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mangelhafte VerkehrswendeNoch ist Fahrradfahren in Deutschland gefährlich

Ein weiß angemaltes Fahrrad, angeschlossen an einen Laternenpfahl, an einer Straße.
Wie hier in Berlin, stehen an vielen Orten Deutschlands weiß bemalte Fahrräder, sogenannte „Ghost Bikes“, als Mahnmal für verstorbene Fahrradfahrer bei Unfällen. (Foto: Lotse / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Immer mehr Menschen in Deutschland fahren Fahrrad. Doch noch gibt es zu viele Gefahrenstellen. Knapp 10.000 haben Radfahrer gemeinsam mit Greenpeace ausgemacht. Die Zahl der Toten steigt und Reformen von Verkehrsminister Scheuer greifen zu kurz.

20.07.2019 – Im Jahr 2018 kamen 445 Radfahrer auf Deutschlands Straßen ums Leben – 17 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Insgesamt waren 88.850 Radfahrer in Unfälle verwickelt, darunter 10.225 Kinder. Zwar liegt die Zahl der tödlich verunglückten Radfahrer noch hinter Auto- und Motorradfahrern sowie Fußgängern, doch während deren Todeszahlen in den letzten Jahren sanken, steigen die von Radfahrern immer weiter an.

"Täglich stirbt mindestens eine Radfahrerin oder ein Radfahrer auf unseren Straßen und alle halbe Stunde wird eine Person auf dem Rad schwer verletzt", so Burkhard Stork, Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), gegenüber Spiegel Online. Besonders häufig seien Radfahrer demnach Opfer bei Kollisionen mit Kraftfahrzeugen beim Einbiegen, Kreuzen oder Abbiegen. Kreuzungen gehören entsprechend zu den häufigsten markierten Gefahrenstellen für Radfahrer.

Am häufigsten mangelt es schlichtweg an sicheren Radwegen

Auf einer von Greenpeace erstellten interaktiven Karte konnten Menschen in den vergangenen Monaten Stellen markieren, die für das Radfahren besonders gefährlich sind. Knapp 10.000 kamen so zusammen – 22 Prozent davon gefährliche Kreuzungen. 13 Prozent nannten auf Rad- und Gehwegen parkende Autos als Gefahrenstellen. Am häufigsten – mit 51 Prozent – markierten die Radfahrer jedoch schlichtweg fehlende oder mangelhafte Radwege.

Dabei finden sich die meisten markierten Einträge in den Städten. Doch auch auf dem Land, insbesondere an Landstraßen wird ebenfalls auf Gefahrenstellen hingewiesen. So fehlen oft Radwege, die kleinere Ortschaften verbinden. Landstraßen selbst sind darüber hinaus oft in so schlechtem Zustand, dass Radfahrer um Schlaglöcher herumsteuern müssen.

In Städten weisen Radfahrer derweil auch auf vermeintlich fahrradfreundliche Umbauten als Gefahrenstellen hin. So stehen vor allem sogenannte „Fahrradweichen“ in der Kritik, wo abbiegende Autos an Kreuzungen die weiter geradeaus führende Fahrradspur queren. Auch eine Studie der Technischen Universität Berlin kommt zu dem Ergebnis, dass “diese Führungsform im Knotenpunkt nicht generell positiv auf die Sicherheit wirkt“. Der Verein Changing Cities fordert deshalb seit längerem den Umbau solcher Kreuzungen nach niederländischem Vorbild, mit klar getrennten Spuren und Ampelphasen.

Die Unfallsituation wird sich in diesem Jahr wahrscheinlich noch verschlechtern

Und klar getrennter Spuren bedarf es nicht nur an Kreuzungen, sondern überall. Gleichzeitig müssten diese von Anfang an möglichst breit geplant und ausgebaut werden, mahnen Experten. Denn vor allem in den Städten wächst der Anteil an Fahrradfahrern rasant an. Dazu kommen in einigen Metropolen nun auch noch E-Scooter. Aufgrund der aktuell unterdimensionierten Radwege, wird sich die Unfallsituation im Zweiradverkehr in diesem Jahr noch verschlechtern warnt der ADFC.

Damit die Zahl der Unfälle mit Radfahrern in Zukunft deutlich weniger wird, plant Verkehrsminister Andreas Scheuer eine Reform der Straßenverkehrsordnung. Es soll unter anderem ein generelles Halteverbot auf Schutzstreifen geben und eine Erhöhung der Bußgelder für Parken in zweiter Reihe auf 100 Euro. Des Weiteren einen Mindestüberholabstand und Schrittgeschwindigkeit für rechtsabbiegende Lkw. Denn im vergangenen Jahr starben allein sechs Kinder auf Fahrrädern durch abbiegende Lkw.

Doch Marion Tiemann, Greenpeace-Verkehrsexpertin, hält die Forderung nach Schrittgeschwindigkeit für zu zaghaft. Stattdessen könnten verpflichtende elektronische Abbiegeassistenten und unterschiedliche Ampelschaltungen Abhilfe schaffen. Beim Mindestüberholabstand bemängelt Tiemann fehlende Möglichkeiten zur Kontrolle. Einzig die Erhöhung des Bußgeldes sei ein wichtiger Schritt. Um Radfahren jedoch wirklich sicher zu machen, müsse viel radikaler gedacht werden. „Der begrenzte Straßenraum muss vom Auto weg und hin zu Fußgängern und Radfahrern neu verteilt werden. Das geht nur mit einer echten Verkehrswende, statt mit dem Bluff eines helmtragenden Autoministers“, so Tiemann. mf


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