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Die Meinung
07. September 2016

Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand: Von Bürgerenergie bis Crowdfunding

Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand: Von Bürgerenergie bis Crowdfunding Nicht alles, was möglich ist, ist auch erlaubt. Einige innovative Geschäftsideen, insbesondere von neuen Genossenschaften, setzen auf Finanzierungsformen und Geschäftsmodelle, die ihre Grenzen haben.

Hans-Hilmar Bühler Referent Grundsatzfragen DGRV

Hans-Hilmar Bühler Referent Grundsatzfragen DGRV
Hans-Hilmar Bühler ist Referent in der Abteilung Grundsatzfragen beim DGRV. (Foto: © DGRV)
Hans-Hilmar Bühler ist Referent in der Abteilung Grundsatzfragen beim DGRV. (Foto: © DGRV)

07.09.2016 –Die Grenzen des Machbaren markiert – zu Recht – der Schutz der Mitglieder und Gläubiger der Genossenschaft, insbesondere ihres eingebrachten Kapitals. Das verlangt schon die zentrale Vorschrift des §1 Abs. 1 Genossenschaftsgesetzes (GenG): Genossenschaften dürfen nur zum Zweck der Förderung der wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs errichtet werden.

Wirbt die Genossenschaft öffentlich frisches Kapital ein, ruft das zusätzlich den Anlegerschutz auf den Plan. Die vier wichtigsten Gesetze in diesem Bereich heißen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), Kreditwesengesetz (KWG), Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und Vermögensanlagengesetz VermAnlG). Relevant sind auch die Verwaltungsvorschriften der Finanzaufsicht BaFin, Gerichtsurteile und die Fachliteratur. Das KAGB wurde 2013 eingeführt, das VermAnlG hat Mitte 2015 eine grundlegende Reform durch das sog. Kleinanlegerschutzgesetz erfahren.

Dieser Beitrag greift häufig gestellte Fragen aus der Praxis der genossenschaftlichen Beratung und Prüfung auf, ohne Vollständigkeit anzustreben. Meist ist die Realität des Einzelfalls verzwickter als abstrakte Gesetze. In Zweifelsfällen ist immer eine Anfrage beim Prüfungsverband anzuraten.

Förderzweck oder Anlagezweck?

Was unterscheidet eine Genossenschaft von einer auf Anlage und Verwaltung von Investmentvermögen ausgerichteten Investmentgesellschaft im Sinne des KAGB? Wo hören Fördergeschäfte auf und wo fangen unerlaubte Investmentgeschäfte an, die für den Vorstand der Genossenschaft eine strafbare Handlung darstellen?

Folgende Leitlinien hat der Gesetzgeber zusammen mit der Finanzaufsicht entwickelt: Die in §1 GenG verankerte Zweckausrichtung von Genossenschaften auf die Mitgliederförderung schließt eine im Vordergrund stehende, fondstypische reine Gewinnerzielungsabsicht aus. Kurz gesagt: Förderzweck schlägt Anlagezweck.

Das bedeutet zweierlei. Erstens: Solange der Satzungszweck und die tatsächlich getätigten Geschäfte der Genossenschaft dem Förderzweck dienen, ist von ihrer Rechtmäßigkeit auszugehen. Scheingeschäfte sind freilich immer illegal. Zweitens gilt: Genossenschaften ist das „Betreten des Reviers“ von Investmentfonds, von Geld- und Kapitalanlagegeschäften oder der Vermögensverwaltung zum alleinigen Zweck der Vermögensmehrung strengstens untersagt!

Die Ausnahme für genossenschaftliche Investmentfonds in §2 Abs. 4b KAGB ist seit dem 11. März 2016 entfallen. Aufsichtsräte, Abschlussprüfer und auch die BaFin nehmen auffällige Geschäfte kritisch unter die Lupe.

Heiligt der Förderzweck die Mittel?

Das GenG lässt dem Vorstand breiten Spielraum bei der Wahl der Mittel und Rechtsgeschäfte, die satzungsgemäße Mitgliederförderung umzusetzen. Meistens betreibt die Genossenschaft selbst den Förderzweckbetrieb oder erbringt die Förderdienstleistungen. Obwohl dies den anzustrebenden Normalfall darstellt, setzt das GenG keine operative Tätigkeit der Genossenschaft voraus. Es spricht nichts gegen eine Beteiligung an anderen (Dach- oder Zentral-)Genossenschaften oder sonstigen Unternehmen mit entsprechender Zwecksetzung, die die wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Förderleistung gegenüber den Mitgliedern anbieten und erbringen.

Zum Beispiel kann sich eine Energiegenossenschaft an einer GmbH beteiligen, die die Errichtung und den Betrieb einer konkret definierten Windkraftanlage an einem bestimmten Standort zum Gegenstand hat. Die enge Bindung an den Auftrag zur Mitgliederförderung muss aber verbindlich sichergestellt sein.

Haltegenossenschaft ja, Anlagegenossenschaft nein!

Im Einzelfall kann fraglich sein, ob die Beteiligung von Genossenschaften an Unternehmen anderer Rechtsformen mitgliederförderlich oder von Anlagezielen mit Dividendeninteresse getrieben ist, was unzulässig wäre. Außer der Mitgliederförderung sieht das GenG kein Gebot oder Verbot bestimmter Beteiligungskonstellationen vor. Weder wird eine Obergrenze des zulässigen Beteiligungsbesitzes noch eine Untergrenze der erforderlichen Stimmrechtsquote bestimmt.

Die Mitgliedernützlichkeit einer Beteiligung und ihre sachliche Bindung an den Förderzweck müssen aber abseits von Dividendengesichtspunkten plausibel darstellbar sein. Meist lässt sich durch Stimmrechtsmehrheit, Mitwirkung in den Organen der Beteiligungsgesellschaft oder vertragliche Maßnahmen der notwendige Einfluss herstellen, um die Förderzweckbindung sicherzustellen. Fehlt die Einbettung in das Förderkonzept, sind bereits mehr als unwesentliche Beteiligungen problematisch bzw. unzulässig.

Müssen Sozialgenossenschaften selbstlos sein?

Soziale oder kulturelle Zwecke einer Genossenschaft sind nicht als selbstlose oder gemeinnützige Zwecke im steuerrechtlichen Sinne zu interpretieren. Die Verschaffung sozialer oder kultureller Mitgliedervorteile verbietet auch nicht, dass parallel hierzu Dividenden oder Rückvergütungen gezahlt werden. Zudem ist der Begriff der sozialen Zwecke nicht auf Dienste im Sinne des Sozialgesetzbuchs beschränkt, sondern weit zu interpretieren.

Was besagt das Provisionsverbot?

Seit dem 10. Juli 2015 setzt die Prospektbefreiung beim öffentlichen Vertrieb von Genossenschaftsanteilen und Mitgliederdarlehen voraus, dass keine Provisionen gezahlt werden, weder an Dritte noch an Angehörige der Genossenschaft (§2 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a VermAnlG). Untersagt ist der kontinuierliche Anteilsvertrieb mittels Provisionen, begrenzte Werbeaktionen einzelner Anteile mit Erfolgsprovisionen sind erlaubt. Auch Incentives auf sonstige Vertragsabschlüsse mit den Mitgliedern sind unproblematisch.

Erst Mitgliedschaft, dann Darlehensvertrag

Die öffentliche Kapitaleinwerbung über Nachrangdarlehen oder Gewinndarlehen ist ebenfalls seit dem 10. Juli 2015 prospektpflichtig, außer wenn diese Darlehen ausschließlich von Mitgliedern der Genossenschaft eingeworben werden. Folglich darf Nochnicht-Mitgliedern in der Werbung z.B. über die Internetseite nicht gleichzeitig die Mitgliedschaft und ein konkretes Darlehen angeboten werden.

Ein bloßer Hinweis auf die Möglichkeit eines Darlehensabschlusses ist aber erlaubt. Dem Darlehensangebot sind die Risiko- und Projektinformationen beizufügen (§ 2 Abs. 2 VermAnlG).

Dürfen Genossenschaften Crowdfunding nutzen?

Will eine Genossenschaft frisches Kapital mithilfe eines Internetportals ohne aufwendigen Verkaufsprospekt einwerben, ist der neue §2a VermAnlG zu beachten. Hierbei gilt u. a., dass nur Nachrangdarlehen, Gewinndarlehen und sog. Direktinvestments beworben werden dürfen, aber keine Geschäftsanteile. Je Anleger dürfen nur 1.000 Euro, mit Selbstauskunft bis zu 10.000 Euro angenommen werden, insgesamt nicht mehr als 2,5 Mio. Euro. Zudem muss vorher bei der BaFin ein dreiseitiges Vermögensanlageninformationsblatt (VIB) hinterlegt werden. Zusätzliche Offenlegungspflichten sind zu erfüllen, z.B. die Verkürzung der handelsrechtlichen Offenlegungsfrist auf sechs Monate. Kleine Kapitalsammlungen bis maximal 100.000 Euro jährlich oder nicht mehr als 20 Anteilen bzw. Darlehen sind vom VermAnlG befreit (§2 Abs. 1 Nr. 3 VermAnlG).

Hans-Hilmar Bühler ist Referent in der Abteilung Grundsatzfragen beim DGRV.




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