Bundesregierung: Mangelhafter Plan zur Finanzierung der Klimaziele
Für die Dekarbonisierung Deutschlands braucht es viel Geld. Doch während die Bundesregierung im Gebäude- und Industriesektor genug zur Verfügung stellt, fehlt es in anderen Bereichen. Dabei wäre Geld aus der fossilen Wirtschaft da.
01.11.2023 – Das Ziel einer 65-prozentigen Treibhausgasreduktion bis 2030 gegenüber dem Referenzjahr 1990 ist nur mit erheblichen öffentlichen wie privaten Investitionen möglich – und das in allen Bereichen, vom Gebäudesektor bis zum Verkehr, vom Ausbau Erneuerbarer Energien bis zur Dekarbonisierung der Industrie. Auch wenn der Großteil der benötigten Klimaschutzinvestitionen privat sein werde, sei die Rolle der öffentlichen Finanzen zentral, so das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) in einem Report im Auftrag des WWF Deutschland. So seien Infrastrukturen in vielen Bereichen eine Grundvoraussetzung für private Investitionen, wie ein funktionierendes Schienen- oder ein neues Wasserstoff-Fernleitungsnetz und ein leistungsfähiges und smartes Stromnetz.
In dem Report geht der FÖS den klimarelevanten öffentlichen Finanzflüssen nach und analysiert, in wie weit diese zur Erreichung der Klimaziele Deutschlands beitragen. Als relevante Finanzflüsse werden klimapositive- wie klimaschädliche Ausgaben definiert, als auch klimapositive Steuervorteile und klimaschädliche Steuervergünstigungen. Grundlage der Analyse sind drei Studien von 2021, aus denen hervorgehend der FÖS eigene Berechnungen angestellt hat und auf einen jährlichen öffentlichen Finanzbedarf für den Klimaschutz von 51 Milliarden Euro zwischen 2021 und 2030 kommt.
Immerhin, die Finanzierung steigt bislang, so das Ergebnis der Analyse. Lagen die öffentlichen Ausgaben 2020 noch bei 6,7 Milliarden Euro und 2022 bei 15,7 Milliarden, so werden die Ausgaben in diesem Jahr voraussichtlich auf 40,1 Milliarden Euro ansteigen. Ausgaben, die vor allem aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) des Bundes kommen. Dazu gibt es seit 2020 jährliche klimapositive Steuervergünstigungen von 2,6 Milliarden Euro.
Doch die Ausgaben sind innerhalb und über die verschiedenen Sektoren hinweg sehr ungleich verteilt. Im Gebäudesektor etwa wird der Bedarf in diesem Jahr übererfüllt. Auf einem Finanzbedarf von 12,4 Milliarden Euro, kamen in diesem Jahr inklusive Steuervergünstigungen 18,5 Milliarden Euro. Es geht unter anderem um Maßnahmen zur Förderung der kommunalen Wärmeplanung, dem Wärmepumpenhochlauf und Sanierungen. Der WWF kritisiert, dass dabei aber auch Holzheizungen gefördert werden, die Klimaschutz und Biodiversität konterkarieren.
Auch im Industriesektor werden die Finanzbedarfe in diesem Jahr übererfüllt, vor allem bei Ausgleichsmaßnahmen, aber auch der Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz. Doch hinsichtlich der Ausgleichsmaßnahmen – dem sogenannten Industriestrompreis – könnten hier Gelder ohne direkte Klimaschutzwirkung aus dem Klimaschutz- und Transformationsfonds bereitgestellt werden, kritisiert Holger Bär vom FÖS und Hauptautor des Reports im Gespräch mit der energiezukunft. Zudem drohten weitere Maßnahmen ohne Klimaschutzwirkung, wie die Finanzierung von Chipfabriken in Deutschland, aus dem KTF zu fließen.
Ohnehin deutlich untererfüllt dagegen ist der Finanzierungsbedarf einer Wasserstoffinfrastruktur, der auch der Industrie zugutekommen würde. Ebenso, wie Investitionen in die Verkehrswende, sowie den natürlichen Klimaschutz. „Im Verkehr hat die Bundesregierung bisher vor allem Mittel für Kaufprämien für E-Autos bereitgestellt. Zu kurz kamen insbesondere die Themen Ladeinfrastruktur, Zuschüsse für den emissionsfreien ÖPNV und die Verlagerung auf die Schiene“, so Bär. Laut FÖS zeigen die Daten, dass der ÖPNV-Ausbau noch schlechter finanziert wird als die E-Mobilität.
Zum natürlichen Klimaschutz zählen etwa Investitionen in Erhalt und Aufbau von Wäldern, Moor- und Torflandschaften, sowie Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft und dem Meeresschutz. Die Ausgaben gehen über den KTF hinaus. Der nationale Finanzbedarf für natürlichen Klimaschutz liegt laut FÖS bei 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. 2022 wurden 427 Millionen Euro an Investitionen getätigt. In diesem Jahr steigt die Summe voraussichtlich auf 1,56 Milliarden Euro an.
Bär verweist darauf, dass 2022 mit 55 Millionen Euro indes nur ein Bruchteil der zuvor veranschlagten Gelder aus dem KTF für den natürlichen Klimaschutz ausgegeben wurden. Eigentlich waren 363 Millionen Euro veranschlagt. „Der schleppende Mittelabfluss bei den Klimaschutzausgaben ist kein neues Problem. Es existiert seit vielen Jahren und mindert den Beitrag zum Klimaschutz, den der KTF leisten kann“, so Bär. Immerhin sei 2023 eine Aufholentwicklung bei den tatsächlichen Ausgaben zu beobachten.
Doch ab 2024 plant die Bundesregierung die Ausgaben des KTF wieder zurückzufahren. Dabei sei das Gegenteil nötig, so das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Auch halte die Bundesregierung an klimaschädlichen Subventionen fest. Das konterkariere effektive Klimapolitik und macht Klimaschutz für uns alle unnötig teuer, sagt Bär. Das FÖS geht aktuell von fossilen Subventionen von 65 Milliarden Euro pro Jahr aus. Infolge der FÖS-Analyse fordert der WWF neben dem Abbau klimaschädlicher Subventionen ein klares und kohärentes Klimafinanzkonzept.
„Das Konzept muss sich klar an den planetaren Grenzen und den Erfordernissen der Transformation ausrichten. Das ist nicht allein über diverse Sondervermögen und Fonds zu leisten“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland. Die zuständigen Ministerien müssten in die Pflicht genommen werden, ihre Einzelpläne an den Klimazielen auszurichten und für den Mittelabfluss zu sorgen, während das Finanzministerium für das Monitoring verantwortlich ist. Zudem müsse der CO2-Preis deutlich steigen und sozial mit Einführung und Auszahlung des sogenannten Klimageldes an die Bürger:innen abgefedert werden. mg