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Nachgefragt
01. März 2015

Regionale Netzwerke für energetische Sanierungen

Ulf Sieberg ist Referent für Energiepolitik und Klimaschutz beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) und erklärt im Interview, wie vielerorts für die gesellschaftliche Akzeptanz von energetischen Gebäudesanierungen gesorgt wird und welche politischen Maßnahmen flankierend ergriffen werden müssen.

Ulf Sieberg ist Referent für Energiepolitik und Klimaschutz beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) (Foto: © NABU)
Ulf Sieberg ist Referent für Energiepolitik und Klimaschutz beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) (Foto: © NABU)

01.03.2015 – Es gibt nach wie vor viel Misstrauen gegen die energetische Gebäudesanierung. Die Dämmstoffe seien stark brennbar, giftig, oder verursachten Schimmel, sind da die Vorurteile. Der NABU empfiehlt seit Jahren regionale Netzwerke, die für gute Beratung sorgen und somit dieses Misstrauen abbauen sollen. Wie funktioniert das?

Es gibt gute Beispiele für regionale Beratungs- und Sanierungsnetzwerke, die seit Jahren für Vertrauen und Akzeptanz sorgen, etwa das Energie- und Umweltzentrum Allgäu. Generell gewährleisten solche Netzwerke Neutralität, gewerkeübergreifende Beratung und Qualitätssicherung. Sie versammeln alle Akteure in den Bereichen Ausführung und Beratung unter einem Dach. Sie sorgen dafür, dass bei Streitigkeiten zwischen Handwerkern und Hauseigentümern vermittelt wird, damit gar keine negative Propaganda entsteht. In Bremen gibt es eine Energieeffizienzexpertenliste, auf die nur Planer, Architekten, Energieberater und Handwerker kommen, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Definiert werden diese Standards von mehreren Verbänden, die sich unter dem Dach des Bremer Energiekonsenses zusammengefunden haben: etwa der BUND, Haus und Grund, die Verbraucherzentrale. Das garantiert weitgehend Qualität und somit Akzeptanz bei den Hauseigentümern.

Wie ist so ein Netzwerk organisiert und welche Anlaufstellen gibt es?

Meistens gibt es eine zentrale Anlaufstelle. Im Allgäu gibt es zudem Erst- und Initialberatungsstellen in fast jedem zweiten Rathaus. Dort werden Interessierte an das Zentrum verwiesen, wo sie sich auch technische Innovationen anschauen können. Organisieren kann sich solch ein Netzwerk beispielsweise als Öffentlich-Private Partnerschaft, Verein, Genossenschaft oder GmbH.

Gibt es viele weitere solcher Netzwerke?

Es gibt eine Reihe, sei es in der Rhein-Main-Region oder das Zebau in Hamburg, die Klimaschutzagentur Hannover, das Klimawerk in Lüneburg. Baden-Württemberg hat sogar eine Klima- und Energieagentur, die an über 50 Standorten vertreten ist. Erste Ansätze gibt es auch in Stralsund.

Das Thema energetische Sanierung muss unterschiedlich angegangen werden, je nachdem, ob ich in einer Großstadt bin, wo die Leute hauptsächlich zur Miete wohnen, oder in einer Kommune, die hauptsächlich von Wohneigentum geprägt ist, beziehungsweise von Ein- und Zweifamilienhäusern. Welche Unterschiede gibt es da, auch von der politischen Strategie her?

Wir beschäftigen uns auf Bundesebene damit, den ordnungsrechtlichen Rahmen sowie Förderung, Information und Beratung voranzubringen. Auf lokaler Ebene geht es eher darum, unterschiedliche Strategien zur Motivation von Hauseigentümern zu finden. Wer im eigenen Haus wohnt, investiert in seine Wohn- und Lebensqualität, während Immobilienverbände eher rein kommerzielle Interessen verfolgen. Hinzu kommt: Auf Märkten wie München besteht kein Bedarf für die Eigentümer, weil die Nachfrage so hoch ist und sie ihre Wohnungen auch so zu hohen Preisen vermietet bekommen. Woanders ist es umgekehrt. Das Problem ist tatsächlich: Wie gehen wir ordnungsrechtlich und politisch mit dieser Heterogenität um?

Der NABU hat sich ja ausführlich damit beschäftigt. Welche Wege und Mittel gibt es?

Wir sind der Ansicht, dass alle Hauseigentümer dazu gebracht werden müssen, darüber nachzudenken, dass sie etwas für den Klimaschutz tun müssen. Dafür braucht es Instrumente. Eines wäre die Verpflichtung, für jedes Gebäude einen Sanierungsfahrplan zu haben. Den gibt es bisher nur auf freiwilliger Basis.

Wie sieht so ein Sanierungsfahrplan aus?

Er beschreibt Ist- und Soll-Zustand des Gebäudes, er schlägt verschiedene Teil- und Vollsanierungsstrategien vor, er macht eine Kostenabschätzung und am Ende ermöglicht er dem Hauseigentümer die Entscheidung, was für ihn die günstigste Variante ist, die gesellschaftspolitischen Anforderungen an sein Haus zu erfüllen.

Was ist mit Menschen, die zur Miete wohnen und die sagen: „Langfristige Einsparungen helfen mir nicht, wenn ich mir die jetzige Mietsteigerung nicht leisten kann und zudem vielleicht gar nicht langfristig hier wohne“?

Wir haben in den letzten 20 Jahren sehr hohe Energiepreissteigerungen gehabt. Deshalb ist es das oberste Ziel, dass zu den Marktkriterien Miethöhe und Lage der Wohnung das dritte Kriterium Energieeffizienz dazukommt. Der energetische Zustand einer Wohnung muss nachvollziehbar sein. Das ist er aber oft nicht. Dafür gibt es viele Ursachen. Damit eine Nachfrage nach Energieeffizienz entsteht, müssen die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Viele energetische Sanierungen führen gar nicht zu einem Rückgang des Energiebedarfs. Die Sanierungskosten dürfen aber auf die Miete umgelegt werden.

Genau. Der NABU fordert deshalb stattdessen einen energetischen Pauschalzuschlag. Es muss im Voraus berechnet werden, wie hoch die Einsparung ausfallen wird und wie hoch somit der Aufschlag auf die Miete sein darf. Die Prognose würde auf der Basis eines Sanierungsfahrplans erstellt werden. Langfristig müssen energetische Mietspiegel flächendeckend eingeführt werden und den Pauschalzuschlag ersetzen.

Das Interview führte Ralf Hutter.


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