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NiederlandeShell für Missachtung der Menschenrechte angeklagt

Die Gas-Plattform Tyra East im Meer
Noch ist kein Ende der Öl- und Gas-Gewinnung für Shell in Sicht. (Foto: tom jervis / flickr, CC BY 2.0)    

Seit gestern steht Shell in den Niederlanden vor Gericht. Dem Ölkonzern wird Missachtung des europäischen Rechts auf Leben vorgeworfen. Obwohl Shell früh über den Klimawandel Bescheid wusste, befeuert der Konzern seit Jahrzehnten die Klimakrise.

02.12.2020 – Über 17.000 niederländische Bürger und mehrere Umweltschutzorganisationen klagen den Ölkonzern Shell an. In der Stadt the Hague, dem Hauptverwaltungssitzes des weltweit größten Mineralöl- und Erdgas-Unternehmens muss sich dieser seit gestern vor Gericht verantworten. Als „the people versus Shell“ bezeichnet der Direktor der Umweltschutzorganisation Milieudefensie Donald Pols den Fall. Milieudefensie ist Teil der Klägerschaft und der niederländische Ableger von Friends of the Earth, der in Deutschland als Bund für Umwelt- Und Naturschutz (BUND) agiert.

Angeklagt ist Shell Artikel zwei und acht der Europäischen Konvention für Menschenrechte zu verletzten: das Recht auf Leben und den Respekt vor dem privaten und familiären Leben. Die Kläger argumentieren, dass Shell wissentlich die Bestrebungen nach einer Begrenzung der Globalen Erwärmung verhindert – und das seit vielen Jahrzehnten.

Shell wusste schon früh Bescheid

Noch bevor der Weltklimarat IPCC ins Leben gerufen und die Öffentlichkeit über den menschengemachten Klimawandel aufgeklärt wurde, wusste Shell längst Bescheid. 2018 legten geleakte Dokumente offen, dass eine interne Studie von Shell bereits Mitte der 1980er zu dem Ergebnis kam, dass der massive Ausstoß von Treibhausgasen unumkehrbare Auswirkungen auf Natur und Menschen haben wird. Steigende Meeresspiegel, Ozeanversauerung, veränderte Meeresströmungen, Wetterextreme und Klimaflüchtlinge – all dies sagten die von Shell engagierten Wissenschaftler voraus und rieten damals möglichst schnell politische Maßnahmen zu ergreifen, um die negativen Folgen abzuwenden.

Auch der Einfluss von Shell wurde in dieser Analyse sehr genau beschrieben. Ihre fossilen Produkte Öl, Gas und Kohle, seien damals alleine für 4 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich gewesen. Doch anstatt mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen und das eigene Handeln zu überdenken, wurden die Ergebnisse unter Verschluss gehalten. Schlimmer noch: Zweifel am menschengemachten Klimawandel zu sähen, wurde aktiv befördert.

Dabei sahen weitere interne Analysen auch den wachsenden Einsatz für Klimaschutz voraus. Ein 1998 intern angefertigtes Szenario beschreibt, wie ab 2010 Extremwetterereignisse mit katastrophalen Folgen und eine wachsende Besorgnis der Öffentlichkeit zu Gerichtsprozessen gegen Regierung und Mineralölkonzernen führen werden. Vor allem Umweltorganisationen würden mehr Gehör in der Öffentlichkeit bekommen und gegen die Ölkonzerne klagen. 

Die Klagewelle rollt

Anfang 2018 verklagte die Stadt New York als erstes Shell und weitere Ölkonzerne für ihre klimafeindliche Wirtschaftsweise. New York verlangt in diesem Zuge Schadensersatz für die aufgewendeten Mittel, die die Stadt investieren muss, um sich vor den Folgen der Klimakrise zu schützen. In den Niederlanden sind es nun erstmals Bürger gemeinsam mit Umweltschutzorganisationen, die Shell verklagen.

Dabei werden die Kläger auch konkret hinsichtlich künftiger Klimaschutzverpflichtungen des Ölkonzerns. Sollte Shell verurteilt werden, ist der Ölkonzern verpflichtet seine CO2-Emssionen bis 2030 um 45 Prozent zu senken, im Vergleich zu 2019. In einem ähnlichen Fall hatten Umweltschutzorganisationen bereits Erfolg. 2018 verklagten diese den niederländischen Staat auf Einhaltung strengerer Klimaschutzziele. Laut Gerichtsbeschluss muss die Regierung die CO2-Emissionen bis 2020 um 25 Prozent senken im Vergleich zu 1990.

Shell betreibe schon zu lange „Greenwashing“ sagt Milieudefensie-Direktor Pols. „Dieser Prozess wird jedem deutlich machen, dass über 95 Prozent dessen was Shell macht gefährlich für den Klimawandel ist“, so Pols weiter. Aktuell fährt Shell wieder eine solche „Greenwashing“-Kamapagne.

So können Autofahrer an Shell-Tankstellen einen CO2-Ausgleich für ihren Sprit fordern. Das Geld soll in lokale Klimaschutzprojekte wie dem Pflanzen von Bäumen fließen. Benjamin Stephan, Verkehrsexperte von Greenpeace, erklärte bereits bei der Vorstellung der Kampagne im Februar gegenüber dem Spiegel: "Dringender als solch armselige und durchschaubare Scheinlösungen braucht Shell eine Idee, wie der Konzern nicht länger Geld mit der Zerstörung unserer Zukunft verdient".

Doch ganz im Gegenteil, laut Recherchen von Milieudefensie will Shell bis 2030 seine Öl- und Gasproduktion um 38 Prozent erweitern. Und von den Investitionen von 35 Milliarden US-Dollar pro Jahr sollen nur etwa zwei bis drei Milliarden in Erneuerbare Energien fließen. Dabei ist das langfristige Ziel von Shell bis 2050 klimaneutral zu werden. So klappt das nicht. Ein erfolgreicher Gerichtsprozess der niederländischen Zivilgesellschaft dagegen könnte den Ölkonzern zu mehr Klimaschutz verpflichten. mf


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