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Energieeffizienz kein Kostentreiber im Wohnungsbau

Die Baubranche boomt wie nie zuvor – die energetischen Anforderungen an das Gebäude sind dabei nicht der Kostentreiber für hohe Preise im Wohnungsneubau, sondern vor allem die Profitgier der Immobilienlobby. Die Politik schaut zu. (Foto: Nicole Allé)
Die Baubranche boomt wie nie zuvor – die energetischen Anforderungen an das Gebäude sind dabei nicht der Kostentreiber für hohe Preise im Wohnungsneubau, sondern vor allem die Profitgier der Immobilienlobby. Die Politik schaut zu. (Foto: Nicole Allé)

Ein aktuelles Gutachten macht deutlich, dass die energetischen Anforderungen an den Wohnungsbau in einem sinnvoll wirtschaftlichen Rahmen umgesetzt werden können. Klimaschutz ist also kein Kostentreiber im Wohnbau, wie im Koalitionsvertrag behauptet.

18.02.2018 – „Es gibt keinen Grund, dass der Koalitionsvertrag die energetischen Anforderungen an das Bauen in Deutschland mit dem Verweis auf steigende Mieten einfriert“, kommentiert Peter Röttgen, Geschäftsführer des BEE, das Gutachten, welches das Institut für technische Gebäudeausrüstung (iTG Dresden) im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) erstellt hat. Im Gegenteil zeige das Gutachten, dass sich hohe rechtliche Anforderungen, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz nicht ausschließen müssten. Denn der Anteil der Energieeffizienz an Kostensteigerungen im Wohnungsbau sei gering, so das Fazit des Kurzgutachtens. Die Untersuchung bezieht sich allerdings nur auf den Neubau.

Klimafreundliches Bauen müsse also keine Frage der Kosten sein, so die Studienautoren. Laut Gutachten war das Gebäudeenergierecht in den Jahren 2000 bis 2014 lediglich für sechs der insgesamt 36-prozentigen Baukostensteigerungen verantwortlich. Mit der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2016 stiegen die Investitionen in energiebedingte Bauteile maximal noch einmal um rund drei Prozent. Der überwiegende Anteil des Preisanstiegs von rund 27 Prozent werde durch die allgemeine Preissteigerung verursacht. Etwa drei Prozent würden durch nicht energiebedingte erhöhte Anforderungen in den Kostengruppen 300 und 400 (also Bauwerk – Baukonstruktion und Technische Anlagen) verursacht, wie etwa erhöhten Schallschutz, Barriere-Reduktion, Einbau von Aufzügen, Tiefgaragen-Stellplätze, großzügige Verkehrs- und Außenanlagen mit höherer Aufenthaltsqualität sowie hohe Ansprüche an die Ausstattung von Bädern und Einbau von Gäste WCs.

Gehe man bspw. von Baukosten der Kostengruppen 300 und 400 in Höhe von rund 1.630 €/m² Wohnfläche aus, so bewegen sich laut Studie die Mehrkosten der EnEV 2016-Anhebung für ein Einfamilienhaus in einer Größenordnung von ca. 2,2 bzw. 4,2 Prozent und für ein Mehrfamilienhaus von 2,1 bzw. 3,3 Prozent. Wählte man eine kostenoptimierte Variante zur Erfüllung der Anforderungen, dann ließen sich diese Mehrkosten deutlich verringern. Die Baupraxis zeige zudem, dass über die EnEV 2016 hinausgehende energetische Standards unkompliziert und mit marktüblichen Technologien problemlos erreichbar seien. „Offensichtlich lassen sich bei Wahl geeigneter baulicher und anlagentechnischer Konzepte und Nutzung der verfügbaren Fördermittel auch deutlich über die EnEV 2016 hinausgehende energetische Standards mit geringen oder sogar ohne spürbare Mehrkosten realisieren“, so ein weiteres Fazit des Gutachtens. Die KfW fördert mehr als die Hälfte des Wohnungsneubaus als KfW-Effizienzhaus. Trotz überschaubarer Förderanreize werde insbesondere das KfW-Effizienzhaus 55 vom Markt sehr gut angenommen.

Negative Auswirkungen der energetischen Anforderungen auf das Neubauvolumen sind nach Meinung der Gutachter nicht zu verzeichnen. Es sei keinerlei Rückgang der Bautätigkeit festzustellen, den man auf höhere energetische Anforderungen im Neubau zurückführen könnte. Dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung nach ist der entscheidende Engpassfaktor für mehr bezahlbaren Wohnungsbau in vielen Regionen und Städten nicht das Energierecht, sondern der Mangel an geeigneten Flächen und eine mangelnde Bebauung vorhandener Grundstücke. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen: Denn häufig gibt es genügend Bestandgebäude, die saniert werden könnten, anstatt noch mehr Flächen zu bebauen. Im Sinne der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes sollte doch immer zuerst der Bestand saniert werden, bevor neue Flächen versiegelt werden, Bäume fallen und Grünflächen sowie Freiräume verschwinden.

Der Markt treibt die Preise

Dass ein Aussetzen der EnEV zu mehr bezahlbarem Wohnraum führen würde, hält auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) für eine Illusion: Denn steigende Mieten im Gebäudebestand in Städten und Ballungsräumen seien vor allem auf das Missverhältnis von Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Darauf hätte ein Aussetzen der EnEV 2016 keinerlei Einfluss und würde zu keiner Verbesserung auf dem Wohnungsmarkt führen. Im Gegenteil wäre das kontraproduktiv und hätte zur Folge, dass im Rahmen der geplanten Wohnraumoffensive Gebäude entstehen würden, die nicht mit den Klimazielen vereinbar wären und hohe Heizkosten für die Mieter verursachen.

„Höhere energetische Standards können sogar günstiger erreicht werden, wenn man Heizungstechnik und Gebäudegestaltung intelligent kombiniert und Fördermittel in Anspruch nimmt“, so Röttgen. Die Baupraxis beweise, so das Gutachten, dass über die EnEV 2016 hinausgehende energetische Standards unkompliziert und mit marktüblichen Technologien problemlos erreichbar seien. Aus wirtschaftlicher Sicht gebe es keine sachlich begründbare Veranlassung, das im Jahr 2016 eingeführte Anforderungsniveau der Energieeinsparverordnung für neue Wohngebäude abzusenken, befinden die Studienautoren.

Bei entsprechend günstigen Annahmen für die Wirtschaftlichkeit von Effizienzmaßnahmen (Entwicklung der Energiepreise, Besteuerung von CO2-Emissionen, Berücksichtigung von Lerneffekten für energieeffiziente Bau-und Anlagenkomponenten) wiesen Wohngebäude, die den aktuellen EnEV 2016 Anforderungen entsprechen, höhere Gesamtkosten aus, als hocheffiziente Gebäude, wie bspw. das KfW-Effizienzhaus 40.

„Die künftige Bundesregierung sollte dem Bekenntnis zum Klimaschutzplan 2050 im Koalitionsvertrag auch dessen konkrete Umsetzung im Heizungskeller folgen lassen. Die aktuell geltenden energetischen Anforderungen für Neubau und Bestand sollten daher angehoben und nicht verwässert werden“, so Röttgen. „Häuser, die heute gebaut werden, werden in der Regel noch weit über das Jahr 2050 hinaus genutzt. Deshalb müssen Neubauten bereits jetzt klimaneutral sein“, kommentiert Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, die Ergebnisse. „Doch statt die Vorgaben für Neubauten weiterzuentwickeln und damit aktiven Verbraucherschutz zu betreiben, schreiben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag Stillstand fest. Die große Koalition sitzt den Scheinargumenten der Immobilienlobby auf und blockiert so eine zukunftsweisende Bau- und Wohnungspolitik.“ na


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