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Ukraine-KriegAgrokraftstoffe angesichts einer wachsenden Hungerkrise

Blühende Felder mit gelben Raps und dazwischen ein Weg aus schwarzer Erde.
Die Schwarzerde-Böden in der Ukraine sind besonders ertragreich. Der Krieg schadet der dortigen Agrarwirtschaft extrem. (Bild: Rosa Luxemburg-Stiftung, flickr, CC BY 2.0)

Wegen des Krieges sind Getreideexporte aus der Ukraine und Russland fast gänzlich zusammengebrochen. In einkommensschwachen Ländern drohen Hungerkrisen. In Deutschland landet derweil weiter Getreide als Agrokraftstoff in Autotanks.

18.03.2022 – Als Kornkammern Europas galten die Ukraine und Teile Russlands bislang. Die dortigen Schwarzerde-Böden sind eine der besten Ackerböden weltweit. In der überwiegend flachen und steppenartigen Landschaft fällt wenig Regen und die Winter sind kalt. Aus der letzten Eiszeit hat sich dort viel Löss abgelagert, ein kalkhaltiges und lockeres Sediment. Dieses ist zusätzlich humusreich und sehr tiefgründig – ein perfekter Nährboden für verschiedenste Getreidesorten. Bislang waren die Ukraine und Russland führende Getreideexporteure weltweit, neben der Europäischen Union, USA und Australien. Über das Schwarze Meer wurde vor allem der Nahe Osten und Afrika beliefert.

Bislang, denn durch die Invasion Russlands, leidet die ukrainische Agrarwirtschaft. Es wird ein Rückgang an Erträgen um etwa 40 Prozent erwartet. Und auch Russland selbst hatte angekündigt, die Getreideausfuhr stark einzuschränken. Man wolle den Bedarf im Land sichern und Preisauftriebe für Verarbeiter und Verbraucher verhindern, zitiert der Spiegel die russischen Behörden. Vor allem der verringerte Export an Weizen bedroht den Lebensmittelmarkt im Nahen Osten und Afrika.

Russland und die Ukraine stellen zusammen fast 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte. Mit 70 Prozent des importieren Weizens aus den beiden Ländern ist etwa Ägypten stark abhängig. Auch weitere afrikanische Länder, wie Tunesien, Algerien, Libyen, der Sudan, Kenia, Kamerun, Uganda und Äthiopien werden zunehmend unter den verringerten Exporten an Weizen und anderen Getreidesorten leiden. Dabei wird den Ländern nicht nur weniger Getreide zur Verfügung stehen, auch das vorhandene Getreide wird durch das knappere Angebot weltweit teurer und damit für Teile der Bevölkerung unbezahlbar.

Getreide in Autotanks verfeuert

Während sich in den afrikanischen Ländern eine Hungerkrise anbahnt, wird in Deutschland weiterhin Getreide in Autotanks verfeuert. Etwa 12 Prozent des in Deutschland verwendeten Getreides landen als Agrokraftstoff in Autotanks, wie die Deutsche Umwelthilfe auf Grundlage einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie des ifeu-Instituts erklärt. Aus der Ukraine stammte bislang fast 40 Prozent des Getreides, der in Deutschland für Agroethanol eingesetzt wird. Insgesamt 3,4 Millionen Tonnen Getreide und Ölpflanzen werden in Deutschland jährlich zu Agrokraftstoff verarbeitet und Benzin und Diesel beigemischt.

Die Beimischung erfolgt auf Grundlage eines Beschlusses der Europäischen Union von 2010, nach der zehn Prozent der verwendeten Kraftstoffe in der EU aus Erneuerbaren Energien bestehen müssen. Seitdem werden Benzin und Diesel pflanzenbasierte Kraftstoffe aus Raps, Getreide und Palmöl beigemischt. Laut einer Studie der europäischen Umweltschutzorganisation Transport and Environment (T&E) wurded durch die Verwendung von Biodiesel in der EU über die gesamte Lieferkette hinweg dreimal mehr CO2-Ausstoß verursacht als bei rein fossilem Diesel. Zu diesem Ergebnis kommt Transport and Environment, indem sie die Rodung der Waldflächen, sowie Raffinerieprozesse und den Transportweg mit einpreiste.

In keiner Weise vertretbar

Allein für den deutschen Agrokraftstoffkonsum werden weltweit auf über 1,2 Millionen Hektar Pflanzen angebaut, wie aus der Studie des ifeu-Institut hervorgeht. Millionen Hektar, die der Nahrungsmittelindustrie fehlen und die für den Klimaschutz mehr Schaden als Nutzen bringen. „Der Krieg in der Ukraine ist eine massive Bedrohung für die globale Ernährungssicherheit“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. In der aktuellen Situation weiter Getreide und andere Lebensmittel in Autotanks zu füllen, sei in keiner Weise vertretbar, so Müller-Kraenner.

Die DUH verweist darauf, dass auch in Deutschland Mehl und Speiseöle in manchen Supermärkten bereits rationiert werde. „Vor dem Hintergrund der steigenden Nahrungsmittelunsicherheit kann und muss die Bundesregierung jetzt durch ein sofortiges Aussetzen der Subventionen für Agrosprit die Nachfrage nach Getreide und Ölpflanzen reduzieren und die globale Preisspirale entschärfen“, sagt Müller-Kraenner. Und Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer, ergänzt: „Für mehr Unabhängigkeit von fossilem Öl taugen die geringen Beimischungen von Agrosprit ohnehin nicht.“ Eine sofort wirksame Maßnahme hingegen sei ein Tempolimit von 100 für Autobahnen und 80 auf Außerortsstraßen. Mit dieser Sofortmaßnahme ließen sich bis zu 3,7 Milliarden Liter Benzin und Dieselkraftstoffe einsparen. mf


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