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AutogipfelMehr Autos statt echter Verkehrswende

Bild eines Staus auf einer Autobahn, aufgenommen zwischen den Autos.
Der 1:1 Umstieg vom Verbrenner auf Autos mit E-Antrieb wird das Stauproblem auf vielen Straßen nicht lösen. (Foto: pxhere, CC0 Öffentliche Domäne)

Für Klimaschutz und Wohlstand verständigen sich Politik und Industrie darauf die E-Mobilität massiv auszubauen. Doch während Automobilkonzerne eine rosige Zukunft erwarten, leiden die Menschen weiter unter verstopften Straßen.

26.06.2019 – Um den Wohlstand zu erhalten und die Klimaziele zu erfüllen, müsse Deutschland in mehreren Mobilitätsdisziplinen Weltmeister werden, erklärte Verkehrsminister Andreas Scheuer im Vorfeld eines Treffens von Automobilindustrie und Politik im Kanzleramt am späten Montagabend. Und diese seien „Elektromobilität und Wasserstofftechnologie und alternative Kraftstoffe“, so Scheuer auf Twitter.

Kein Wort hingegen zu einer Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs auf deutschen Straßen. Damit machte Scheuer es den Automobilbossen bereits vor dem Treffen im Kanzleramt leicht, Forderungen nach einem weiteren Wachstum der Autobranche durchzusetzen. Und tatsächlich, nach stundenlangen nicht öffentlichen Verhandlungen, gab es nur eine nennenswerte Einigung zu verkünden: Es solle ein Masterplan für die bundesweite Ladeinfrastruktur für E-Autos erarbeitet werden. Dies sei einer der wesentlichen Punkte für die Kundenakzeptanz, so Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, der als einziger aus der Runde vor die Presse trat.

Schaffen 10 ½ Millionen E-Autos Deutschlands Klimaziele zu erfüllen?

Das Ziel sei es, bis 2030 an die zehneinhalb Millionen E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. So viele bräuchte es, um Deutschlands Klimaziele zu erfüllen, meint Mattes. Ein ambitionierter Plan, denn bislang sind gerade einmal 83.000 E-Autos in Deutschland zugelassen. Dazu kommen noch 341.000 Hybrid-Pkws. Bei insgesamt 47,1 Millionen Pkws in Deutschland eine verschwindend geringe Anzahl. Um dies zu ändern, sollen die öffentlichen Ladestellen von aktuell 17.400 auf über 70.000 ausgebaut werden.

Doch ohne eine forcierte Energiewende im Stromsektor wird der Umstieg auf die E-Mobilität wenig für den Klimaschutz erreichen, warnen Experten. Denn auch Kohlestrom für E-Autos hat massive CO2-Belastungen zur Folge. Erst wenn Betrieb und Herstellung massenweise mit Ökostrom laufen, könnten Elektroautos die Klimabilanz im Verkehr deutlich verbessern. Und das ist womöglich erst in 20 Jahren der Fall.  

Eine „echte“ Verkehrswende ist nötig!

Darüber hinaus lösen mehr E-Autos nicht das Problem verstopfter Straßen in Städten und auf Autobahnen. Viele Stimmen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft fordern daher eine echte Verkehrswende und Mobilitätswandel. Bei einem Fahrradprotest vor dem Kanzleramt während des Autogipfels forderten die Teilnehmer etwa eine Abkehr der autofixierten Verkehrspolitik von der Großen Koalition. Stattdessen müssten im urbanen Raum und für kürzere Strecken öffentlicher Nahverkehr und Radwege massiv ausgebaut werden. Im Fernverkehr geht es derweil vor allem um eine stärkere Förderung des Schienenverkehrs.

Doch beim Autogipfel hatten zivilgesellschaftliche Organisationen wie BUND, Greenpeace, Campact, NABU und die Deutsche Umwelthilfe mal wieder keinen Zutritt, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen. Das Verkehrsministerium versucht derweil öffentlichkeitswirksam fahrradfreundliche Maßnahmen für eine Vision Zero – also keine Verkehrstote – zu verbreiten. Doch dabei geht es vor allem um die Förderung freiwilliger Maßnahmen, wie einen Abbiegeassistenten für Lkws. Geht es hingegen um die großen Masterpläne, werden die hinter verschlossenen Türen gemeinsam mit der Automobilindustrie entwickelt. mf  


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