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VerkehrswendeEin Grundgesetz für die Mobilität

gelb-weiße Regionalbahn an einem kleinen Bahnhof
Auch kleinere Orte sollen künftig mit öffentlichen Verkehrsträgern wieder besser erreichbar sein. (Bild: Erich Westendarp, pixabay, Public Domain)

Aktuell sind lediglich kleinteilige Reparaturen am Verkehrssystem möglich, kritisieren Expert:innen. Es fehlen gesetzliche Leitziele für eine klima- und sozialverträgliche Mobilität. Das soll sich mit einem Bundesmobilitätsgesetz ändern.

14.02.2022 – Im Mai vergangenen Jahres legte der VCD, der ökologische Verkehrsclub Deutschland, erstmals sein Konzept für ein Bundesmobilitätsgesetz vor. Inzwischen ist eine neue Bundesregierung angetreten, die sich deutlich stärker für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen will als ihre Vorgängerregierung. Einen Aufbruch „für eine nachhaltige, effiziente, barrierefreie, intelligente, innovative und für alle bezahlbare Mobilität“, kündigten die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag an.

Doch während im Energiebereich die Ziele und Vorhaben ambitioniert sind und Deutschlands Weg auf dem Weg zur Klimaneutralität befördern könnten, gibt es an den Vorhaben für die deutsche Verkehrswende deutliche Kritik. Einzelne Zielvorgaben, wie mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw auf die Straßen zu bringen und eine Millionen Ladesäulen bereitzustellen, sowie die Fahrgastzahlen auf der Schiene zu verdoppeln, seien lediglich Kosmetik, teilweise an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeplant und für den Umwelt- und Klimaschutz zu wenig. Auch fehlen für die Ziele im Verkehrssektor gesetzliche Rahmenbedingungen.

Die Kritik des VCD an fehlenden übergeordneten gesetzlichen Leitzielen bleibt daher bestehen. Gemeinsam mit zahlreichen Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Mobilitätswirtschaft hat der VCD aus dem Konzept eines Bundesmobilitätsgesetzes (BuMoG) einen fertigen Gesetzesentwurf erarbeitet, aus dem sich neun übergeordnete Leitziele ergeben, die als Ausgangspunkte für die Mobilitäts- und Verkehrsentwicklungsplanung definiert werden. Diese sind im Einzelnen:

  • Mobilitätssicherung
  • Sicherung des Transports von Waren- und Dienstleistungen
  • Klimaschutz und Energieeffizienz
  • Verkehrssicherheit
  • Gesundheitsschutz
  • Umweltschutz
  • Sozialverträglichkeit
  • Lebenswerte Städte und Regionen
  • Effizienz und Resilienz des Verkehrssystems

Zweck dieses Gesetzes sei es, zur Gewährleistung einer nachhaltigen Mobilität den institutionellen Rahmen für die Verkehrsentwicklung neu zu ordnen, so steht es in Artikel 1, Absatz 1. Und weiter: „Sie ist an den Erfordernissen nachhaltiger Mobilität so auszurichten, dass insbesondere den Mobilitätsbedürfnissen von Personen und den Bedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs im Einklang mit den in diesem Gesetz geregelten Leitzielen oder auf Grund dieses Gesetzes im Bundesmobilitätsplan konkretisierten Anforderungen der Verkehrssicherheit und des Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutzes entsprochen werden kann.“

Im Energierecht sei es bereits gang und gäbe übergeordnete Leitziele und Planungen zu beachten, dies müsse beim Verkehr auch passieren, so Georg Hermes, Professor für Verwaltungsrecht an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main, bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs vergangene Woche. Hermes ist einer der Autoren des Gesetzesentwurfs. „Der Verkehrssektor muss die wirtschaftliche Leistung aufrechterhalten, aber er muss auch, vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, Klimaschutz beachten“, sagte Hermes. Aufgrund einer Klage junger Menschen hatten die Verfassungsrichter im vergangenen Jahr das bis dahin bestehende Klimaschutzgesetz kassiert.

Leitziele konkretisieren

Kernstück eines neuen BuMoG soll der Bundesmobilitätsplan werden, der die Leitziele in verbindliche und hinreichende Maßnahmen konkretisiert. Nach den Vorstellungen der Macher:innen des Gesetzentwurfs soll eine neue Bundesanstalt für Mobilität geschaffen werden, die Maßgeblich die Planungsverfahren gestaltet. Ebenso solle ein neuer Beirat mit Expert:innen für die Entwicklung von Mobilität und Verkehr installiert werden.

Im Bundesmobilitätsplan müssten etwa Erreichbarkeitsziele für Orte mit öffentlichen Verkehrsträgern definiert werden. Vor dem Hintergrund von Erreichbarkeit, Klimaschutz und Sozialverträglichkeit sollten aber grundsätzlich alle Verkehrsträger Beachtung finden. Aus den Umsetzungszielen des Bundesmobilitätsplanes müsse sich dann ein Bedarfsplan für den Aus- und Neubau von Verkehrsinfrastrukturen ergeben. Finanziert werden soll das ganze unter anderem durch „fahrleistungsabhängige Nutzungsentgelte motorgetriebener Fahrzeuge“. Wer viel Auto fährt, soll tendenziell stärker zur Kasse gebeten werden.

Darüber hinaus gehe es darum Kompetenzen insgesamt eher nach unten zu verlagern, erläutert Georg Hermes. „Straßenverkehrsgesetz beziehungsweise Straßenverkehrsordnung etwa müssen klar vom reinen Ordnungsrecht hin zu einem dienenden Recht der lokalen Verkehrsentwicklung werden.“ Heißt: Die Freiheiten von Ländern und Kommunen bei der Ausgestaltung ihrer Verkehrssysteme müssen deutlich größer werden – unter Beachtung der übergeordneten Leitziele. Viele Kommunen fordern bereits mehr Entscheidungsfreiheit bei der Umsetzung von Tempo 30 innerorts. Und Bundesverkehrsminister Volker Wissing sagte erst kürzlich: „Die Kommunen vor Ort wissen am besten, was für ihre Bewohner gut ist.“

Die Zeit rennt, angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise. Jan Werner, Verkehrsexperte und Impulsgeber für das BuMoG, mahnte bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs zu mehr Tempo. Es komme jetzt darauf an, die richtigen Maßnahmen für die nächsten Jahrzehnte anzustoßen. „Wir haben uns eingerichtet, wie wir wohnen und uns fortbewegen. Wir müssen jetzt anfangen das ganze umzubauen“, so Werner. Werner stellte Zeithorizonte von fünf Jahren in dem Raum, in denen der Bund planen müsse. Nach fünf Jahren solle dann über Folgemaßnahmen entschieden werden. mf


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