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Klimaklage





KlimakriseAllianz will Kohlewirtschaft nicht mehr versichern, bleibt aber fossil

Graffiti auf Betonsäule: Kohle ist kein Grund zum Anbaggern
Während immer mehr Lander aus der Kohle aussteigen, wird vor allem im Osten Europas aber auch in Deutschland noch weiter gebaggert. (Foto: Metrophil44 / Wikimedia Commons / CC BY-SA)

Einer der weltgrößten Versicherungskonzerne hat angekündigt, ab 2023 keine Kohlefirmen mehr versichern zu wollen. Doch von einem echten Wandel hin zu mehr Klimaschutz kann nicht die Rede sein. Denn Allianz unterstützt weiterhin fossile Geschäfte.

07.05.2020 – Der Versicherer Allianz hat eine aktualisierte Richtlinie zu seinen Kohleeinschränkungen im Versicherungsgeschäft veröffentlicht, berichtet die Menschenrechts- und Umweltorganisation urgewald. Neben dem bisherigen Ausschluss von Versicherungen für Kohleprojekte, konkret neue Kohlekraftwerke und -minen, will Allianz ab dem Jahr 2023 keine Sach- und Unfallversicherung mehr für Unternehmen anbieten, deren Geschäftsmodell zu einem Großteil auf Kohle basiert und die keinen klaren Kohleausstiegspfad verfolgen.

Betroffen sind laut einem  Hintergrundpapier der Allianz  Energieversorger, die 25 Prozent oder mehr ihres Stroms mit Kohle erzeugen und eine Kohle-Stromerzeugungskapazität von mindestens 5 Gigawatt betreiben. Im Bergbaubereich sind Firmen betroffen, die mindestens 25 Prozent ihres Umsatzes mit energetischer Kohle machen und jährlich mindestens 50 Millionen Tonnen Kohle erzeugen. Eine urgewald-Analyse zeigt, dass somit die Energiekonzerne RWE und Glencore zum jetzigen Stand dann nicht mehr versichert werden könnten.

Kohle hat keine Zukunft

„Der Schritt der Allianz belegt abermals, dass Kohle als Geschäftsmodell keine Zukunft hat“, kommentiert Regine Richter, Energie-Campaignerin bei urgewald, die Entscheidung des Konzerns. „Vor knapp zwei Jahren schloss die Allianz erstmals die Projektversicherung für Kohle aus. Unternehmen mit einem massiven Kohleanteil konnten jedoch weiter Versicherungen von der Allianz erhalten.“ Nun schließe die Allianz diese große Lücke und zeige damit, dass der Konzern beim Thema Kohle vorbildlich handeln wolle.Doch gleichzeitig kritisiert urgewald die fossilen Investitionen, die die Klimabilanz des Versicherungskonzerns nach wie vor belasten.

Versicherer müssen ihre Gestaltungsmacht zugunsten des Klimaschutzes nutzen

Indes warnen der Allianz-Vorstandsvorsitzende Oliver Bäte und Allianz-Investment-Vorstand Günther Thallinger, dass Konjunkturprogramme zur Überwindung der Corona-Krise im Sinne des Klimaschutzes eingesetzt werden sollten. Dies forderte jüngst auch das NGO-Netzwerk Unfriend Coal, dessen deutsches Mitglied urgewald ist, in einem Brief an die großen internationalen Versicherungsverbände. „Die Versicherer haben enorme Gestaltungsmacht“, sagt Regine Richter. „Wenn sie ihre Dienstleistungen an den Klimaschutzzielen ausrichten, verlieren Kohle-, Öl- und Gasprojekte ihre Perspektive.“

Doch genau hier zeigten sich die Schwächen der Allianz-Richtlinie, so urgewald. Während sie scharfe Einschränkungen für Kohle-Investitionen bei ihren Eigenanlagen eingeführt hat und diese ebenfalls ab 2023 verschärfen will, gilt dies nicht für den sehr viel größeren Teil ihrer Vermögensanlagen im Auftrag von Kunden. Eine Finanzrecherche in Auftrag von urgewald belegt, dass die Allianz den Ölkonzern Exxon Mobil zuletzt mit Investitionen in Höhe von 240Millionen US-Dollar in Aktien und Anleihen unterstützte. urgewald hatte untersuchen lassen, welche Investoren Exxon unterstützen, weil der Ölmulti vor der Küste Guyanas in Südamerika ein gewaltiges neues Öl- und Gasfeld erschließen will, das die Zukunft Guyanas und des Weltklimas gleichermaßen bedroht.

Immer mehr Kohleaussteiger

Die Zahl der Versicherer, die eine Deckung für Kohlegeschäfte kündigten, hatte sich im Jahr 2019 verdoppelt. Der Rückzug der Branche aus dem klimaschädlichen Sektor beschleunigt sich auch über Europa hinaus.

Mit seinem Kohleausstiegsdatum im Jahr 2038 gehört Deutschland jedoch mit zu den europäischen Schlusslichtern. Die großen Energiekonzerne in Österreich und Schweden haben jüngst angekündigt, die letzten laufenden Kohlekraftwerke abzuschalten. Weitere Länder Europas haben frühere Ausstiegsdaten als Deutschland. Belgien hatte bereits 2016 den Ausstieg aus der Kohleverstromung geschafft. Frankreich will 2022 seine letzten Kohlekraftwerke abschalten, setzt allerdings weiter auf Atomenergie. Ein Kohleausstieg dürfe auch nicht zum Ausbau der Erdgasversorgung als weiterem fossilen Energieträger führen, warnen Experten.

Talanx bleibt Klima-Schlusslicht unter den großen deutschen Versicherern

Im Osten Europas ist ein Abrücken von der Kohleverstromung derweil nicht in Sicht. So hatten die großen Konzerne Talanx und Hannover Re vor einem Jahr zwar erstmals Einschränkungen ihrer Kohle-Geschäfte angekündigt, berichtet urgewald anlässlich der Hauptversammlungen der Konzerne in dieser Woche. Doch die neuen Richtlinien enthielten bis heute wesentliche Lücken. Der Konzern Talanx kündigte an, er werde „ab sofort grundsätzlich keine Risiken bei neu geplanten Kohlekraftwerken und -minen zeichnen“, ließ aber Ausnahmen zu für „Staaten, in denen der Anteil von Kohle im Energiemix besonders hoch ist und in denen kein ausreichender Zugang zu alternativen Energien besteht.“ Da bleibt viel Spielraum, zumal der Ausbau Erneuerbarer Energien als Alternative im Osten Europas kaum vorankommt.

In Polen und Tschechien kein Ende der Kohle in Sicht

Auf der Hauptversammlung 2019 stellte Talanx denn auch fest, dass diese Ausnahmen auch für das EU-Land Polen gelten, wo der Versicherungskonzern mit seiner Tochtergesellschaft Warta Geschäfte mit der expandierenden Kohleindustrie betreibt. Zusammen mit dem polnischen Unternehmen PZU sei Warta sogar der einzige Versicherer in Polen, der neue Kohleprojekte nicht von Versicherungen ausschließt, berichtet urgewald.

Polen und Tschechien setzen weiterhin auf Kohle. So soll der Tagebau Turow im deutsch-tschechisch-polnischen Grenzgebiet erweitert werden. Lokale Gemeinden protestieren gegen die Minen-Erweiterung mit all ihren bekannten Folgen – Enteignungen, Umwelt- und Gesundheitsschäden. Die Absicherung von Warta für Turow lief Ende 2019 aus, die neue Talanx-Kohlerichtlinie schränkt solche Geschäfte in Zukunft jedoch nicht ein.

Neue Kohleprojekte sind schlicht Geldverschwendung

Das verursacht nicht nur Klima- und Umweltschäden, sondern ist auch wirtschaftlicher Unsinn. „Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Depression und des Einbruchs der Stromnachfrage sind neue Kohleprojekte schlicht Geldverschwendung“, sagt Kuba Gogolewski, leitender Finanz-Campaigner bei Development Yes – Open-Pit Mines No, „Talanx hat sich eine große Hintertür in seine Richtlinie eingebaut, damit seine Geschäfte in Polen weiterlaufen können. Geschäft geht vor Klima- und Gesundheitsschutz“, kommentiert Richter. „Der Konzern sollte seine Richtlinie schärfen und keinerlei Ausnahmen zulassen.“ Das müsse auch für seine Konzerntochter Hannover Re, einer der größten Rückversicherer der Welt, gelten. na