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Energiewende-PionierMaschinist mit Herzblut

Manfred Lehner
Manfred Lehner installiert eine PV-Anlage auf dem Dach seines Wohn- und Bürohauses. (Foto: © Manfred Lehner)

Eigenen Ökostrom selbst verbrauchen, die Ladestation vor dem Haus teilen und am Stammtisch darüber reden. Die Energiewende im eigenen Haus und auf der Straße möglichst vielen Menschen zeigen. Das treibt einen Pionier aus Westerstetten an.

01.07.2019 – Manfred Lehner hat seine Passion zum Beruf gemacht. Der gelernte Schreiner ist Energiewende-Fan, ein Kämpfer für die Erneuerbaren Energien. Sein Wohn- und Bürohaus in Westerstetten bei Ulm wurde 2014 mit dem Umweltpreis des Landkreises Alb-Donau ausgezeichnet. Mehrere Photovoltaikanlagen, ein Kleinwindrad und eine Wärmepumpe versorgen das Haus mit Wärme und Strom. „Das macht richtig Spaß“, frohlockt Lehner. Es gehe darum, Ideen, die im Alltag entstehen, umzusetzen und auch andere mitzunehmen – ohne sie zu bekehren oder gar zu bevormunden.

Und damit ist der Reigen längst nicht komplett. Beim Hausbau 2003 installierte er sich eine Holzpellet-Heizung in Zeiten, in denen eine Ölheizung der Standard war. „Ich schaue nicht nur auf das Geld, wenn ich eine neue Technik ausprobieren will“, erklärt Lehner. „Im positiven Sinne muss man etwas verrückt sein“, schmunzelt er. Einen Bleibatteriespeicher hat er sich mittlerweile auch bestellt. Der hilft, den Sonnenstrom in die Abendstunden zu verschieben. So schafft er es, im Schnitt 78 Prozent des eigenen Stroms selbst zu verbrauchen. In den Sommermonaten sind es sogar gut 90 Prozent. „Eigener Strom, wie auch eigene Tomaten aus dem Garten, machen mich einfach glücklich und zufrieden“, vergleicht Lehner.

Erneuerbare erleben und demonstrieren

Die Energiewende ist nichts Abstraktes, für Lehner geht es immer darum, etwas zu zeigen. Alle zwei Jahre veranstaltet er einen Tag der offenen Tür. Dann lädt er auch immer zwei Schulklassen in sein Energiehaus. Einem Glaszylinder mit getrockneten Rosenblättern steht ein zweiter Zylinder mit einem Fünftel des Inhalts gegenüber. „Den Strom im großen Behälter mache ich selbst, nur den kleinen Rest kaufe ich mir dazu“, erklärt er den jungen Besuchern. Besonders das kleine Windrad begeistert die Kinder immer besonders nachhaltig, weil es sich bewegt. Das ist bei uns Erwachsenen nicht anders. Der Stromfluss in einer Photovoltaikanlage ist eben nicht sichtbar. Erst ein angeschlossener Verbraucher macht den Strom erlebbar.

Nachdem er 22 Jahre mit seinem Bruder zusammen im Agrarhandel gearbeitet hat, fokussiert er sich seit mehr als fünf Jahren nur noch auf die grüne Energieerzeugung. Auf innovative Produkte, wie er selbst betont. Als Selbständiger ist er Einzelkämpfer. Es gehe darum, die dezentrale Energiewende voranzutreiben. Die Bürger sollten künftig verstärkt von dem immer günstigeren Sonnenstrom profitieren. Einige Mini-Photovoltaikanlagen hat er schon an Mieter verkauft. Es ist eine herrliche Vorstellung für ihn, sollte irgendwann an jedem Balkongeländer ein Solarstrommodul hängen. Seine Begeisterung, das hört man sofort, ist authentisch. Schon sein Vater baute sich im Jahr 1988 eine Solarthermieanlage auf das Dach. Die musste damals manuell ein- und ausgeschaltet werden. Die Erneuerbaren liegen wohl ein Stück weit in seinen Genen, folgert er daraus.

Lehner macht sich für die Erneuerbaren stark, wo er kann. Wenn jemand am Stammtisch sagt, dass sich Ökostrom nicht rechnet, stellt er Fakten dagegen. Er will ins Gespräch kommen. Oft sei es keine böse Absicht, die Leute seien einfach nicht auf dem aktuellen Stand. Lehner befindet sich im Häuserkampf, im Klein-Klein der Energiewende ohne große Bühne. Im Maschinenraum. Genau das überzeugt letzten Endes auch andere.

Eine Ladestation für alle

Die Elektromobilität ist ein weiteres Thema, das Manfred Lehner umtreibt. Die Ladestation vor seinem Haus hat er als öffentliche Ladestation errichtet. So profitieren auch andere. Neben seinem BMWi3 lädt auch der Nachbar sein Hybridauto auf. Bereits Anfang 2018 gründete er in Ulm den Stammtisch E-Mobilität. Seitdem treffen sich rund 20 Sympathisanten der Stromer einmal im Monat, um sich auszutauschen und Initiativen zu entwickeln. Er verteilt Flyer in der Stadt in der Nähe der Ladestationen, er müht sich um jeden einzelnen. Die Regionalpresse hat die Treffen schon angekündigt. Ein Kreisparteitag der CDU Ende 2018 wurde auf Lehners Initiative kurzerhand zu einer Infoveranstaltung für Elektromobilität. Viele Mitglieder, die lange nicht da waren, haben sich bei ihm dafür bedankt. Das Thema kam richtig gut an, meint Lehner.

Am 30. März 2019 um 20.30 Uhr wurde wieder die weltweite Klima- und Umweltschutzaktion Earth Hour abgehalten. Eine Stunde gingen die Lichter aus, um symbolisch Strom zu sparen und auf CO2-Emissioen aufmerksam zu machen. Lehners Stammtisch hat an diesem Tag in der Innenstadt von Ulm kostenlose Probefahrten mit Elektroautos angeboten. Im Mai sei zudem eine E-Tour der Stromer in das 120 Kilometer entfernte Friedrichshafen am Bodensee geplant, berichtet er. Die Fahrer werden ausschließlich grünen Strom laden, Kohlestrom kommt ihm nicht in die Batterieakkus.

Wasserstoff ist für den 56-Jährigen der nächste logische Schritt für eine Vollversorgung, die perfekte Ergänzung. Nur ein direkter Verbrauch wäre immer besser, gibt er zu bedenken. Der Sonnenstrom fließt vom Dach ins Elektroauto, ohne Speicher wenn es geht. Die Umwandlung von überschüssigem Strom werde aber im großen Stil nötig, um langfristig eine Energieversorgung ohne CO2-Emissionen zu generieren.

Solarstrom und LED-Lichter für Afrika

„Wir machen unsere Welt kaputt, wenn wir so weitermachen, das weiß eigentlich jeder“, sagt Lehner. „Die 20 wärmsten Jahre waren allesamt in den vergangenen 22 Jahren, gab die Weltorganisation für Meteorologie Ende 2018 bekannt. Das sollte uns doch zu denken geben.“ Deshalb müsse man es immer so konkret wie möglich machen. Anfangen und anpacken. „Einige Sätze habe ich schon vor Jahren gesagt, es geht darum, immer wieder zu informieren. Gebetsmühlenartig.“

In Deutschland und Europa soll die Energiewende aber nicht stehen bleiben. Kürzlich entdeckte Manfred Lehner einen Hersteller im Internet, der ein Photovoltaik-Modul mit acht Watt Leistung anbietet. Über einen alten Bekannten entstand zur gleichen Zeit der Kontakt zu Hotels im Senegal. Das brachte Lehner auf die Idee: Zusammen mit einer 12 x 12 Zentimeter großen Batterie lädt das Solarmodul nun Handys unter senegalesischen Sonnenschirmen oder abends, wenn die Sonne untergegangen ist. Das erleichtert vielen Einheimischen das Leben, da die komplette Kommunikation sowie finanzielle Transaktionen in vielen afrikanischen Ländern mit dem Handy erledigt werden. Alternativ können drei LED-Solarlampen für zehn Stunden betrieben werden. Auch auf den Kapverden hat ein Händler 50 solcher Strom-Batterie-Pakete gekauft. Sie werden nun von einer Kommune zusammen mit LED-Solarlampen an Menschen verteilt, die in den Bergen ohne Strom leben, erzählt der Pionier. Das ermöglicht Kindern, abends im Dunkeln ihre Hausaufgaben zu machen.

Die Akzeptanz für die Erneuerbaren müsse gerade vor Ort gestärkt werden, betonte auch der niedersächsische Energieminister Olaf Lies (SPD) auf dem Neujahrsempfang des Bundesverbands Erneuerbare Energie in Berlin. Mitte Februar trafen sich Politiker, Unternehmer und Verbandslobbyisten, um über die Energiewende zu reden. Die ungebrochen hohe Akzeptanz für Ökoenergie erwächst nicht aus Sonntagsreden. Sie stammt aus dem Maschinenraum. Menschen müssen die Energiewende erleben. Mieter und Autofahrer auf dem Land und in der Stadt müssen daran partizipieren. Es braucht Maschinisten wie Manfred Lehner, die ausdauernd und mit Herzblut dafür kämpfen. Niels Hendrik Petersen


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