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KreislaufwirtschaftRecycling ein Heilsversprechen?

Metallschrott unsortiert vermischt mit Kabeln
Recyceln funktioniert nicht wie das Werden und Vergehen der Natur. (Foto: Michael Knoll auf Pixabay)

Trotz Recycling werden die Müllberge nicht kleiner. Ein Forscherteam hat gefragt, warum das so ist. Das nachdenklich stimmende Fazit: Die technisch-ökonomischen Realitäten ermöglichen keinen echten Kreislauf, die Recycling-Metapher hat Blindstellen.

17.07.2023 – Die Vision einer Kreislaufwirtschaft verspricht, das Abfallproblem ein für alle Mal lösen zu können. Doch diese Denkfigur hat ihre Tücken. Heike Weber, Professorin im Fachgebiet Technikgeschichte an der TU Berlin, hat sich zusammen mit einer Nachwuchsforschergruppe in einem Artikel mit der Ideengeschichte der Kreislauf-Metapher auseinandergesetzt. Sie zeigt darin auf, welche Blindstellen dieses Sprachbild generiert, welche Einsichten es im Verborgenen lässt und wie es daher mit dazu beiträgt, dass die Abfallberge nicht schwinden.

Der Artikel erschien bereits 2020, hat aber nichts an seiner Aktualität verloren. Es ist gut und wichtig, dass die Kreislaufwirtschaft in aller Munde ist, in den europäischen und nationalen Regularien um Vorgaben für nachhaltige Produkte und Recyclingquoten gerungen wird. Es ist ebenso gut und wichtig, sich bewusst zu machen, dass unser Ressourcenverbrauch generell auf den Prüfstand gehört. Denn Recyceln funktioniert nicht wie das Werden und Vergehen der Natur.

Die lange Tradition des Sammelns und Wiederverwertens

Das Sammeln und Wiederverwerten von Gebrauchtem, heute Rezyklieren ist längst nicht erst mit dem grünen Punkt und der gelben Tonne entstanden, sondern habe eine lange Tradition im Denken über Natur und Ökonomie. Das Denkmuster des Kreislaufs sei seit jeher herangezogen worden, wenn es darum ging, Stoffe wieder zu nutzen und Abfall zu vermeiden. Erinnert sei an das Lumpensammeln – Voraussetzung für die Papierherstellung bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Aber auch das Sammeln von Altpapier, Schrott oder Küchenabfällen und Speiseresten ist keine Erfindung der letzten 40, 50 Jahre.

Im Paris des 19. Jahrhunderts wurden darüber hinaus zum Beispiel auch Resteknochen und die Fäkalien der Haushalte systematisch eingesammelt: Aus Knochen wurden Leim, Seife und anderes gewonnen; die Exkremente wurden zu Dünger weiterverarbeitet. Das aus weggeworfenen Konservendosen zurückgewonnene Zinn fand Wiederverwendung in der Textilindustrie des frühen 20. Jahrhunderts.

Mit dem Zirkulationsgedanken hätten auch Chemiker und Stadtpolitiker argumentiert, als Mitte des 19. Jahrhunderts aus hygienischen Gründen in den großen europäischen Städten mit dem Bau von Kanalisationen begonnen wurde. Sie kritisierten, dass durch die Kanalisation besonders die in Urin und Kot enthaltenen wichtigen Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff dem Stoffkreislauf entzogen würden und hätten dafür plädiert, vor den Toren der Städte Rieselfelder anzulegen, damit die Nährstoffe der Fäkalien nicht einfach weggeschwemmt würden. „Bei der Frage des Umgangs mit Fäkalien vertreten Chemiker und Hygieniker unterschiedliche Positionen. Man könnte auch durchaus zum Schluss kommen, dass die Entsorgung der Fäkalien über die Kanalisation der Eintritt in die Wegwerfgesellschaft war“, sagt Heike Weber.

Recyceln funktioniert nicht wie das Werden und Vergehen der Natur

Den Ursprung von einer immerwährenden, geschlossenen Umwandlung der Stoffe habe die Kreislauf-Metapher im endlosen Werden und Vergehen der Natur. Symbolisiert werde diese Vorstellung im Uroboros, der Schlange, die den eigenen Schwanz verschlingt und somit einen Kreis bildet.

Das Bild vom Kreislauf suggeriert, dass die sowohl bei der Produktion und Konsumtion genutzten Stoffe als auch entstehenden Abfälle vollständig und restlos wieder in die Produktion zurückgeführt werden könnten. „Dieses Heilsversprechen steht jedoch im Widerspruch zu technisch-ökonomischen Realitäten“, argumentiert Weber. Erstens gehe Recycling bislang immer mit Stoff- und Qualitätsverlusten einher, worauf auch der Begriff des Downcyclings zu verweisen sucht: Es entstünden neue Abfälle. Und Ressourcen wie etwa Energie würden erneut verbraucht. Zweitens sei Recycling komplex sowie zeit- und ressourcenintensiv: Der Kreislauf müsse vom Einsammeln des Mülls über die Trennung bis zur Wiederaufbereitung von Menschen, Technik, Maschinen und Logistik kontinuierlich am Laufen gehalten werden und manche Stoffe seien auszusondern, weil sie nicht rezyklierbar oder gar giftig sind.

Was die Kreislauf-Metapher also verschleiert, ist, dass die technischen Kreisläufe eben nicht so geschlossen funktionieren wie die natürlichen. „Das Uroboros-Prinzip eines ewigen Werdens und Vergehens der Natur, die keine Abfälle kennt, lassen sich nicht mit der Kultur und Wirtschaft einer produzierenden und konsumierenden Gesellschaft, in der unweigerlich Reste entstehen, und ihren kulturellen und technisch-ökonomischen Zeittaktungen parallelisieren.“ Tagebaue zum Beispiel hinterlassen Abraumhalden, in vielen Fällen auch eine auf Jahrzehnte hin zerstörte Landschaft und ihre Renaturierung ist teuer, aufwendig und zeitintensiv.

Trotz dieser Fakten, trotz Abfallbergen und Abfallsenken wird die Kreislauf-Metapher für die Bewältigung des Müllproblems nicht in Frage gestellt. Vielmehr übernehme sie auch aktuell die politisch-ideelle Funktion einer technisch-ökonomischen Lösbarkeit des Abfallproblems. Sie diene als Heilsversprechen, dass die Massenkonsumgesellschaft ihr Abfallproblem und die Folgen der von ihr massiv veränderten Stoffströme der Erde auf technisch-ökonomischem Wege wird lösen können, nämlich mit Recycling. Recycling werde weiterhin als Umweltschutzmaßnahme gesehen, statt die vorherrschenden Strukturen von Produktion und Konsumtion zu hinterfragen und zu ändern. pf
 


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