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Urbane EnergiewendeSolarwärme vom Römerhügel

Montage der Großmodule mit einem Spezialkran auf der Baustelle des Solarthermiefeldes auf dem Ludwigsburger Römerhügel. (Foto: © H.C. Neidlein)
Montage der Großmodule mit einem Spezialkran auf der Baustelle des Solarthermiefeldes auf dem Ludwigsburger Römerhügel. (Foto: © H.C. Neidlein)

Die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim realisieren momentan die mit 9,6 Megawatt größte solarthermische Anlage Deutschlands plus Wärmespeicher. Sie speist in das 74 Kilometer lange städtische Fernwärmenetz ein. Und auch andere Kommunen in Deutschland setzen zunehmend auf große Solarthermie.

24.02.2020 – Zum Teil sind die 13,6 Quadratmeter großen Kollektoren noch in überdimensionalen Paketen in weißer Folie eingeschweißt, teils sind sie schon mit 25 Grad Neigung auf Befestigungspunkten auf dem Boden montiert. Vorne links fährt ein grünes Raupenfahrzeug, hinten hievt ein langer, roter Greifarm eines Spezialbaggers eines der 260 Kilogramm schweren Module nach oben. Von der Aussichtsplattform des Technikgebäudes bietet sich ein guter Überblick über das Baustellengelände der mit 9,6 Megawatt (MW) größten solarthermischen Anlage Deutschlands am Ludwigsburger Römerhügel. 1.088 Solarkollektoren sollen dort in Bälde installiert sein und ab Frühjahr in das Fernwärmenetz der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim einspeisen.

Der größte Teil des 14.8000 Quadratmeter großen Kollektorfeldes entsteht auf einer ehemaligen Bauschuttdeponie auf Ludwigsburger Gemarkung. Ein kleinerer Teil befindet sich auf einer benachbarten landwirtschaftlichen Fläche auf der Gemarkung Kornwestheim. Die Freiflächenanlage ist in den Grüngürtel-Wanderweg von Ludwigsburg eingebunden, auch wurden eigens Biotope für Eidechsen geschaffen.

60 Prozent der Einstrahlenergie werden genutzt

Arcon-Sunmark liefert nicht nur die solarthermischen Module, sondern fungiert als Generalunternehmer für die Realisierung der Freiflächenanlage. Die HT-Solarboost Kollektoren haben jeweils 18 Absorberstreifen mit 10 Millimeter Kupferrohren und einer Verglasung mit Antireflex-Beschichtung, „um auch bei schräger Einstrahlung einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen”, so Christian Stadler, Geschäftsführer von Arcon-Sunmark Germany. Im Durchschnitt nutzten die Solarkollektoren rund 60 Prozent der Einstrahlenergie. Nach seinen Angaben ist das dänische Mutterunternehmen Marktführer für die Realisierung solarthermischer Großanlagen und installierte seit 1988 mehr als 1,6 Millionen Quadratmeter Solarkollektoren, darunter die mit einer Leistung von 110 MW weltweit größte solarthermische Anlage in Silkeborg/Dänemark.

Zwischenspeicher erhöht den Solarertrag nochmals

Das Solarfeld auf dem Ludwigsburger Römerhügel soll künftig im Sommer die Wärmeversorgung der an das Netz angeschlossenen Haushalte und Gebäude sichern und über das Jahr 10 bis 15 Prozent der nötigen Wärme liefern, so Stadtwerke Geschäftsführer Bodo Skaletz. Die maximale Wärmeerzeugung der Anlage wird auf 5.500 bis 5.800 Megawattstunden pro Jahr veranschlagt. Mit einer 1 Kilometer langen Stichleitung ist sie an das Fernwärmenetz sowie ein bestehendes Holzheizkraftwerk der Stadtwerke angebunden. Dort entsteht momentan auch ein 20 Meter hoher Wärmespeicher, der 2.000 Kubikmeter warmes Wasser fassen soll, das entspricht circa 13.300 vollen Badewannen. Er kann überschüssige erneuerbare Wärme bei Bedarf tageweise zwischenspeichern. “Auf diese Weise können wir den Solarertrag der Anlage nochmals um 20 Prozent steigern”, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Bodo Skaletz. „Zudem rechnen wir aufgrund der Verringerung der Lastwechsel mit einem um acht Prozent höheren Ertrag aus dem Holzheizkraftwerk”, ergänzt er. Skaletz unterstreicht die ideale Ergänzung der solarthermischen Wärmeerzeugung im Sommer zur Lastabdeckung des winterlichen Wärmebedarfs durch das Holzheizkraftwerk.

Klimaschutz-Modellprojekt vom BMU gefördert

Die Solarthermieanlage plus Speicher sowie die Optimierung des bestehenden Fernwärmenetzes und der Heizzentralen werden vom Bundesumweltministerium (BMU) im Rahmen eines Klimaschutz-Modellprojekts mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert, dies entspricht 80 Prozent der geplanten Gesamtkosten, so Skaletz. Allerdings sei das Projekt aufgrund der gestiegenen Tiefbaukosten nochmals um 2 Millionen Euro teurer geworden, räumt er ein. Gerechnet auf eine Laufzeit von 25 Jahren sei das Vorhaben jedoch wirtschaftlich. An das Wärmenetz angeschlossene Verbraucher profitierten zudem davon, dass Wartungs- und Instandshaltungskosten für eine eigene Heizung entfielen und auch wertvoller Platz im Keller gewonnen werde, ganz abgesehen von dem Beitrag zum Klimaschutz.

Skaletz unterstreicht jedenfalls die Zielsetzung des kommunalen Unternehmens und der Stadt, eine möglichst klimaneutrale netzgebundene Wärmeversorgung weiter voranzutreiben. Innerhalb der vergangenen Jahre bauten die Stadtwerke das Wärmenetz stark aus, es hat mittlerweile eine Länge von 74 Kilometern.

Wärmekosten von unter 50 Euro pro Megawattstunde

„Wärmenetze bieten sich für eine klimaschonende Versorgung an, denn sie können flexibel mit Erneuerbaren Energien und Abwärme gespeist werden", unterstreicht Thomas Pauschinger vom Steinbeis Forschungsinstitut Solites in Stuttgart. Mit der Solarthermie stehe eine ausgereifte, flächeneffiziente und vielerorts verfügbare Klimaschutztechnologie zur Verfügung. „Solarthermische Großanlagen ab der Größenordnung der Anlage in Ludwigsburg ermöglichen stabile Wärmekosten von unter 50 Euro pro Megawattstunde, vor Förderung”, sagt Pauschinger. Er sieht in jüngster Zeit einen Trend, dass sich immer mehr Stadtwerke für solar gespeiste Wärmenetze interessieren. „Die Solarthermie ist in der Stadtwerke-Welt angekommen”, so die Einschätzung von Pauschinger. Er verweist darauf, dass derzeit neben Ludwigsburg eine ganze Reihe weiterer Solarthermiefelder in Deutschland entstehen, die in städtische Wärmenetze einspeisen. So wurde jüngst in Halle eine Anlage mit 3 MW in Betrieb genommen. In Bernburg/Saale steht eine 5,6 MW Anlage kurz vor der Fertigstellung und eine weitere große solarthermische Anlage wird in Potsdam gebaut.

Immer noch großer Nachholbedarf in Deutschland

Aktuell seien in Deutschland 64.091 Quadratmeter Kollektorfläche (45,1 MW) in Betrieb, 31.367 Quadratmeter (22 MW) in Planung bzw. Realisierung und weitere 124.853 Quadratmeter (87,4 MW) in Vorbereitung, so Pauschinger. In den kommenden drei Jahren sei somit von einer Verdreifachung der installierten solarthermischen Leistung auszugehen.

„Wir sehen ein besonders großes Potential bei den kleinen und mittleren Städten, auch bei größeren Gemeinden, die viel Fläche zur Verfügung haben”, sagt Helmut Böhnisch vom Kompetenzzentrum Wärmenetze der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg. Doch verglichen mit Dänemark, wo die Fernwärme 64 Prozent der Wärmeversorgung abdeckt (49 Prozent erneuerbar), hinken Deutschland und Baden-Württemberg mit einem Fernwärmeanteil von circa 14 Prozent, davon rund 8 Prozent erneuerbar, noch deutlich hinterher. Hans-Christoph Neidlein


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