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Europas KlimazieleKlimaschutz als Randnotiz? Dem EU-Haushalt fehlt die Klimawirkung

KLimaaktivistin Greta Thunberg zu Besuch im EU-Parlament
Wie viele Bürger setzte Klimaaktivistin Greta Thunberg - hier 2019 zu Besuch im EU-Parlament – große Hoffnungen in die europäische Klimapolitik. Doch der neue EU-Haushaltsplan hat dem Klimaschutz mal wieder eine Abfuhr erteilt. ( European Parliament / Flickr / CC BY 2.0)

Agora Energiewende kritisiert die aktuelle Finanzplanung der EU – denn Klimaschutz wird darin sträflich vernachlässigt. Zum einen sollte das Budget massiv angehoben werden – genauso wichtig ist die nachhaltige Lenkung der Klimaschutz-Maßnahmen.

16.07.2020 – „Va Angela Merkel sauver l’Europe?“ – „Wird die deutsche Bundeskanzlerin Europa retten?“, wurde zum Start der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im französischen Fernsehen diskutiert. Dabei ging es vor allem um die wirtschaftliche Zukunft der EU und das Wiederaufbauprogramm nach der Corona-Krise. Viele Bürger und auch einige EU-Politiker stellen hohe Anforderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, vor allem in der Klimapolitik – und hoffen, dass Deutschland das Klimagesetz, welches das Ziel zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 verbindlich festschreibt, durch den Rat bekommt. Klimaschutz könnte Merkels Vermächtnis sein, sagt der Vorsitzende des Umweltausschusses des Europaparlaments, Pascal Canfin, im Interview im Handelsblatt. Auch in Corona-Zeiten müsse Klimaschutz vorrangiges Thema bleiben. Deutschland trage eine besondere Verantwortung.

Klimaschutz in neuen EU-Haushalt komplett unterfinanziert

Nach Meinung vieler Experten müssen Wiederaufbau der Wirtschaft und Klimaschutz gemeinsam gedacht werden. Doch laut einer aktuellen Analyse im Auftrag der Denkfabrik Agora Energiewende liegen kurz vor der morgigen Sondertagung des Europäischen Rates zum EU-Haushalt die Klimaschutzversprechungen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Vorschläge der Kommission zum EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre schon weit auseinander. Denn nur 80 Milliarden Euro des 1,85-Billionen-Euro-Pakets, das beim bevorstehenden Sondergipfel des Europäischen Rates auf der Tagesordnung steht, seien laut Vorschlag der Europäischen Kommission im kommenden EU-Haushalt fest für Klimaschutzausgaben vorgesehen.

„Der Wiederaufbau der Wirtschaft und der Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen, um die geplante Erhöhung der europäischen Klimaziele bis 2030 zu ermöglichen“, warnt deshalb Matthias Buck, Leiter Europäische Energiepolitik bei Agora Energiewende. Die 80 Milliarden Euro, die im Vorschlag der EU-Kommission für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen sind, hält Agora für nicht ausreichend. Das entspreche lediglich drei Prozent des Investitionsbedarfs von insgesamt 2,4 Billionen Euro – der Wert, den die Analysten zum Erreichen der derzeitigen europäischen Klimaziele ermittelt hatten. Darin enthalten wären Klimaschutzausgaben, die bis 2027 beispielsweise für den Ausbau des europäischen Bahnstreckennetzes, die energetische Gebäudesanierung, den europaweiten Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos und die Umstellung europäischer Unternehmen zur Klimaneutralität notwendig wären.

Faire Finanzierung ist wichtig, nachhaltige Lenkung entscheidend

Investitionen in klimafreundliche Technologien bräuchten politische Unterstützung, um sich EU-weit etablieren zu können. Im Vorschlag der EU-Kommission sei es jedoch den Mitgliedstaaten weitestgehend selbst überlassen, ob sie EU-Gelder in den kommenden Jahren für Klimaschutzmaßnahmen verwenden. Damit riskiere die EU Fehlinvestitionen und verpasse die wichtige Weichenstellung in Richtung Klimaneutralität.

Droht Europa eine Klimaschutzlücke?

„Ohne Nachbesserungen droht die falsche Weichenstellung und eine Klimaschutzlücke“, warnt Agora. Agora hatte einen Vorschlag zu einem klimagerechten Konjunkturpaket vorgelegt.  Selbst wenn weitere 595 Milliarden Euro aus anderen EU-Töpfen von den Mitgliedsstaaten für Klimaschutzmaßnahmen abgerufen werden, wären immer noch weniger als ein Drittel des gesamten Investitionsbedarfs gedeckt, so Agora. Die Investitionslücke falle zudem auch noch entsprechend höher aus, wenn die EU ihr CO2-Minderungsziel auf 55 Prozent statt der bislang geplanten rund 44 Prozent gegenüber 1990 anheben würde.

Budget reicht aus, aber die Verteilung ist falsch

„Wir brauchen kein höheres EU-Budget, aber der Anteil, der daraus in den Klimaschutz fließt, muss wachsen“, so Buck. Agora schlägt daher die Erhöhung des Klimaanteils von bisher von der Kommission geplanten 25 auf 40 Prozent vor. „Schließlich muss der Investitionsbedarf, der nicht durch EU-Gelder gedeckt wird, entweder durch nationale Mittel oder durch eine Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen ausgeglichen werden“, sagt Buck. Werde der EU-Haushalt wie von der Kommission vorgeschlagen beschlossen, könnte das den Erfolg des europäischen Green Deal massiv gefährden.

Klimaschädliche Projekte benennen und beenden

Vorhaben, die den Klimaschutz torpedieren, dürfen nicht weiter unterstützt werden. Mit der Einführung einer Negativliste könnte sichergestellt werden, so ein Vorschlag von Agora, dass mit EU-Geldern keine klimaschädlichen Projekte mehr gefördert werden. „Das Geld, das wir heute in die Wirtschaft stecken, prägt den Klimaschutz von morgen“, mahnt Buck. „Wir haben weder die Zeit noch die finanziellen Mittel, um den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft und die Klimakrise nacheinander zu lösen.“ na


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