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Bund-Länder-GipfelGut für die Energiewende, Defizite beim Umweltschutz

Autobahn, Windräder und Rapsfelder
Planungsbeschleunigung sowohl für klimafreundliche Windräder als auch für klimaschädliche Autobahnen (Bild: Usien, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Der beschlossene Pakt von Bund und Ländern zur Planungsbeschleunigung hilft der Energiewende, droht aber Umweltschutz zu torpedieren. Und das Deutschlandticket wird es im kommenden Jahr weiter geben, droht aber teurer zu werden.

08.11.2023 – Während die Verhandlungen zur Migration bis tief in die Nacht dauerten und ein Beschluss zum Deutschlandticket erst am späten Abend verkündet wurde, waren sich Bund und Länder bei ihrem Gipfel am Montag bezüglich eines Paktes für „Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ schnell einig. Bereits am Montagnachmittag signalisierte man in diesem Punkt eine Einigung zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsident:innen der Länder.

Beschleunigte Verfahren etwa beim Bau von Windenergieanlagen, Solar- und Geothermieprojekten, Wohnungen, Schieneninfrastruktur und Straßen soll es über ein ganzes Bündel an Maßnahmen geben. So soll es mehr Geld für Personal in den zuständigen Behörden geben. Die Rede ist von rund 500 Millionen Euro. Bevor alle Unterlagen eingegangen sind, wird ein vorzeitiger Beginn von Bauvorhaben möglich sein. Mithilfe von Datenbanken wird es kürzere Fristen geben. Zudem komme eine Stichtagsregelung, nach deren Ablauf Projekte als genehmigt gelten, so die Pläne. Insgesamt soll die Digitalisierung in den Behörden deutlich vorangetrieben werden.

Des Weiteren sollen Ersatzbauten, insbesondere bei Straßen und Windenergieanlagen, künftig genehmigungsfrei sein. Bei einer Reform des Baurechts werden dem Pakt nach vor allem Vorschriften bei Solar-Freiflächen- oder Geothermieanlagen abgebaut. Musterbauordnungen und standardisierte Typengenehmigungen sollen den Ausbau der Energiewendeprojekte beschleunigen. Zudem sollen Schwertransporte von Bauteilen für Windenergieanlagen einfacher genehmigt werden, durch eine Bündelung bisheriger Einzelgenehmigungen.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) begrüßte den Pakt. „Die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren hat in den vergangenen Jahren konstant zugenommen. Im Windbereich vergehen im Durchschnitt 24,4 Monate für die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen, im Extrem sogar 94 Monate“, so BEE-Präsidentin Simone Peter. „Der Beschleunigungspakt hat das Potenzial, hier Besserung zu bringen. Das gilt auch für die Beschlüsse zur Regelung von Transporten, die ein starker Bremsklotz für den Windenergieausbau sind.“ Auch die Privilegierung der Geothermie lobte Peter, ebenso wie angekündigte Vereinfachungen zum Anschluss Erneuerbarer Energien-Anlagen. Nun gelte es den Pakt zügig in Fachgesetze zum Ausbau der Energiewende-Projekte zu übersetzen.

Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hingegen sehen nur Ansätze für Verbesserungen und fürchten zudem Einschränkungen. „Mit dem Deutschlandpakt zur Planungsbeschleunigung wollen Bund und Länder bestehende Umweltstandards sowie Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Umweltverbänden massiv einschränken“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Die Einschränkung öffentlicher Erörterungstermine, Reduzierung des inhaltlichen Prüfprogramms und Beschränkung des Rechtsweges würden weniger Bürgerbeteiligung, Umweltschutz und Rechtsstaatlichkeit bedeuten. Wie die dringend nötige bessere Ausstattung von Behörden hinsichtlich Personal, Digitalisierung und Vereinfachung von Verfahren angegangen werden kann, sei hingegen nur in Ansätzen zu erkennen.

49-Euro Ticket in Gefahr

Kritik gibt es auch an der erzielten Einigung zur Fortführung des Deutschland-Tickets. So soll es zwar bis ins kommende Jahr hinein weiterhin 49 Euro im Monat kosten. Doch bis zum 1. Mai 2024 sollen die Verkehrsminister der Länder ein Konzept zur weiteren Finanzierung vorlegen – dann wird das Ticket ein Jahr alt und eine Erhöhung der monatlichen Kosten droht. Für 2023 war und ist vorgesehen, dass Bund und Länder Mehrkosten für das Ticket von prognostizierten 3 Milliarden Euro jeweils zur Hälfte an die Verkehrsunternehmen zahlen. Für das kommende Jahr war bislang die gleiche Summe vorgesehen. Doch die Verkehrsunternehmen befürchten weit höhere Kosten von insgesamt 4,1 Milliarden Euro

Eine nun erzielte Einigung ist, für 2024 erst einmal ungenutzte Mittel aus 2023 abzurufen. Da das Ticket erst im Mai 2023 startete betragen die Verluste der Verkehrsunternehmen in diesem Jahr voraussichtlich 2,3 Milliarden Euro. Angesichts der Prognosen bleibt aber schon für 2024 eine Finanzierungslücke von 400 Millionen Euro. Eine Erhöhung des Ticketpreises zur weiteren Finanzierung im kommenden Jahr drohe jedoch die Akzeptanz und Nutzung des Tickets deutlich abzuschwächen, warnen Umwelt-, Verkehrs- und Verbraucherschutzverbände unisono.

Ramona Pop, Vorständin der Verbraucherzentrale Bundesverband sagte: „49 Euro sind für viele Menschen bereits die Schmerzgrenze. Eine Anhebung des Preises gefährdet die Akzeptanz des Deutschlandtickets. Statt die Kosten auf die Verbraucher:innen abzuwälzen, sollten Bund und Länder ihre Mittel erhöhen und für einen besseren und bezahlbaren Nahverkehr sorgen.“ Wer den Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr will, müsse dafür sorgen, dass er bezahlbar ist. Der Leiter der Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Jens Hilgenberg sagte via X: „Es ist bezeichnend für die Verkehrspolitik dieser Bundesregierung, dass bei einem für die Mobilitätswende wirksamen Instrument mit spitzer Feder gerechnet wird, während Mittel für klimaschädliche Subventionen nicht auf den Prüfstand kommen.“

Hilgenberg und weitere prangern klimaschädliche Subventionen im Verkehr für Kerosin, den Diesel, das Dienstwagenprivileg und im Rahmen der Pendlerpauschale von insgesamt rund 25,6 Milliarden Euro an, die besser für günstige Tickets im öffentlichen Verkehr sowie dessen Ausbau als auch neue Fahrradwegen eingesetzt werden sollten. Für Sozialhilfeempfänger und weitere benachteiligte Personengruppen sollte das Deutschlandticket noch einmal günstiger sein. Der Verkehrsforscher Andreas Knie verwies im Deutschlandfunk darauf, dass bei einem deutlich niedrigeren Preis von 29 Euro für alle, deutlich mehr Menschen das Ticket nutzen würden, was insgesamt die Finanzierung erleichtere. Aktuell nutzen rund 11 Millionen Menschen in Deutschland das Ticket. mg


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