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Neue EU-GrenzwerteDas vernachlässigte Stickoxid-Problem deutscher Kohlekraftwerke

Braunkohlekraftwerk Neurath in Grevenbroich
Auch in den sieben Blöcken des größten deutschen Braunkohlekraftwerks Neurath in Grevenbroich sind keine Katalysatoren verbaut. (Foto: pixabay, CC0 1.0)

Deutsche Kohlekraftwerke sind nicht nur Klimakiller, sie sind wahre Stickoxid-Fabriken. Die Politik ignoriert das Problem, dabei ließe sich mit einfachen Katalysatoren der Ausstoß um die Hälfte senken. Auch die neuen EU-Grenzwerte sind zu schwach.

23.10.2018 – Zwei verlorene Jahrzehnte im Kampf gegen gesundheitsschädliche Schadstoffemissionen, das lässt sich zumindest in Bezug auf den Stickoxid-Ausstoß deutscher Kohlekraftwerken sagen. Dieser liegt noch immer bei konstant hohen 300.000 Tonnen jährlich. Längst sind Technologien dagegen entwickelt worden, eingebaut aber nur selten. Die Energiewirtschaft ist gesetzlich nicht dazu verpflichtet, gesellschaftliche Gesundheitskosten nach dem Verursacherprinzip gelten für sie nicht.

Und das obwohl die schädliche Auswirkungen von NOx auf Menschen, Tiere und Pflanzen bewiesen sind:

  • Sie bewirken eine Versauerung und Überdüngung von Ökosystemen,
     
  • bilden mit flüchtigen organischen Verbindungen bodennahes Ozon, sogenannten Sommersmog, das Lebewesen und Pflanzen schädigt,
     
  • und werden in der Atmosphäre in gesundheitsschädlichen Feinstaub umgewandelt.
     
  • Jedes Jahr sterben laut Umweltbundesamt 6.000 Menschen in Deutschland vorzeitig durch mit Stickoxiden belastete Luft.

Ein Viertel der deutschen Emissionen aus der Energiewirtschaft

Nicht nur im Verkehrssektor bekommt Deutschland sein Stickoxid-Problem nicht in den Griff. Dort entstehen 40 Prozent der Emissionen, in der Energiewirtschaft 25 Prozent. Knapp 160.000 Tonnen NOx pro Jahr stammen aus den großen Kohlekraftwerken, Schlusslicht in diesem Ranking ist, wie bei den Treibhaushasen, die heimische Braunkohle.

Spätestens im August 2021 müssen alle Anlagen neue europaweite Grenzwerte einhalten, sofern diese in nationales Recht umgesetzt werden. Obwohl auch diese nicht besonders streng sind, zögert die Bundesregierung die Vorgaben ganz im Sinne der Kohlewirtschaft hinaus. Eigentlich verlangt das Bundesimmissionsschutzrecht eine Umsetzung bis zum Ende des Jahres. Passiert ist bislang nichts.

Aktuell schaffen die meisten Kraftwerke die Mindeststandards nicht

Eine neue Studie des Beratungsinstituts Ökopol im Auftrag der Klima-Allianz und der Umweltorganisation BUND zeigt indes, warum Bundesregierung und Kohleindustrie die neuen Vorgaben aus Brüssel aufs Schärfste bekämpft hatten:

  • 73 Prozent der Braunkohlekraftwerke erreicht nicht den geforderten Grenzwert von 175 Milligramm Stickoxide je Kubikmeter Luft (mg/Nm³), obwohl dieser von der EU nur als Mindestanforderung gilt.
     
  • Bei Steinkohlekraftwerken sieht es kaum besser aus, trotz KatalysatorPflicht: 65 Prozent der untersuchten Anlagen überschreiten die künftigen EU-Mindestanforderungen von 150 mg/Nm³.

Emissions-Halbierung machbar

Und was wäre technisch möglich? Laut Studie ziemlich viel. Steinkohlemeiler könnten bei voller Ausnutzung der installierten Katalysator-Technik eine Minderung der Stickoxid-Emissionen um 47 Prozent erreichen. Wenn in allen Braunkohleblöcken ein Katalysator – die beste verfügbare Technik zur Senkung von NOx-Emissionen – installiert würde, ließe sich deren Ausstoß sogar um 55 Prozent mindern.

Den technisch möglichen Grenzwert beziffert die Studie auf 85 mg/Nm³, keines der untersuchten Kraftwerke erreicht diesen bislang. Für Braunkohlekraftwerke sind Katalysatoren noch nicht einmal vorgeschrieben – fast 30 Jahre nach der Einführung der Katalysator-Pflicht für neue Pkw.

Was würde die Umrüstung kosten?

Für Braunkohlekraftwerke würde eine Umrüstung ca. 0,074 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Strom kosten, für Steinkohlekraftwerke etwa 0,036 Cent.

Die Umsetzung würde die Energiewirtschaft also nicht in den Ruin treiben, wäre für den Umweltschutz aber ein großer Schritt. Andere Länder, die nicht im Verdacht stehen Öko-Diktaturen zu sein, sind längst weiter: In den USA gilt ein Grenzwert von 117 Milligramm, in China von 100 Milligramm. Nur Deutschland hinkt mal wieder hinterher – zum Leidwesen von Mensch und Umwelt. cw


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Kommentare

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ulrics 18.12.2018, 15:40:17

+108 Gut Antworten

Deshalb gibt es ja auch einen Zusammenhang zwischen Kohlekraftwerken und Fahrverboten.


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