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LützerathUnd plötzlich war der Strom weg

ein bunt bemaltes Haus
Eines der Häuser in Lützerath, dessen Eigentümer zuvor der Landwirt Eckart Heukamp war, der nach einem verlorenen Gerichtsprozess gegen die Grundstücksabtretung an RWE, Lützerath inzwischen verlassen hat. (Bild: naturstrom AG)

Mieter:innen eines Hauses in Lützerath wurde letzte Woche von RWE der Strom gekappt. Und das trotz eines laufenden Stromvertrages bei einem Ökoenergieversorger. Der Vorgang wirft Fragen auf.

13.12.2022 – Am Dienstag vergangener Woche verkündete es die Polizei an der Mahnwache in Lützerath. Die ganze Ortschaft werde vom Netz genommen. Kurz darauf begann der Energiekonzern RWE die Stromleitungen um Lützerath aus dem Boden zu reißen. Gleich darauf gingen in den Häusern Lützeraths die Lichter aus, wie einer der Mieter des Hauses (der Name ist der Redaktion bekannt) in einem Telefonat mitteilt. Gemeinsam mit anderen Bewohner:innen des Hauses hatte der nach seinem Einzug im Jahr 2020 einen Stromvertrag bei dem Ökoenergieversorger naturstrom abgeschlossen. Und der war zum Zeitpunkt der Abnabelung Lützeraths vom Stromnetz weiter aktiv, wie der Mieter erklärt und naturstrom bestätigt.

Ein Umstand der ein juristisches Nachspiel nach sich ziehen könnte. „Was wir in Absprache mit unseren Anwält:innen sagen können ist, dass es definitiv nicht sauber gelaufen ist“, so der Mieter. Insgesamt sei das ganze aber eine schwierige juristische Gemengelage. Klar ist, der regionale Netzbetreiber, die NEW Netz GmbH, hat das Stromnetz an RWE übergeben. Der Energiekonzern sieht sich als rechtmäßiger Besitzer der gesamten Ortschaft.

„Alle ursprünglichen Bewohner von Lützerath haben den Ort verlassen, alle Häuser befinden sich im Eigentum von RWE“, wie ein Sprecher von RWE auf Anfrage mitteilt. Die Rechtmäßigkeit sei durch die Gerichte abschließend geklärt. Die Trennung Lützeraths vom Stromnetz sei nötig gewesen, um Rückbauarbeiten im Vorfeld und innerhalb der ehemaligen Siedlung Immerath sicher weiter durchführen zu können. Alle Genehmigungen würden vorliegen, so der RWE-Sprecher.

Verträge zunichte gemacht

Nach Kenntnisstand des Mieters von Lützerath, habe RWE der NEW versichert, dass sich keine Bewohner:innen mehr in Lützerath aufhalten. Dabei müsste beiden Parteien bewusst sein, dass dem nicht so ist. „Die Zähler waren beim Netzbetreiber weiter als aktiv gemeldet und die RWE Power AG hat ohnehin Kenntnis von unserem Aufenthalt hier in Lützerath“, so der Mieter. Die Verträge, die zwischen naturstrom und dem Netzbetreiber zur Belieferung von Strom an die Kund:innen existieren, seien damit zunichte gemacht worden.

Der Netzbetreiber NEW reagierte auf Fragen zu dem Vorgang nicht. naturstrom erklärt, man habe bis zur Kappung des Stromnetzes In Lützerath, die Kund:innen „ganz ordnungsgemäß und nach allen Regeln der Energiewirtschaft“ mit Ökostrom beliefert. Am gestrigen Montag verschickte naturstrom ein Schreiben an die NEW, indem sie, Bezug nehmend auf den Lieferantenrahmenvertrag, belastbare Gründe für Außerbetriebnahme des Netzabschnittes einfordern. Liegen keine belastbaren Gründe vor, behalte man sich vor den entstehenden Schaden geltend zu machen.

Es steht unter anderem die Frage im Raum, ob nicht RWE als neuer Eigentümer der Häuser in Lützerath, den Mieter:innen fristgerecht hätte kündigen müssen, bevor sie das Stromnetz von der NEW übernehmen dürften, um diese zu zerstören. Eigentümer der Häuser war zuvor der Landwirt Eckardt Heukamp gewesen, mit denen die jetzigen Bewohner:innen Mietverträge über die Nutzung der Räumlichkeiten abgeschlossen hatten. Nach einem verlorenen Gerichtsprozess gingen die Häuser in Besitz von RWE über.

Für den Mieter aus Lützerath ist der ganze Vorgang zudem moralisch unverantwortlich. Es habe im Vorfeld keine Ankündigung gegeben, die den Bewohner:innen des Ortes die Möglichkeit gegeben hätte, sich besser auf die neue Situation vorzubereiten. „Zwei Stunden vor Sonnenuntergang den Strom abzustellen, und sich auf einmal bei Minusgraden in einer dunklen Wohnung wiederzufinden, finde ich absolut verwerflich“, sagt der Mieter. Am Donnerstag letzter Woche statteten zwei Vertreter:innen von naturstrom den Betroffenen in Lützerath einen Besuch ab und brachten Autobatterien, Wechselrichter und Powerbanks mit. Dies sei kein Ersatz für das kaputte Stromnetz, bringe aber trotzdem ein bisschen Hilfe, teilt naturstrom mit.

Zudem gibt es im Dorf, inklusive des Aktivist:innencamps, Solarpanele, die dank Spenden immer mehr werden. Trotzdem ist damit bislang nur eine rudimentäre Stromversorgung möglich. Man sei nun bestrebt eine Solarinfrastruktur aufzubauen, die zumindest einen Grundbedarf im Dorf decke, so der Mieter am Telefon. Es gebe einige Menschen, die medizinische Geräte benötigen, Bewohner:innen würden im Home Office aus Lützerath heraus arbeiten und auch die Pressearbeit sei auf eine funktionierende Stromversorgung angewiesen.

Der Beginn der Zerstörung

Die Menschen in und um Lützerath bereiten sich weiter auf eine Räumung Anfang Januar vor. Der nun stattgefundene Abriss der kritischen Strom-Infrastruktur sei der Beginn der Zerstörung des Dorfes teilen die Aktivist:innen von Lützerath in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit. Auch einen neuen Hauptbetriebsplan für den Tagebau Garzweiler, der den Abriss Lützeraths einschließt, genehmigte letzte Woche die Bezirksregierung Arnsberg, wo die zuständige Bergbaubehörde ansässig ist. Umweltverbände und Aktivist:innen hatten zuletzt an die Landesregierung und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur appelliert, bei der Genehmigung eines neuen Hauptbetriebsplans für Lützerath zunächst ein Moratorium auszusprechen.  

Die Stadt Erkelenz und ihr Bürgermeister Stephan Muckel (CDU) verweigern derweil weiter bei der Polizei um Vollzugshilfe für die Räumung zu bitten. Nachdem die NRW-Landesregierung den Kölner Regierungspräsidenten gebeten hatte eine Räumungsverfügung auf den Weg zu bringen, ist eigentlich die Stadt Erkelenz im bürokratischen Verfahren am Zuge. Doch die Stadt ist grundsätzlich gegen die Erweiterung des Tagebaus und sieht die in der Verantwortung, die die Entscheidung für die bergbauliche Inanspruchnahme in Gang gesetzt haben.

NRW-Landesregierung, Bundesregierung und RWE hatten sich Anfang Oktober auf einen Kohleausstieg im Rheinischen Revier 2030 geeinigt, zugleich aber ein kurzfristiges Wiederhochfahren von Kohlemeilern und die Abbaggerung Lützeraths für die Energieversorgungssicherheit als notwendig erachtet. Energieexpert:innen und Umweltverbände bezweifeln dies ebenso, wie den vermeintlichen Nutzen für den Klimaschutz. Manuel Grisard


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Kommentare

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Stefan Specks 13.12.2022, 19:46:30

Es ist aber bekannt, dass die besagten Mieter Verfahren vor den Verwaltungsgerichten verloren haben, wegen der bergbaulichen Inanspruchnahme? Damit sind sie nämlich keine rechtmäßigen Mieter mehr.


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