Menü öffnen

KoalitionsvertragDie Transformation des Energiesystems steht vor der Tür

Strommasten und Windräder
Wenn nur noch Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt wird, müssen Netze und Märkte darauf optimiert werden. (Foto: energiezukunft / Petra Franke)

Der Koalitionsvertrag zeichnet einen Weg zu einem erneuerbaren Energiesystem vor. Für die Transformation setzt er einige Leitplanken. Einiges bleibt offen. Bürgerenergie soll gestärkt werden, beim Netzausbau haben Stromautobahnen Vorrang.

29.11.2021 – Klimaschutz wird großgeschrieben im Koalitionsvertrag. Er wird zur Querschnittsaufgabe und damit omnipräsent - jedes Gesetz muss zukünftig einen Klimacheck durchlaufen.  Dass dafür eine Transformation des Energiesystems notwendig wird, ist Konsens und als zentrale Aufgabe der Ampelparteien formuliert.

Der notwendige Ausbau der Erneuerbaren Energien soll schneller und ambitionierter erfolgen. Alle Hürden und Hemmnisse sollen aus dem Weg geräumt werden. Aufgrund der Elektrifizierung vieler Lebensbereiche – unter anderem in der Industrie und im Verkehr – ergibt sich zukünftig ein weit höherer Strombedarf. Diese Logik ist nicht neu, die bisherige Politik hat davor aber die Augen verschlossen.

Photovoltaik, Windkraft, Wasserstoff – die Energiequellen der Zukunft

Das ist nun anders – der Koalitionsvertrag nennt die Zahl von bis zu 750 Terawattstunden, die im Jahr 2030 notwendig sein könnten – gegenüber 2020 ein Plus von rund 30 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt – in acht Jahren – soll der Strom zu 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien kommen, ohne Atomstrom und idealerweise auch ohne Kohlestrom. Das wären dann 600 Terawattstunden aus erneuerbaren Quellen. Zum Vergleich: 2020 produzierten erneuerbare Energiequellen rund 246 TWh Strom. Man sieht: Die Aufgabe ist gewaltig, in den nächsten acht Jahren muss doppelt so viel geschafft werden wie in Summe der vergangenen 20 Jahre.

Konkrete Ausbauziele werden für die Photovoltaik genannt: 200 Gigawatt installierte Leistung bis 2030. Gut ist, dass dabei die Dachflächen als Flächenressource in den Blick genommen werden. Für gewerbliche Neubauten wird eine Solarpflicht angekündigt. Für die Windkraft soll nun endlich ein Anteil von zwei Prozent der jeweiligen Landesflächen ausgewiesen werden – schon lange vorgeschlagen, durchgerechnet und vielfach kommentiert.

Bei der Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wird eine Elektrolyseleistung von 10 Gigawatt im Jahr 2030 angepeilt, allerdings könnte dabei auch Gas eingesetzt werden. Erdgas wird für eine Übergangszeit als unverzichtbar angesehen – neu gebaute Gaskraftwerke müssen aber auf einen späteren Wasserstoffbetrieb umrüstbar sein.

Netzausbau mit mehr Tempo

Klar ist, dass für diesen Wandel auch Reformen im Strommarkt notwendig sind und die Stromnetze die nötige Infrastruktur bieten müssen. Mehr Tempo und Verbindlichkeit beim Netzausbau auf allen Ebenen versprechen die Koalitionäre. Bundesnetzagentur und Netzbetreiber sollen einen über den bisherigen Netzausbauplan hinausreichenden Klimaneutralitätsplan erarbeiten.

Allerdings folgt im Folgesatz eine wichtige Weichenstellung: „Besonderes Augenmerk muss bei allen Maßnahmen auf den Stromautobahnen liegen.“ Das dürfte Widerspruch wecken bei all jenen Akteuren, die gerade in den großen Stromtrassen verschenkte Ressourcen verorten und auf mehr regional optimierte Cluster setzen.

Die Rede ist zudem von Strom- und Wasserstoffnetzen – diese Formulierung könnte man so deuten, dass die bestehenden Gasnetze flächendeckend zu Wasserstoffnetzen werden. Dieses Szenario wurde in der Vergangenheit unter anderem von Verbraucherschützern kritisch kommentiert.

Bis 2023 will die neue Regierung eine Roadmap Systemstabilität vorlegen. Versprochen wird auch eine klare Zuordnung der politischen Verantwortung für gute frühzeitige Bürgerbeteiligung beim Netzausbau.

Lücke bei dezentraler Kopplung von Erzeugung und Verbrauch

Einen klaren Fokus auf die dezentrale Kopplung von Erzeugung und Verbrauch im zukünftigen Energiesystem gibt es im Koalitionsvertrag nicht. Lediglich einige Ansätze werden genannt: Regionalstrom soll ermöglicht, weitere Reformen für Mieterstrom und Quartiersansätze angestrebt werden.

Bürgerenergie soll als wichtiges Element für mehr Akzeptanz gestärkt werden. Hier geht es um Abbau von Hemmnissen, Absicherung von Risiken von Bürgerenergie-Projekten und die längst überfällige Ermöglichung von Energy-Sharing-Modellen in Energiegemeinschaften.

Neue Struktur für Strommarkt angekündigt

Ein neues Strommarktdesign soll kommen, bleibt aber noch vage: Bestehende Instrumente sollen evaluiert sowie wettbewerbliche und technologieoffene Kapazitätsmechanismen und Flexibilitäten geprüft werden. Zudem werden finanzielle Anreize für die sektorübergreifende Nutzung von Erneuerbaren Energien, dezentrale Erzeugungsmodelle sowie die Vermeidung von Treibhausgasemissionen genannt. Erneuerbare Anlagen wegen Netzengpässen abzuregeln soll der Vergangenheit angehören.

Die Koalitionäre wollen staatlich induzierte Preisbestandteile im Energiesektor grundlegend reformieren und dabei auf systematische, konsistente, transparente und möglichst verzerrungsfreie Wettbewerbsbedingungen abzielen. Auch eine Reform der Netzengelte soll kommen und für mehr Transparenz sorgen.

Weil die CO2-Preise als Steuerungsinstrumente an Bedeutung gewinnen, wird die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis beendet. Ab 2023 werden die Vergütungen an Anlagenbetreiber aus dem Bundeshaushalt respektive aus dem Energie- und Klimafonds gezahlt.

Der im Januar eingeführte nationale CO2-Preis für Brennstoffe – Sprit, Gas und Heizöl – steigt vorerst aus sozialen Gründen nur leicht, von derzeit 25 auf 30 Euro im nächsten Jahr. Die Klimaallianz Deutschland hätte sich an dieser Stelle mehr Mut gewünscht und fordert ein Konzept für eine Klimaprämie zur sozialverträglichen Abfederung der CO2-Preise.

Alles in allem enthält der Koalitionsvertrag, dort wo er konkret wird, für den Umbau des Energiesystems bereits bekannte Vorschläge, was aber nicht per se schlecht ist. Schließlich haben sich in den vergangenen Jahren Forschungsinstitute und Think Tanks immer wieder mit konkreten und detailreichen Vorschlägen zu Wort gemeldet.  Treffend kommentiert Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft den Koalitionsvertrag: „Das Gute ist: Fast alles ist bekannt. Nun ist keine Rocket Science gefragt, sondern vieles ist ein Abarbeiten dessen, was bisher verbockt, ignoriert oder verweigert wurde.“ Petra Franke


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

solveig bechtold 16.12.2021, 09:39:44

Ich arbeite daran meinen Hof-sorgenfrei bei Nastätten energieneutral, artenschützend und tierwohlkonform zu machen.

Ich hoffe, das in Zukunft viele weitere Landwirte in die Lage versetzt werden, das auch umsetzen zu können.


Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft