Menü öffnen

Lautlos übers Wasser gleiten

E-Mobilität ist nicht nur ein Thema an Land. Auch in der Luft, auf der Schiene und auf Wasser gibt es Ansätze, die Elektrifizierung voranzutreiben. So bieten sich im Schiffbereich vor allem Fahrgastschiffe und Fähren im Küstenbereich sowie auf Seen und Flüssen für elektrische Antriebssysteme an.

23.05.2017 – Was haben die Peak Islands vor der atlantischen Küste Maines, die kroatische Halbinsel Pelješac in der Adria, das nordfriesische Eiland Pellworm und die tansanische Gewürzinsel Pemba im Indischen Ozean gemeinsam? Ganz einfach: Alle werden noch mit Fähren angefahren, die über herkömmliche Dieselmotoren-Antriebe verfügen und die mit schwefelhaltigem Schiffsdiesel betankt werden – was nicht nur klimaschädlich ist, sondern darüber hinaus die empfindlichen marinen Ökosysteme mit hohen Abgasemissionen belastet.

Dass dies nicht sein muss, demonstriert die Fähre Ampere im norwegischen Sognefjord zwischen den Dörfern Lavik und Oppedal schon seit gut zwei Jahren. Es ist die erste vollständig elektrisch betriebene Großfähre weltweit. Sie legt täglich 34 Mal eine sechs Kilometer lange Strecke in einer Fahrtzeit von rund 20 Minuten zurück. „Wir haben uns mit der Werft Fjellstrand und dem Fährenbetreiber Norled zusammengesetzt“, erzählt Ingenieur Odd Moen von Siemens. „Dabei haben wir unsere Kompetenzen gebündelt – das Know-how von Fjellstrand im energieeffizienten Schiffbau und unsere Expertise bei den Antrieben.“ Herausgekommen ist ein Konzept, das nun „flüsterleise und völlig emissionslos“ unterwegs ist. Angetrieben wird das 80 Meter lange Schiff, das maximal 120 Autos und 360 Passagiere transportieren kann, von zwei Elektromotoren mit je 450 Kilowatt Leistung, die ihre Energie aus Lithium-Ionen-Akkus beziehen. Die Kapazität der Batterien beträgt dabei insgesamt 1.000 kWh.

Maritime Energiewende eingeläutet

Wer nun aber glauben würde, dass eine Elektrofähre etwas ganz Neues sei, sozusagen eine Folge der Energiewende, irrt. Denn schon vor mehr als 100 Jahren gab es erste elektrisch betriebene Fahrgastschiffe. Wer stellte sie her? Ja, Siemens, schon damals. So verkehrten auf dem Königssee seit 1909 elektrisch angetriebene Ausflugsschiffe und in Strausberg transportiert seit 1915 die sogenannte Strausseefähre Ausflügler bis heute mit einer elektrischen Oberleitung über den See. Aber auch am Neckar und am Rhein sowie in den USA gab und gibt es elektrische Autofähren.

Die Idee eines emissionsfreien und lautlosen Fahrgastschiffes hat also eine lange Geschichte; dennoch gelang es nie, diesen Antriebstyp aus der Nische herauszuführen. Dies hatte viele Gründe: Es fehlte an Reichweite, an effizienten Batterien und an Strominfrastruktur; zudem: Die Kraftstoffpreise für schwefelhaltigen Schiffsdiesel waren und sind im Vergleich niedrig. Doch das soll sich bald schon ändern. Die amtierende Bundesregierung und ihr maritimer Koordinator Beckmeyer erklärten auf der Maritimen Konferenz in Hamburg Anfang April, dass „die maritime Energiewende ein wesentlicher Baustein der Industriepolitik“ sei. „Wir wollen Anreize schaffen, damit die Unternehmen verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren.

Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie beschreibt den Handlungsbedarf. Die dort formulierten Ziele werden in zahlreichen Förderprogrammen und Pilotprojekten umgesetzt, etwa zu LNG-Antrieben oder dezentraler Energieversorgung auf Schiffen. Ganz aktuell hat das Wirtschaftsministerium die neue Förderinitiative ´Energiewende im Verkehr´ veröffentlicht, und auch in unserem maritimen Forschungsprogramm ist Green Shipping künftig eines von vier zentralen Querschnittsthemen“, so Beckmeyer.

Elektromobilität nicht auf Räder beschränkt

Die Ziele sind also hehr, doch ist es noch ein langer Weg, bis die Fähren nach Pemba, Pellworm und den Peak Islands tatsächlich elektrisch fahren. Dabei gäbe es schon heute viel Potenzial insbesondere bei denjenigen Fähren, die nur kurze Strecken zurücklegen müssten, meint Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). Zwar sei der Markt für solche E-Fähren noch relativ klein, doch ist Lüken davon überzeugt, „dass sich für die Betreiber der Fährlinien die Elektrifizierung ökonomisch abbilden lässt“. Zumal der öffentliche Druck auf neue, umweltfreundlichere Antriebe auch in der Schifffahrt deutlich zugenommen habe, so Lüken weiter.

Das sieht Kurt Sigl, Präsident Bundesverband eMobilität e.V. (BEM) ähnlich: „Elektromobilität ist nicht auf vier Rädern beschränkt. Auch wenn das Elektroauto omnipräsent zu sein scheint, findet Elektromobilität auch abseits von Straße und Schiene statt. Neben elektrischen Seilbahnen, die vermehrt in verstopften Innenstädten zum Einsatz kommen, spielen Elektromotoren auch auf den Wasserwegen eine wachsende Rolle. Insbesondere im Fährbereich kommen bereits heute an unterschiedlichen Standorten erfolgreich Elektrofähren zum Einsatz.“

Wie beispielsweise auf dem Eutiner See, der unmittelbar neben der gleichnamigen schleswig-holsteinischen Kleinstadt liegt. Während der letztjährigen Landesgartenschau fuhr dort ein Shuttle, genauer gesagt E-Fahrgastschiff – so die korrekte Begrifflichkeit für einen Schifftyp, der nur Personen und keine Fahrzeuge befördert – auf dem See lautlos umher. Den elektrischen Antrieb mit Elektromotoren und Speichermodulen hat der Betreiber auf dem aus Aluminium gefertigten Schiffsrumpf selbst konzipiert und installiert. Den Strom für die E-Motoren, die eine tägliche Strecke von 200 Kilometern zu bewältigen haben, lieferten Batterien, die über Nacht mit Strom beladen wurden.

E-Fähre geht in Serienproduktion

Während es im Fall Eutin um ein Fahrgastschiff der Marke Eigenbau handelt, geht es in Stralsund, bei der Firma Ostseestaal, um professionelle Serienproduktion. „Die Nachfrage nach elektrischen Fahrgastschiffen, aber auch E-Fähren wächst“, verrät Ingo Schillinger, Vertriebschef im Geschäftsfeld Elektromobilität der mittelständischen Unternehmung mit 150 Mitarbeitern. Sechs elektrisch angetriebene Fahrgastschiffe von Ostseestaal sind schon auf verschiedenen Binnengewässern in Betrieb, drei weitere sind derzeit in Bau.

Hinzu kommt der Bau einer vollelektrischen Autofähre, die im Herbst fertiggestellt sein soll. Sie soll auf der Mosel zwischen dem rheinland-pfälzischen Oberbillig und der luxemburgischen Gemeinde Unterbillig verkehren. Sie zieht ihren Strom zum einen von der bordeigenen 5,4 kWp großen PV-Anlage, zum anderen von der Bordbatterie, die eine Kapazität von 252 Kilowattstunden hat. „Damit werden jährlich rund 14.000 Liter Diesel eingespart und zusätzlich die Abgas- und Lärmimmissionen deutlich reduziert“, freut sich Andreas Beiling, Bürgermeister von Oberbillig, über eine neue Ära der Moselschifffahrt. Unterdessen beabsichtigt der Hersteller Ostseestaal eine kontinuierliche Ausweitung seiner Leichtbau-Schiffproduktion mit Aluminium. „Wir wollen in Zukunft bis zu zehn elektro-solarbetriebene Schiffe pro Jahr bauen“, sieht Ingo Schillinger ein großes Potenzial in diesem Segment. Und dies nicht nur in Deutschland, sondern auch in Holland, Italien und Frankreich. Stellvertretend für viele Nachahmer hat die Grachten-Stadt Amsterdam bereits beschlossen, dass alle dieselbetriebenen Fahrgastschiffe und Fähren spätestens ab 2020 aus dem Stadtgebiet verbannt sein sollen. Sicherlich ein wichtiges Signal für eine „Verkehrswende“, die eben nicht nur an Land, sondern eben auch auf dem Wasser gestaltet sein will. Dierk Jensen


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Christian Grohmann 23.05.2017, 19:18:55

+487 Gut Antworten

Meine Meinung: Fähren sind ein interessanter und sinnvoller Anwendungsbereich für Elektroantriebe in der Schifffahrt.

 

Ein paar Details zur Elektrofähre auf der Mosel habe ich hier zusammengefasst:

http://www.bonapart.de/nachrichten/beitrag/gemeinde-oberbillig-bestellt-erste-elektro-faehre-deutschlands.html

 

Ein weitere Idee wäre es, Elektrofähren mit verschleißfreien Kondensatoren auszurüsten - entsprechende Busse gibt es bereits: http://www.bonapart.de/nachrichten/beitrag/elektroantrieb-vom-capabus-zur-capaferry.html

 

In der Streckenfahrt auf den Flüssen (Güter und Personen) wird der LKW-Diesel als Treibstoff aber noch länger eine Rolle spielen, auch wenn bereits Alternativen erprobt werden.

 

Ein anderer Aspekt zur thematischen Vernetzung: Die vielen dieselelektrisch fahrenden Flusskreuzfahrtschiffe könnten in der Wintersaison (Liegezeit) als mobile "Notstrom-Aggregate" herangezogen werden, falls die Erneuerbaren mal extrem schwächeln - oder das Netz kollabiert. Ein Smart-Grid-Konzept wäre hier ebenso denkbar wie im Automobilsektor: http://www.bonapart.de/nachrichten/beitrag/landstrom-vice-versa-atomausstieg-mit-dem-binnenschiff.html

Eitel Heck 14.06.2017, 09:03:31

+497 Gut Antworten

Die Elektromobilität setzt zur Zeit auf Lithium-Ionen-Batterien.

Sicherlich sind diese Batterien auch in der Schifffahrt einsetzbar.

Aber die Lithiumvorkommen sind begrenzt.Zur Förderung der weltweit größten Vorkommen in einer Wüstenregion Chiles werden große Mengen Wasser benötigt, das zur Versorgung der Bevölkerung Mangelware ist.Zur Herstellung von Lithium über die Zwischenstufe Lithiumkarbonat entsteht auch Kohlendioxidemission.

Die Lithiumförderung in Deutschland und Österreich soll begonnen werden.Das Lithium ist tief in der Erde eingeschlossen im Pegmatit. Die Förderung ist kompliziert und teuer.

Die produktivere und umweltfreundlichere Alternative zu Lithium-Ionen Batterien ist die in Deutschland entwickelte Hydrazin-Brennzelle für den Einsatz von Hydrazin als Kraftstoff für Fahrzeuge und selbstverständlich auch in der Schifffahrt.

Vorteil von Hydrazin-Brennzellen gegenüber den Elektroautos mit Lithium-Ionen-Batterien:

-höhere Energiedichte,

-wesentlich höhere Reichweiten, auch im Winter,

-gut lagerbar in Tanks, schnelle Betankung,

-Zapfhahn beim Betanken wie bei Autogas,

Hydrazintankstellen fügen sich leicht in die Infrastruktur ein.

-niedrigere Produktionskosten, Kosten vergleichbar mit Dieselautos.

-keine Importrohstoffe zur Herstellung der Brennzelle,

-keine Kohlendioxidemission auch nicht in der Rohstoffkette im Vergleich mit Lithium-Ionen-Batterien,

Der in Deutschland patentierte Dual Fluid Kernreaktor mit einer sicheren und damit ungefährlichen Technologie( nicht vergleichbar mit gegenwärtigen Atomkraftwerken) kann bei Realisierung mit Fördermitteln die Stromproduktion mit der Produktion von Hydrazin zu koppeln.

 

Hydrazin wird bereits als Raketentreibstoff eingesetzt.


Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft