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Netzentgelte: teuer und intransparent

Insgesamt gibt es für Strom- und Gas über 1.600 Netzbetreiber in Deutschland, eine einmalige Struktur in Europa. (Foto: M.Dufek, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_strommasten_110_220_380kV_himberg.jpg)
Insgesamt gibt es für Strom- und Gas über 1.600 Netzbetreiber in Deutschland, eine einmalige Struktur in Europa. (Foto: M.Dufek, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_strommasten_110_220_380kV_himberg.jpg)

Verbraucherschützer und unabhängige Energieversorger halten die Netzentgelte für zu teuer und intransparent, sie verlangen eine Senkung. Denn mittlerweile sind die Zahlungen an die Netzbetreiber der größte Einzelposten der Energierechnung.

30.01.2016 – Für den Erhalt und Ausbau der Strom und Gasnetze zahlen die Verbraucher mehr als für den Energiepreis selbst oder die EEG-Umlage, Jahr um Jahr steigen die Kosten. Von 2015 auf 2016 erhöhten 600 der 890 Verteilnetzbetreiber ihre Stromentgelte, die nun im Durchschnitt ca. 25 Prozent der Stromrechnung ausmachen – pro Haushalt im Schnitt 240 Euro im Jahr. Dabei sind die regionalen Unterschiede sehr groß. So zahlt ein Haushalt in Bremen (Verbrauch: 3.500 kWh) 166 Euro Netzentgelte, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern beim Netzbetreiber e.dis (E.ON) dagegen 341 Euro. Im Gasbereich fallen die Steigerungen noch höher aus. Verbraucherschützer und unabhängige Strom- und Gasanbieter kritisieren schon lange die intransparenten und überteuerten Netzgebühren. Nun legten der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) und der Energieanbieter Lichtblick Forderungen für eine Reform vor.

Sie haben gute Gründe für ihre Kritik. Wie eine Studie von WIK-Consult aus dem Jahr 2010 ergab, führt die zersplitterte Verteilnetzstruktur in Deutschland zu Mehrkosten für die Verbraucher von über fünf Milliarden Euro pro Jahr. Von den 890 verschiedenen Verteilnetzbetreibern für Strom obligen nur wenige der Aufsicht der bundesweit verantwortlichen Bundesnetzagentur (BNetzA). Für alle Betreiber mit weniger als 100.000 angeschlossenen Kunden (91 Prozent) sind die Regulierungsbehörden der Bundesländer zuständig, die laut Verbraucherschützer oft weniger streng überwachen. Insgesamt sind es für Strom- und Gas sogar über 1.600 Netzbetreiber, was einmalig in Europa ist.

Keine Transparenz trotz Monopolstellung und gesetzlicher Pflicht

„Das Gebilde aus Netzbetreibern und Regulierern ist eine einzige Blackbox. Wer nachfragt, wie sich die Netzentgelte zusammensetzen, bekommt nur geschwärzte Papiere zu sehen. Es muss dringend Licht ins Dunkel“, sagt Ingmar Streese, Leiter des Geschäftsbereichs Verbraucherpolitik beim vzbv. Eigentlich gibt es klare Vorschriften, wie sich die Netzentgelte zusammensetzen. Doch die für die Berechnung angesetzten Kosten wollen die Netzbetreiber mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis nicht veröffentlichen – obwohl sie mit niemandem im Wettbewerb stehen und vor Ort eine Monopolstellung ausüben.

Verbraucherschützer und unabhängige Energieversorger vermuten, dass sich die Netzbetreiber auf Kosten der Verbraucher eine goldene Nase verdienen, allen voran Stadtwerke und Konzerne. Denn die Verteilnetzbetreiber erhalten für ihr eingesetztes Kapital einen Garantiezins von über 9 Prozent. Zudem wird den Netzbetreibern eine kalkulatorische Eigenkapitalquote von 40 Prozent genehmigt, ein Wert, von dem die freie Wirtschaft nur träumen kann. So können Renditen auf Kosten der Verbraucher erwirtschaftet werden. Stadtwerke und Energiekonzerne, die neben dem Netzbetrieb auch Energie verkaufen, können so mit den Gewinnen ihren Energiehandel quersubventionieren und sich gegenüber unabhängigen Energieversorgern einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Ein BNetzA-Gutachten zur Senkung der günstigen Konditionen für Netzbetreiber wurden ebenso wie Verfahren der Behörde gegen Unternehmen auf Druck der Behördenspitze und der Branche eingestellt, so der Vorwurf von vzbv und bne. „Die Regulierungsbehörden müssen die Entscheidungen zu den Netzentgelten ungeschwärzt veröffentlichen und Akteneinsicht gewähren“, fordert Verbraucherschützer Streese. Dazu gebe es eine gesetzliche Pflicht. Dennoch wurden von den seit 2005 getroffenen 3.488 Entscheidungen zu den Entgelten und Erlösobergrenzen für Netzbetreiber nur 460 (ca. 13 Prozent) öffentlich, alle Beschlüsse der BNetzA sind geschwärzt. In Europa ist nur Italien intransparenter.

„25 Netzcluster statt 890 einzelne Netzbetreiber“

Die Entscheidungen der Behörden über den Klageweg öffentlich zugänglich zu machen sei äußerst schwierig, auch durch die Nähe der Aufsichtsbehörden zu den Energiekonzernen, so Lichtblick-Geschäftsführer Gero Lücking. Sein Unternehmen sei wegen dieser Frage allerdings derzeit beim Bundesgerichtshof, verriet er.

Die Verbraucherschützer und der bne fordern in ihren Reformvorschlägen dann auch mehr Transparenz und realistische Konditionen für Netzbetreiber. Um die Kosten zusätzlich zu senken und unnötige Ausgaben zu vermeiden, sollten Netzcluster mit gemeinsamer Betriebsführung eingerichtet werden. „Ziel wären ca. 25 Netzcluster statt 890 einzelner Netzbetreiber“, so die Forderung. Das wäre auch im Sinne der Energiewende. cw


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