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GebäudeenergiewendeGrößte serielle Sanierung in Deutschland am Start

Vorgefertigte Energiefassadenmodule werden mit einem Kran auf ein Gebäude gehievt
Serielles Sanieren nach dem Energiesprong-Prinzip ist eine Idee, um die energetische Sanierung im großen Maßstab voranzutreiben. Mit standardisierten Lösungen und industriell vorgefertigten Energiefassaden und Dachmodulen sollen Kosten und Bauzeit reduziert werden. (Foto: Energiesprong International / Flickr / CC BY 2.0)  

Die Stadt Erlangen und das Unternehmen ecoworks starten mit der seriellen Sanierung eines Quartiers. 276 Wohnungen werden energetisch ertüchtigt und eine Dachaufstockung soll zur klimaneutralen Verdichtung der Wohnanlagen beitragen.

22.08.2022 – Vor etwas mehr als zehn Jahren reagierte die niederländische Regierung auf die negative Klimabilanz des Wohnungssektors. Sie setzte ein gemeinnütziges Programm namens Energiesprong auf und ließ ein Konzept erstellen, wie sich energetisch ineffiziente Sozialbauwohnungen in Niedrigenergiebauten umwandeln lassen – seriell und im großen Maßstab. Ziel war es, Hürden bei der energetischen Sanierung abzubauen und in einer möglichst kurzen Zeit eine warmmietenneutrale Sanierung mit Nullenergie-Standard (NetZero) zu bewerkstelligen.

Das Prinzip setzt dabei auf standardisierte Lösungen mit industriell vorgefertigten Elementen, maßgeschneidert für Fassaden und Dächer mit vollständig integrierten Dämm- und Energiesystemen, mit denen die Dauer der Sanierungsarbeiten von mehreren Monaten auf wenige Wochen reduziert werden kann.

Die Deutsche Energieagentur brachte das Energiesprong-Prinzip gemeinsam mit Wohnungs-, Bau- und Zulieferunternehmen auf den deutschen Markt. Das Berliner Startup ecoworks hatte dann bei einem Wohnblock aus den 1930er-Jahren in der Stadt Hameln die erste serielle Gebäudesanierung in Deutschland umgesetzt.

Erlangen geht an die Verbesserung seiner Wohnsubstanz

Das städtische Wohnungsunternehmen GEWOBAU Erlangen setzt nun auf diese Erfahrung und vergibt den nächsten großen Auftrag für die serielle Sanierung eines Quartiers in Erlangen im Gesamtwert von rund 40 Mio. Euro nun an ecoworks. Insgesamt werden 276 Wohneinheiten saniert und eine serielle Dachaufstockung soll zur klimaneutralen Verdichtung der Wohnanlagen beitragen. Das Wohnungsunternehmen in Erlangen will einen Großteil seiner 8.800 Wohneinheiten in den nächsten Jahren in dieser Form sanieren.

Ein Gewinn für Klima und Bewohner

„Wir freuen uns sehr, den bislang größten Auftrag in der seriellen Sanierung mit einer seriellen Aufstockung zu verbinden”, kommentiert Emanuel Heisenberg, CEO der ecoworks GmbH, das neue Projekt. Man könne durch digitale 3D-Planung und Vorfertigung bis zu 80 Prozent der Tätigkeiten von der Baustelle in Fabriken verlagern. Das Unternehmen entwickelt und konstruiert Fassaden- und Dachelemente, die wie eine zweite Haut um das bestehende Gebäude gelegt werden. Innerhalb weniger Wochen Bauzeit könnten damit hochgradig ineffiziente Gebäude zu Plusenergiehäusern saniert werden.

„Mit der seriellen Sanierung und Einfachaufstockung der Wohnanlagen am Buckenhofer Weg / Elise-Spaeth-Straße sowie in der Heinrich-Hertz-Straße / Schwedlerstraße starten wir das nächste große Pilotprojekt zur seriellen Sanierung in unseren Beständen und bereiten die Skalierung der technologischen Verfahren vor”, sagt Gernot Küchler, Geschäftsführer der GEWOBAU Erlangen. „Das wichtigste Ziel aller Maßnahmen liegt für die GEWOBAU Erlangen neben der Klimaneutralität in dauerhaft niedrigen Nebenkosten für die Mieter und Mieterinnen“, betont Küchler. Die serielle Sanierung ermögliche eine Sanierung im bewohnten Zustand mit einer insgesamt ausgesprochen geringen Mieterbelastung.

Enormer Sanierungsstau in Deutschland

75 Prozent der Gebäude in Deutschland sind laut Deutscher Energieagentur (dena) sanierungsbedürftig, allein 3,4 Millionen Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern seien akut von EU-Regulierungen, der Mindeststandards für Energieeffizienz (MEPS) bedroht. Aufgrund verschärfter europäischer und deutscher Klimaregulierung wäre absehbar, dass sich das Marktwachstum für klimaneutrale Sanierung weiter beschleunigen wird.

Baubranche fordert: Politik muss nachbessern

Vor kurzem kündigte die EU eine neue Verordnung an, die die Vermietung von Häusern mit den schlechtesten Energieeffizienzklassen G und H untersagen soll. Derzeit wird der Renovierungsmarkt in Europa auf ein jährliches Volumen von 770 Milliarden Euro geschätzt – 151 Milliarden Euro allein in Deutschland. Angesichts steigender Materialkosten, rückläufiger Produktivität und eines zunehmenden Fachkräftemangels benötige die Baubranche dringend neue Technologien, um die Nachfrage zu bedienen, mahnen die Branchenkenner.

Dabei hatte sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit anderen Bundesressorts erst vor kurzem auf deutliche Kürzungen bei der Sanierungsförderung verständigt. Von der KfW soll es zukünftig keine Zuschüsse für umfassende energetische Sanierungen von Gebäuden mehr geben. Auch die Fördersätze für die Tilgungszuschüsse bei KfW-Krediten wurden deutlich gesenkt. Die Entscheidung des BMWK kam überraschend und stieß bereits auf heftige Kritik in der Wohnungs- und Baubranche.

Serielle Sanierung im Förder-Vorteil

Die Förderung der seriellen Sanierung im Rahmen der Bundesförderung bleibt dagegen erhalten. Das Erlanger Projekt wird in enger Abstimmung mit dem BMWK, dem Passivhausinstitut, der dena und den beauftragten Energieberatern durchgeführt. Die GEWOBAU Erlangen zählt zu den großen Wohnungsbaugesellschaften Bayerns, sie halt derzeit rund 8.800 Wohnungen in ihrem Bestand. Im Programm „Fair Wohnen 2.0“ sollen ca. 6.000 Wohnungen – ein Großteil des sanierungsbedürftigen Gebäudebestands aus den 1950er und 1960er Jahren – nach energetischen Aspekten optimiert werden, ebenfalls mit dem Prinzip der seriellen Sanierung. Daneben will das Unternehmen weitere rund 1.500 Wohnungen durch Aufstockung in Holzmodulbauweise errichten, um weiteren preiswerten und zugleich klimaoptimierten Wohnraum zur Verfügung zu stellen. na


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