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Serie PV-Recycling Teil5Solarmodule mit Lichtblitz zerlegt

Kristalline Solarmodul vor und nach der Behandlung im Recyclingverfahren von Flaxres
Das Unternehmen Flaxres aus Dresden zerlegt Solarmodule mit einem Lichtblitz. Er trennt die Siliziumwafer komplett von der Folie. (Foto: FLAXRES GmbH)

Mit dem weltweiten massiven Ausbau der Photovoltaik müssen künftig Milliarden Solarmodule recycelt werden. Das Technologieunternehmen FLAXRES aus Dresden bietet dafür eine Lösung an, die technisch und logistisch interessant ist.

28.02.2023 – Bereits vor über fünf Jahren begannen zwei Unternehmensgründer aus Dresden eine Technologie zur Trennung von Verbundwerkstoffen zu entwickeln. Mit ihrem Ansatz bieten sie für das Recycling von Solarmodulen eine Komplettlösung zur sortenreinen Trennung aller Materialien an. Denn in PV-Modulen werden Solarzellen mit Folien und Laminaten fest verbunden, um sie zu schützen und haltbar zu machen. Der Technologieansatz von FLAXRES scheint wie geschaffen, um das Modulrecycling nachhaltig und wirtschaftlich in großem Maßstab zu ermöglichen.

Der Prototyp der Anlage ähnelt einem Laminator, wie er in der Modulherstellung verwendet wird. Auf Rollen wird das Modul in eine Prozesskammer geleitet, die komplett verschließbar ist. In der Kammer wird das Modul mit speziellen Lampen einem extrem kurzen und hochintensiven Lichtblitz, zwanzigtausend Mal intensiver als Sonnenlicht, ausgesetzt. Das Licht durchdringt die Frontscheibe des Moduls und die darunterliegende Folie. Danach trifft es auf die dunklen, das Licht absorbierenden Siliziumwafer. Binnen Bruchteilen von Sekunden – eine halbe tausendstel Sekunde – wird der Wafer auf mehrere 100 Grad erwärmt.

Wafer komplett von der Folie getrennt

Dabei passieren zwei Dinge: Durch die Erwärmung werden die Verbindungen der Grenzschichten aufgebrochen, die zwischen dem Siliziumwafer und der EVA-Folie bestehen. Zudem entsteht eine mechanische Bewegung, die Wärme provoziert eine kurzzeitige Ausdehnung der Siliziumwafer. Dabei zerbrechen die Wafer in mehrere Einzelstücke. Nach dem Lichtblitz sind die Wafer komplett von der Folie getrennt, wenn auch in vielen Einzelteilen, die wie ein großes Modulpuzzle beieinanderliegen. Nachdem das Modul die Prozesskammer verlassen hat, werden die Siliziumbruchstücke in hochreiner Form, ohne Glas, Folie und Stromsammelschienen, geborgen.

„Wir gehen nicht wie andere Verfahren von außen nach innen ins Modul, sondern unsere Methode setzt von innen nach außen an“, erklärt Michael Heuschkel, einer der Gründer und Geschäftsführer von FLAXRES. „Wir haben keine unwiederbringlich miteinander vermischten Materialien am Ende unseres Prozesses, sondern können Schicht für Schicht eines Moduls trennen und gewinnen sortenreine Materialien.“

Das Modul ist grob in seine Bestandteile zerlegt, die in existierende Rückgewinnungswege gehen können: Die Anschlussdosen mit Kabelresten, für deren Aufbereitung es Standardverfahren gibt, ebenso wie das Aluminium der Rahmen. Das rückgewonnene Glas ist sehr rein, ohne Anhaftungen von Busbars oder Silizium und kann in der Glasindustrie wiederverwendet werden. Die Wafer sind von Folienresten getrennt. An den Siliziumwafern befinden sich die Überreste des Silbers aus den Leiterbahnen, aber auch für diese Trennung gibt es entwickelte Prozesse. Das Das Licht-Puls-Verfahren von FLARES lässt sich ebenso bei Dünnschichtmodulen anwenden.

Geringer Energieverbrauch, keine Zusatzstoffe

Wer jetzt denkt, dieser Vorgang sei bestimmt stromintensiv, liegt falsch. Lediglich eine Kilowattstunde Strom pro Modul ist laut Heuschkel notwendig. „Das liegt daran, dass wir nur die Grenzflächen zwischen den Materialien erwärmen und dort nur in den ersten Mikrometern.“

Der Zerlegungsprozess arbeitet ausschließlich mit Licht, es kommen keine Zusatz- oder Hilfsstoffe, auch keine chemischen Substanzen zum Einsatz – ein wesentliches Plus gegenüber anderen Verfahren. Ein weiterer Vorteil: Das Silizium wird mit dieser Technologie nicht verunreinigt. Die Dotierungen, die beispielsweise bei der Pyrolyse – Verbrennung ohne Sauerstoff – das Silizium verunreinigen, haben aufgrund der Kürze des Prozesses gar keine Zeit, ins Silizium einzudringen.

Nicht zuletzt betont Heuschkel den Faktor Zeit als entscheidend für den Erfolg. Für die zukünftig anfallenden Mengen an Altmodulen werden schnelle Prozesse gebraucht. Verfahren mit langen Aufenthaltsdauern in chemischen Lösungen oder in Pyrolyseöfen seien seiner Meinung nach deshalb weniger tragfähig. „Zeit ist aus meiner Sicht einer der elementarsten Faktoren für wirtschaftliche Recyclingmethoden“, sagt Heuschkel.

Derzeit arbeitet das Team mit Kooperationspartnern daran, alle Prozessschritte zu automatisieren, insbesondere die Materialsammlung bzw. -trennung nach dem Lichtblitz. 2023 soll eine erste automatisierte Anlage eine Taktrate von 30 Sekunden pro Modul erreichen, perspektivisch sollen sogar nur 10 Sekunden pro Modul notwendig sein. Sobald die Automatisierung ausentwickelt ist, beginnt der Bau der ersten fünf Anlagen.

Mobile Recyclinganlage kommt zum Kunden

Das Geschäftsmodell enthält einen zusätzlichen Lösungsansatz, der durch die Technologie ermöglicht wird. Die Anlagen sollen so robust sein, dass sie verbaut in Containern mobil eingesetzt werden können. Das heißt konkret: Die Recyclinganlage wandert zum Ort des Rückbaus. Ein unschlagbarer Logistik-Trumpf. Denn Millionen von Modulen von der jeweiligen Anlage zu Recyclingunternehmen zu fahren und danach die zurückgewonnenen Materialien zur Weiterverarbeitung und Aufbereitung wiederum an andere Orte zu bringen, ist eine logistische Mammutaufgabe.

Mit dem Container vor Ort, gemietet und mit einer Flatrate für 20.000 bis 60.000 Module pro Monat ausgestattet, entfällt zumindest ein Transportweg mit viel Volumen, was wiederum Emissionen reduziert. Der Solarpark wird rückgebaut, die Module vor Ort in ihre groben Bestandteile zerlegt. Lediglich die sortierten Rezyklate müssen zu ihrem nächsten Bestimmungsort gebracht werden. Große internationale Entsorgungsunternehmen haben sich bereits mit dem Modell angefreundet und bereits Verträge für die Nutzung der Anlagen abgeschlossen.

Einen Produktpass (den die EU mit der geplanten Öko-Design-Verordnung vielleicht einführen wird), der alle Inhaltsstoffe aufführt, findet Heuschkel zwar nützlich, aber für das Verfahren nicht unbedingt erforderlich. Zum einen enthalten Module von einigen Materialien so geringe Mengen, beispielsweise Blei oder Antimon, dass diese wahrscheinlich gar nicht aufgeführt werden müssen. Schon jetzt sind zudem so viele verschiedene Modultypen verbaut, deren genaue Zusammensetzung unbekannt ist. FLAXRES arbeitet stattdessen mit Kooperationspartner an einer Datenbank, die Moduleigenschaften erfasst und ermöglicht, im Recyclingprozess die richtigen Parameter einzustellen. „Die schiere Masse an Modulen zwingt uns zu universellen Prozessen und Methoden. Genau dafür ist unser Verfahren ein guter Ausgangspunkt“, ist Heuschkel überzeugt. Die wiedergewonnenen Stoffe werden über kurz oder lang ihren Weg zurück in andere Produkte finden.

Was Heuschkel Sorgen bereitet, ist die Masse an Kunststofffolien, die bereits jetzt schon, aber mit steigenden Produktionszahlen in noch viel größeren Mengen, für die Solarmodule zum Einsatz kommen. Er erklärt: „Allein heute werden grob geschätzt in China innerhalb eines Jahres Module mit 2,2 Milliarden Quadratmeter Tedlarfolie verwendet. Diese Folien sind fossilen Ursprungs, mit allen Nachteilen, die dazugehören. Wir müssen auch von solchen Stoffen wegkommen. Im Moment schiebt die Industrie das Problem vor sich her. Wir werden gefordert sein, diese Materialien wieder aufzubrechen.“

FLAXRES versteht sich als Technologieunternehmen, wie Heuschkel betont. Es existiert bereits ein Ökosystem, in dem alle notwendigen Gewerke rund um das Recycling versammelt sind, vom Abbau der Module bis hin zum Abtransport der Materialien. Deren Aufbereitung und Rückführung in andere Produktionsprozesse überlassen die Gründer den jeweiligen Spezialisten. Stattdessen sind andere Anwendungsfälle, bei denen ebenfalls Verbundmaterialien zu trennen sind, für die Entwickler von Interesse. Industrieglas, Fahrzeugglas, Verpackungsmaterialien, um nur einige zu nennen. Auch andere ausgefallene Anwendungen fallen Heuschkel ein: beispielsweise mit der Blitzlampe Medikamentenrückstände im Abwasser unschädlich machen. Petra Franke

Die energiezukunft-Serie zum PV-Recycling im Überblick

Teil 1: Globale PV-Recycling-Märkte

Teil2: PV-Recycling in Europa

Teil3: Nachhaltigkeit beginnt in der Herstellung

Teil4: Recycling-Technologien und Forschung

Teil5: Flaxres – Blick auf ein spezielles Verfahren zum Modulrecycling

Teil6: Sammelsystem und rechtliche Rahmenbedingungen in Europa

Teil7: Exkurs zum Gebrauchtmarkt


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