulegen.

Strukturwandel ökonomisch und sozialverträglich steuern

Internationale Zusammenarbeit, öffentliche finanzielle Unterstützung und sozioökonomische Ausgewogenheit werden bei der Abkehr von der Kohlekraft von entscheidender Bedeutung sein, schreiben die Studienautoren. Die Energiewende werde dabei Millionen von Arbeitsplätzen im Bereich der sauberen Energie schaffen – wenn auch nicht unbedingt an denselben Stellen wie die Arbeitsplätze im Kohlebereich. Ein „kritischer Mineralbergbau“ könnte neue industrielle Möglichkeiten und Einnahmequellen für Unternehmen und Kommunen bieten, die bisher von der Kohlegewinnung abhängig waren.

Birol hatte zur Berichterstattung zusätzlich eine Beratungsgruppe aus Energie-, Klima- und Finanzexperten einberufen. Den Vorsitz dabei führte Michael R. Bloomberg, Sondergesandter des UN-Generalsekretärs für Klimaschutz, zusammen mit Arifin Tasrif, Energieminister von Indonesien, das derzeit den G20-Vorsitz innehat, sowie Teresa Ribera Rodríguez, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für den ökologischen Wandel Spaniens.

„Kohlekraftwerke sind auf dem Rückzug, aber nicht in dem Tempo, das wir brauchen, um Leben zu retten und die Klimakrise zu stoppen“, so Bloomberg. „Indem wir Investitionen in saubere Energie massiv hochfahren, können wir einen vollständigen Ausstieg aus Kohlekraftwerken in fortschrittlichen Volkswirtschaften bis 2030 und im Rest der Welt bis 2040 erreichen. Auf der anderen Seite dieses Übergangs stehen eine stärkere Wirtschaft und gesündere Gemeinschaften – und wir haben keine Zeit zu verschwenden, um dorthin zu gelangen.“ Der IEA-Sonderbericht könnte ein Leitfaden sein für Regierungen und den Privatsektor, einschließlich Finanzinstituten und Investoren.

Leitfaden für den Kohleausstieg

Wir begrüßen den neuen Bericht der IEA, der nicht nur einen glaubwürdigen Weg zur Reduzierung der Kohleemissionen aufzeigt, sondern auch gerechte Übergangsaspekte, einschließlich internationaler Unterstützung, berücksichtigt“, kommentierte Indonesiens Energieminister Arifin Tasrif. Einige Industriestaaten haben nun aktuell im Rahmen der COP27 in Ägypten eine Klimapartnerschaft mit Indonesien ausgehandelt, um den Kohleausstieg im Land zu beschleunigen, berichtete klimareporter von der COP27. Dabei sollen finanzielle Mittel in Milliardenhöhe fließen. Die Idee: Industriestaaten nutzen ihre Bonität, private Mittel zu mobilisieren, um noch lange laufende Kohlekraftwerke zu kaufen und vorzeitig zu schließen,

Spanien habe seine Kohleminen 2018 geschlossen und seine Kohleerzeugungskapazität in den folgenden vier Jahren um 90 Prozent reduziert, berichtet indes Teresa Ribera Rodríguez. Man habe große Anstrengungen unternommen, um eine faire und ausgewogene Energiewende zu erreichen, insbesondere für die Regionen und Arbeitnehmer, die vom Kohlebergbau und von Kohlekraftwerken abhängig waren. Der IEA-Bericht mache deutlich, dass die Welt über die Mittel verfüge, um einen sicheren und gerechten Übergang zu erreichen. na


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