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Aus dem Regen einen Segen machenBerlin auf dem Weg zur Schwammstadt

Gründach des Bikini-Hauses in Berlin
Gründächer speichern Regenwasser, bieten Lebensraum für Insekten und können kleine Wohlfühlorte sein. (Foto: Berliner Regenwasseragentur / Ahnen&Enkel/Silke Reents)

Der Umgang mit Regenwasser in der Stadt ändert sich. Berlin arbeitet wie viele andere Kommunen daran, den Regen nicht einfach abzuleiten, sondern in der Stadt zu halten. Das ist aus mehreren Gründen sinnvoll und notwendig.

29.04.2024 – Starkregenereignisse und längere Hitzeperioden sind für Städte ein Problem. Der Stadtausbau desletzten Jahrhunderts hat dafür nur wenig Vorsorge geschaffen. Seit etwa zwei Jahrzehnten arbeiten die Kommunen inzwischen daran, ihre urbanen Räume widerstandfähiger umzubauen.

Schwammstadt heißt das Rezept, um das Regenwasser in der Stadt zu halten – um Seen und Flüsse vor verunreinigtem Wasser zu schützen und bei Trockenheit und Hitze das kostbare Nass in der Stadt nutzen zu können. Die Möglichkeiten und Maßnahmen unterscheiden sich regional, aber es gibt ähnliche Problemlagen und Lösungen.

Mischwasserkanäle sind überlastet

In der Berliner Innenstadt sammeln – wie in vielen anderen Städten auch – Mischwasserkanäle das Schmutz- und Regenwasser und transportieren es zu den Klärwerken, deren Kapazität begrenzt ist, auch weil der Reinigungsprozess einige Zeit dauert. Bei Starkregen wurde der Überschuss an Mischwasser früher ein bis zwei Dutzend Mal im Jahr in die Gewässer eingeleitet. Das durfte kein Dauerzustand bleiben und erst recht nicht noch häufiger vorkommen.

Bereits aus dem Jahr 1998 stammt der Beschluss, bis 2025 rund 300.000 Kubikmeter unterirdischen Stauraum für Mischwasser in den Innenbezirken zu schaffen. Und es sieht so aus, als könnten die Berliner Wasserbetriebe dieses Ziel tatsächlich schaffen. Das Volumen des vorhandenen Kanalnetzes wurde erweitert und seine Bewirtschaftung modernisiert, aber auch Regenüberlaufbecken und große Stauraumkanäle in der Stadt geschaffen.

Eines der größten und sichtbarsten Bauvorhaben war der Bau eines Stauraumkanals unter dem Berliner Mauerpark – einer viel genutzten und geschichtsträchtigen Freizeitfläche. Wenn es jetzt im Prenzlauer Berg stark regnet, füllt sich die Riesenröhre von beiden Seiten aus mit 7.611 Kubikmetern Abwasser und vermeidet so Überläufe in die Panke. So wichtig solche Großprojekte sind, sie sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Prinzip der Schwammstadt im Kern aus vielen kleinen Einzelmaßnahmen und deren Kombination besteht.

Gründach, Zisterne, Rigole

In Berlin muss im städtischen Neubau seit 2018 das Regenwasser vor Ort bewirtschaftet werden. „Einer Ableitung in die Kanalisation wird nur in sehr seltenen, begründeten Ausnahmefällen zugestimmt“, erklärt Darla Nickel von der Berliner Regenwasseragentur im Interview. Zusätzlich gilt seit letztem Jahr eine neue Bauordnung, die im Neubau bei einer Dachneigung bis zu 10 Grad und einer Größe ab 100 Quadratmetern die Schaffung eines Gründaches vorgibt. Die unter dem Grün verbaute Drainageschicht ermöglicht das Zwischenspeichern von Regenwasser, es fließt zeitverzögert ab oder verdunstet. Dächer, ob mit oder ohne Grün, die Regenwasser speichern können, werden auch Retentionsdächer genannt.

Aber die Palette der Möglichkeiten ist größer. Relativ preiswert ist die Versickerung – dort wo es den Platz dafür gibt und der Boden durchlässig ist. Es wird eine Mulde geschaffen, in der sich das Wasser sammeln kann. Zusätzlich wird darunter eine definierte Bodenpassage eingebracht, die das Wasser reinigt. Weiter gibt es Zisternen und Rigolen sowie oberirdisch angelegte Wasserbecken. Letztere findet man in Berlin beispielsweise am Potsdamer Platz oder im Quartier Grünau. Zisternen werden meist im Außengelände im Erdreich eingebaut. Aber auch in Kellern oder Garagen können sie ihren Platz finden. Die geschlossenen Behälter speichern das Regenwasser, mit einer Pumpe wird es wieder zutage gefördert. Ob zum Gießen oder für die Toilettenspülung, mit dem Gebrauch des Wassers entlastet man die Kanalisation und spart Geld.

Auch Rigolen werden unterirdisch eingebaut, sind aber durchlässige Behälter. „Man verbuddelt sehr viel Material unter der Erde, man bewegt viel Boden“, gibt Darla Nickel zu bedenken. Zudem müssen Schadstoffe im Regenwasser mit Hilfe eines Filters entfernt werden, bevor das Regenwasser versickern darf. Rigolen sind also teuer und aufwändig. „Man errichtet sie in der Regel dann, wenn es wenig Fläche an der Oberfläche gibt und die Versickerungsverhältnisse nicht so gut sind, man also mehr Speichervolumen braucht.“

Stadtgrün und Wasser bedingen einander

Aber auch einfache Lösungen wie die Idee der Wassertanke tragen ihren Teil zur Schwammstadt bei. Besonders in dicht bebauten Innenstadtgebieten, wo kaum Flächen für andere Maßnahmen zu finden sind, kann das Wasser aus den Regentonnen den Durst der Straßenbäume stillen. Denn die Bäume sind letztlich die größte Klimaanlage der Stadt. Sie spenden nicht nur Schatten, sondern verdunsten Wasser und entziehen dafür der Luft Wärme – das sorgt zusätzlich für eine echte Abkühlung an heißen Tagen. „Deshalb muss man die Schwammstadt zusammen mit Bäumen denken, müssen Versickerung und Grün nah beieinander liegen“, wie Nickel appelliert. Eine Stadt, die Starkregen und Hitze trotzen will, ist grün und hat viele dezentrale Wasserspeicher.

Ein wunder Punkt besteht in den meisten Städten jedoch weiterhin: Das Entsiegeln von Flächen wäre eine zusätzliche wirksame Lösung, um der Schwammstadt einen Schritt näher zu kommen. Hierbei nennenswerte Fortschritte zu erzielen, ist bisher nicht gelungen. Petra Franke


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