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KlimakriseKlimakipppunkte korrelieren über weite Entfernungen

Sonnenuntergang über Himalaya-Gebirge
Wie die Brandrodung des Regenwaldes auf das Klima im Himalaya-Gebirge wirkt, haben Klimaforscher herausgefunden. (Foto: Raimond Klavins on Unsplash)

Kippelemente sind über den Globus hinweg gekoppelt, warnen Forscher. Neue Studien belegen, wie bspw. eine grundlegende Klimaveränderung im Amazonasgebiet auch das Klima im weit entfernten Himalaya-Gebirge massiv beeinflusst und verändern kann.

03.02.2023 – Klimakippelemente sind Komponenten des Erdsystems, die beim Erreichen von Schwellenwerten abrupt und irreversibel von einem Zustand in einen anderen wechseln können. Etliche Beispiele dafür sind bekannt. Das Amazonasgebiet, das Meereis oder auch die Nordatlantikströmung gelten im Zuge der Klimakrise als Kippelemente im weltweiten Klimasystem. Es ist bislang jedoch wenig erforscht, inwieweit das Kippen eines Systems weit entfernte Regionen oder Kippelemente direkt beeinflussen kann.

Hinweisen dafür sind Klimaforscher im Rahmen einer neuen Studie nachgegangen, die in nature climate change veröffentlicht wurde, berichtet das an der Studie beteiligte Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Die Studienautoren haben darin dargestellt, wie das Amazonas-Regenwald-Gebiet starke Korrelationen mit Regionen wie dem westantarktischen Eisschild sowie dem tibetischen Plateau im Himalaya-Gebirge aufweist.

Dabei zeigt sich, dass verschiedene Klimaextreme zwischen dem Amazonas-Regenwald und dem über 20.000 Kilometer entfernten tibetischen Plateau klimatisch synchronisiert werden und dadurch die Gefahr einer kaskadierenden Kippdynamik besteht: Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Kippelementen könnten destabilisierende Wirkungen auf die weit entfernten Teilsysteme haben und damit möglicherweise zu Kaskaden abrupter Übergänge führen.

Drohende Kipppunkte

Abholzung und Brandrodung setzen dem Amazonas-Regenwald schwer zu. 3.988 Quadratkilometer wurden laut Daten der brasilianischen Weltraumforschungsagentur INPE allein im ersten Halbjahr 2022 gerodet, 2.906 Brände zählte INPE im Amazonas in dieser Zeit. Das südöstliche Amazonas-Gebiet sei während der Trockenzeit zu einer Nettoquelle von Kohlenstoffemissionen geworden, warnen die Forscher.

Rund 75 Prozent des Amazonas-Regenwaldes habe seit den frühen 2000er Jahren an Widerstandsfähigkeit verloren, das System bewege sich damit deutlich auf einen Kipppunkt zu. Am stärksten gefährdet sind die südlichen Ränder des Waldes, wo kontinuierliche Rodung für Weideland oder Soja der Belastbarkeit des Waldes schon seit Jahren zusetzt. Besonders dort gibt es bereits ausgeprägte Trockenperioden. Ganze Landstriche könnten komplett zu Savannen werden.

Dominoeffekt der Kippelemente

Wenn sich das Klima im Amazonasgebiet ändert, dann wirkt sich dies im rund 20.000 Kilometer entfernten Tibet aus – das haben die Forscher nun festgestellt. Die Kippelemente wären demnach nicht isoliert, sondern über Rückkopplungen eng miteinander verbunden. Das erhöht das Risko, dass regionale Veränderungen des Klimasystems auch am anderen Ende der Welt zu einem folgenschweren Umkippen der Kippelemente führen können, warnen die Wissenschaftler. „Wenn es im Amazonas wärmer wird, wird es auch in Tibet wärmer“, erläutert Co-Autor der Studie Jürgen Kurths vom PIK. „Für die Temperaturen gibt es also eine positive Korrelation.“ Beim Niederschlag sei die Rückkopplung dagegen negativ: „Wenn es im Amazonasgebiet mehr regnet, fällt in Tibet weniger Schnee.“

Die Untersuchungen machten zudem deutlich, dass die Schneedecke auf dem tibetischen Plateau sich ebenfalls bereits einem Kipppunkt nähert und ihre Stabilität verliert. Damit wäre auch ein wichtiger Wasserspeicher für Millionen Menschen im Einzugsbereich der dort entspringenden Flüsse gefährdet, warnen die Forscher.

Die Wege des Wetters

In Analysen unter Anwendung verschiedener Klimamodelle konnte das Forscherteam herausfinden, mit welchen Mechanismen die weit entfernten Kippelemente miteinander verknüpft sind. Demnach ist der erste Mechanismus das südatlantische Hoch, es wird von der Ostküste Südamerikas mit vorherrschenden Westwinden über den Atlantik ins südliche Afrika getrieben. Die anschließende Kopplung verbindet das südliche Afrika mit Nordafrika und dem Nahen Osten. „Die innertropische Konvergenzzone kontrolliert den Afrikanischen Monsun und damit die Winde, die vom Süden in den Norden Afrikas wehen“, erläutern die Studienautoren. Und der darauffolgende Mechanismus verbindet schließlich Nordafrika und den mittleren Osten mit dem Himalaya-Gebiet über die Westwinde der mittleren Breiten der nördlichen Hemisphäre.

Wechselwirkungen und Fernverbindungen zwischen Kippelementen führen also potenziell zu Kaskaden von abrupten Übergängen, warnen die Forschenden. Diese Mechanismen sollten in Zukunft verstärkt beim Klimaschutz und der Anpassung an Klimafolgen berücksichtigt werden. Ein Weg aus der Misere könne aber letztlich nur eine weltweit massive Reduzierung von CO2-Emissionen sein. na


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