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Der Zug der Zukunft

Im Projekt Next Generation Train untersuchen DLR-Wissenschaftler von neun Forschungsinstituten die Rahmenbedingungen von Hochgeschwindigkeitszügen der Zukunft. (Bild: © DLR (CC-BY 3.0))
Im Projekt Next Generation Train untersuchen DLR-Wissenschaftler von neun Forschungsinstituten die Rahmenbedingungen von Hochgeschwindigkeitszügen der Zukunft. (Bild: © DLR (CC-BY 3.0))

Wie können wir den Bahnverkehr noch sicherer, effizienter und umweltfreundlicher gestalten? Wie müssen die Züge von Morgen beschaffen sein? Diesen Fragen gehen Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt nach. Dabei gehen sie neue Wege. Oberleitungen könnten künftig wegefallen. Sandwichstrukturen mit einem Honigwabenkern und glasfaserverstärkten Deckschichten machen den Zug zum energieeffizienten Leichtgewicht.

07.10.2014 – Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) arbeiten in dem Projekt „Next Generation Train“ den Zugverkehr der Zukunft aus. Mit 400 Stundenkilometern oder gar mehr, emissionarm und doppelstöckig wird der Super-Train in die Zukunft fahren und dabei noch 50 Prozent Energie einsparen. Neuartige Fahrwerke lassen ihn auch in Kurven sehr leise dahingleiten. Durch optimierte Werte für Kabinendruck, Klima, Vibration und Akustik wollen die Forscher Reisenden ihre Fahrten zudem künftig besonders angenehm machen.

In den letzten zehn Jahren haben sich die Anforderungen an Schienenfahrzeuge massiv gewandelt. Angetrieben wird diese Entwicklung von steigenden Energiekosten, der zunehmenden Bedeutung der Lebenszykluskosten eines Fahrzeugs gegenüber den Anschaffungskosten, hohen Anforderungen an die Sicherheit, der Konkurrenz zu anderen Verkehrsträgern und steigenden Ansprüchen der Fahrgäste an den Komfort der Fahrzeuge. Das Projekt „Next Generation Train“  fokussiert zwar auf das Fahrzeug, bezieht jedoch auch angrenzende Gebiete, wie die Gestaltung des Fahrwegs oder der Zugbeeinflussungssysteme, in seine Forschungsarbeiten mit ein. Mehrwert entsteht nach Einschätzung der Entwickler vor allem durch die ganzheitliche Bearbeitung der Themen und durch das hohe Synergie-Potenzial.

Oberleitungen werden überflüssig

Die DLR-Wissenschaftler entwickeln für den Zug von Morgen sogenannte Leichtbaustrategien. So verfügen beispielsweise Sandwichstrukturen mit einem Honigwabenkern und glasfaserverstärkten Deckschichten über die gleiche Biegesteifigkeit wie Massivbauteile, beispielsweise aus Aluminium, sind aber viel leichter. Bei der Innenausstattung muss also viel weniger Masse und damit Gewicht verarbeitet werden – das kommt nicht zuletzt der Energieeffizienz zugute.

Der Super-Train, auch Ultra-Hochgeschwindigkeits-Triebwagen-Personenzug oder NGT HGV genannt, soll zudem ohne Oberleitungen auskommen, was die Wartungsarbeiten und Störungsanfälligkeit sehr stark reduzieren könnte. Stattdessen wird er mit einer berührungslosen Energieübertragung über Induktionsschleifen betrieben. Die Primärspule befindet sich dabei im Gleisbett, die Sekundärspule im Zug. Die Energieübertragung erfolgt durch ein elektromagnetisches Feld. Dadurch könnten unangenehme Verspätungen, etwa durch nach Stürmen in Oberleitungen gekippte Bäume, sehr viel seltener werden. Der erste Schritt in diese Art der Stromversorgung ist der Hybrid NGT Link, der es immerhin auf 230 Stundenkilometer bringt und sowohl aus Spulen im Gleisbett als auch per Oberleitung auf Strecken, die noch nicht umgerüstet sind, Strom zieht. Der kleine Verwandte des Super-Trains soll allerdings auch keine langen Strecken fahren. Er ist ein siebenteiliger, doppelstöckiger interregionaler Zubringerzug, der kleinere Städte untereinander und mit den großen Ballungszentren verbindet. Gegenüber dem einstöckigen Referenzfahrzeug ICE TD ist die benötigte Energie pro Sitzplatz im NGT Link um mehr als 50 Prozent niedriger. Während der ICE 216 Tonnen wiegt, weist der 13 Meter längere NGT LINK eine Masse von 215 Tonnen auf und bietet deutlich mehr Sitzplätze.   

Geringer Stromverbrauch bei gleichzeitig sehr niedrigen Werten der Kohlendioxid- und Schadstoffemissionen spielt eine große Rolle bei modernen Fahrzeugen. Zukünftige Schadstoffgrenzwerte können nur durch Abgasnachbehandlungssysteme eingehalten werden, was meist eine schwächere Motorleistung zur Folge hat. Die Forscher wollen deswegen mit Hilfe von Energiespeichern Bremsenergie nutzbar machen und so zusätzliche Leistungsreserven erschließen. Damit lassen sich hohe Fahrleistungen auch mit leistungsschwächeren Motoren erreichen. Das DLR entwickelt für die Energieoptimierung neue Konzepte. Um diese zu bewerten, werden multiphysikalische Modelle von Schienenfahrzeugen und deren Komponenten erstellt. Neben elektrischen Lösungen mittels Induktion sind auch hybride Technologien denkbar. In einer Energiefluss-Simulation vergleichen die Forscher exemplarisch den Energiefluss eines konventionellen dieselelektrischen Regionalfahrzeugs mit dem eines Fahrzeugs, das eine geringere Dieselmotor-Leistung hat, aber geleichzeitig Bremsenergiespeicher nutzt. So können sie die Energieflüsse und die Unterschiede in der Betriebsweise beider Systeme veranschaulichen. Obwohl die Dieselleistung beim hybridisierten Fahrzeug wesentlich kleiner ist als beim konventionellen Fahrzeug, kann es dieselben Fahrleistungen erreichen. Gleichzeitig benötigt das hybridisierte Fahrzeug deutlich weniger Kraftstoff. 

Zweistöckige Bahnhöfe

Die NGT-Modelle verfügen über eine mechatronische Spurenführung. Neuartige Einachsenfahrwerke mit aktiv gelenkten Losrädern verhindern, dass es bei Kurvenfahrten zu Verschleiß und Lärm kommt. Bei ICE & Co. werden die Radsätze sehr steif und parallel geführt. Bei Bogenfahrt entstehen deswegen Fehlwinkel zwischen Abroll- und Bewegungsrichtung. Dadurch entstehen lautes Quietschen und starker Verschleiß am Fahrwerk. Anstelle von unflexiblen Radsätzen verfügen NGTs über Losradpaare mit integriertem Antrieb. Die Räder können sich dadurch unterschiedlich schnell drehen, in Biegungen also die äußeren  schneller als jene, welche an der Kurveninnenseite liegen. Dadurch lenkten die Achsen ein und der Fehlwinkel wird minimiert. Der Zug gleitet sehr viel geräuschärmer durch die Kurven.

Video: Die Spurführung des Next Generation Trains

Der Aerodynamik kommt eine Schlüsselfunktion in Bezug auf die zu erreichende Leistungscharakteristik des Fahrzeugs zu. So wird beispielsweise die Form der Zugnase wesentlich durch die Luftverdrängung im Tunnel und durch die Seitenwindstabilität beeinflusst. In einem Windkanal lassen die Wissenschaftler ein Zugmodell im Maßstab von 1:100 schräg mit Luft anströmen. So lässt sich eine Seitenwindsituation simulieren. Mithilfe einer Laser-Lichtschnittanlage und Rauch werden die auftretenden Strömungsstrukturen sichtbar gemacht.

Wie verhalten sich Fahrgäste beim Ein- und Aussteigen in einen doppelstöckigen Hochgeschwindigkeitszug – und welche Rolle spielt die Fahrzeugkonstruktion dabei? Die DLR-Wissenschaftler simulieren verschiedene Fahrzeugkonfigurationen, bewerten die Ein- und Aussteigezeiten und modellieren Bewegungen einzelner Personen im Zuginneren bei unterschiedlicher Anordnung von Sitzplätzen, Treppen oder Türen. Um das beste Konzept für einen zügigen Fahrgastwechsel zu finden, arbeiten sie mit der mikroskopischen Schnellzeitsimulationssoftware TOMICS (Traffic Oriented Microscopic Simulator). Fahrgäste des Super-Trains NGT HGV werden künftig voraussichtlich in zweistöckigen Bahnhöfen direkt in beiden Ebenen des Super-Doppeldeckers ein- und aussteigen. Dadurch entfallen die Treppen im Waggon. Das Gepäck der Fahrgäste wird separat im Triebkopf durch eine Gepäckanlage gehandhabt. Rebecca Raspe

Hier geht es zum Handout des Hochgeschwindigkeits-Triebwagen-Personenzuges NGT HGV.

Hier geht es zum Handout des Hochgeschwindigkeits-Triebwagen-Personenzuges NGT Link.

Hier geht es zu der Bildergalerie des Next Generation Trains.

Video: Hochgeschwindigkeitsforschung für den Zug der Zukunft


Kommentare

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Erich Görgens 08.12.2014, 15:18:31

+263 Gut Antworten

E-Züge könnten längst auf ihre Stromtrasse verzichten, wenn die Bahnverwaltung auf derartige Angebote eingegangen wäre. Die Technik ist im Bedarfsfall verfügbar. Der Stand der Wissenschaft und Technik liefert Machbarkeitsbeispiele und die Entscheider verfolgen andere Eigeninteressen. Das wird sich erst ändern, wenn verantwortungsbewusstes Handeln zum Maß aller Dinge wird. Danach sieht es Moment jedoch noch nicht aus. Jammern und Besorgnis verkünden, können allerdings viele schon.


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