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Verfehlte VerkehrspolitikWeitere unsinnige Autobahnen drohen

Straßenschild der Beermannstraße. Dahinter an einem Balkon ist ein Banner gegen die A100 zu sehen.
In der Beermannstraße im Berliner Stadtteil Alt-Treptow sollen bald ganze Häuser abgerissen werden, um Platz für den im Bau befindlichen 16. Bauabschnitt der A100 zu schaffen. (Foto: Autorenkollektiv (talk), WikiCommons, CC BY-SA 3.0)  

Trotz erheblicher Beeinträchtigungen für Klima, Umwelt und Anwohner hält der Bund am Bau vieler Fernstraßen fest. Kostengünstige und umweltschonende Alternativen werden dabei außer Acht gelassen. Exemplarisch dafür stehen drei Projekte.

12.02.2021 – 2016 wurde er beschlossen, der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030. Verantwortlich ist das Bundesverkehrsministerium, dass bis 2030 über 1.000 neue Fernstraßen in ganz Deutschland errichten will. Vorrangiges Ziel sei die Vermeidung von Staus, teilt das Verkehrsministerium mit. Doch die Notwendigkeit Treibhausgase im Verkehr zu reduzieren, die Umwelt zu schützen und klimafreundliche Alternativen zu schaffen, werden dabei außer Acht gelassen, kritisiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

In einer Analyse zeigt der BUND anhand von zwölf Autobahnen, wie Kosten zu niedrig angesetzt, europäisches Umweltrecht ausgehebelt sowie faire Öffentlichkeitsbeteiligung und Prüfungen von Alternativen verweigert werden. Als „Desaster um Dutzend“ beschreibt der BUND diese Projekte. Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND sagt: „Neue Autobahnen und autobahnähnliche Bundesstraßen sind nicht mehr zeitgemäß. Die breiten Proteste gegen den Bau der A49 durch den jahrhundertealten Dannenröder Wald haben diesen Konflikt deutlich aufgezeigt.“

Zu den vom BUND analysierten „Desastern im Dutzend“ gehören unter anderem der geplante Ausbau der A20 (mehr dazu hier) und viele weitere Autobahnen und Bundesstraßen in ganz Deutschland, die nur noch zu mehr Autos und größeren Staus auf den Straßen führen würden und dabei ökologisch und ökonomisch höchst bedenklich sind. Diese drei Projekte stehen exemplarisch für die Kritik des BUND.

1. Verfehlte Verkehrsplanung in der Stadt

Schon der 16. Bauabschnitt der Erweiterung der A100 in Berlin ist mit 473 Millionen Euro der teuerste jemals in Deutschland gebaute, gemessen an den Kosten pro Kilometer. Ursprünglich vorgesehen, sollte Berlins Innenstadt einmal eine Stadtautobahn umschließen. Von diesen Plänen wurde inzwischen Abstand genommen. Doch neben dem bereits im Bau befindlichen 16. Abschnitt von Neukölln nach Treptow ist ein 17. Bauabschnitt von Treptow nach Friedrichshain weiterhin fester Bestandteil der Planungen im Bundesverkehrswegeplan, obwohl die Mehrheit der politisch Verantwortlichen in Berlin nicht mehr hinter dem Verkehrsprojekt steht.

Der bislang fertigstellte Verlauf der A100 führt vielerorts direkt an Wohngebäuden entlang. Verkehrslärm und Luftverschmutzung sind eklatant. Mit der Erweiterung droht dies auch für die Bewohner im Osten der Stadt. Die Baukosten für den 17. Bauabschnitt werden auf weit über 500 Millionen Euro geschätzt. Das rot-rot-grüne Regierungsbündnis in Berlin hatte sich in ihrer Koalitionsvereinbarung gegen den Weiterbau der A100 ausgesprochen. Das Geld vom Bund würden sie wohl lieber für den Ausbau alternativer Mobilitätskonzepte verwenden. Doch der BVWP sieht in der Erweiterung der A100 einen vordinglichen Bedarf und stuft den 17. Bauabschnitt sogar schon als im Bau befindlich ein, obwohl noch keine konkreten Planungen seitens der Stadt bestehen.

2. Chemie-Lobby gegen lokale Bevölkerung

Auch die geplante A553 im Süden von Köln ist im BVWP 2030 als vordringlich eingestuft, obwohl ein endgültiges Planungskonzept noch in weiter Ferne liegt. Der BUND schätzt, dass die A553 allein durch den „Lobbysturm der regionalen Chemiewirtschaft“ in den vordringlichen Bedarf aufgenommen wurde. Die neue Autobahn soll die linksrheinische A555 bei Köln-Godorf mit der rechtsrheinischen A59 bei Köln-Lind verbinden. In Godorf und angrenzendem Wesseling befinden sich unter anderem eine Shell-Raffinerie, die erst kürzlich für erhebliche Umweltschäden sorgte, ein Chemiewerk der Degussa sowie weitere industrielle Einrichtungen. Für die Wirtschaft geht es darum, eine schnellere Verbindung in rechtsrheinische Industriegebiete zu schaffen.

Doch dafür müsste sogar eine neue Brücke oder Tunnel über oder unter dem Rhein gebaut werden. Die immensen Kosten für solch ein Projekt sind noch nicht absehbar. Zwar könnten mit einem Tunnel Konflikte um Naturschutzgebiete und Lebensraum zum Teil vermieden werden, doch aufgrund vieler Gefahrenguttransporte lehnt die Industrie dies ab. So würde die geplante Autobahn schützenswerte Naturräume durchziehensowie zu LärmundLuftverschmutzung für Anwohner führen. So droht die Stadt Niederkassel in zwei Teile zerschnitten zu werden. Ein breites Bündnis aus Bürgern und Politikern in der Region stellt sich gegen den Bau. Lediglich für die linksrheinische Chemie-Wirtschaft würden sich durch den Bau der A553 Vorteile ergeben. Für alle anderen droht eine zusätzliche Verkehrsbelastung.

3. Keine Lösung von Verkehrsproblemen

Die geplante Erweiterung der A98 im Süden Deutschlands ist aufgrund von angenommener Verkehrsentlastung teil der vordinglichen Bedarfsplanung im BVWP. Nördlich des Rheins soll die Autobahn von Waldshut-Tiengen bis nach Rheinfelden führen und dort an den bestehenden Verlauf der A98 angeschlossen werden. Damit soll der Verkehr in vielen Orten an der bestehenden Bundesstraße 34 entlastet werden. Doch der BUND hält dies für fragwürdig. Lediglich 12 bis 19 Prozent des Verkehrs durch diese Orte sei überregional. Mehr als 80 Prozent des Verkehrs hingegen sei regional und würde wohl nicht auf die weiter entfernte A98 wechseln.

Darüber hinaus sieht selbst der BVWP die Umweltfolgen des Baus der A98 als „hoch“ an. Die neue Trasse würde an einem Hang am Schwarzwald entlangführen. Die Planer des Bundes stellen das ökologisch wertvolle Gebiet unter „naturschutzfachlichen Vorbehalt“. Trotzdem treiben sie das Projekt weiter voran. Alternativen würden laut BUND keine Beachtung geschenkt. Der Umweltverband schlägt dagegen vor, die bisherige Bundesstraße passgenau auszubauen, etwa mit neuen Ortsumfahrungen. Auch eine Stärkung der parallel entlangführenden Hochrheinbahn durch Streckenausbau, Elektrifizierung und engeren Taktung könnten Verkehrsprobleme lösen.

Die Bundestagswahl könnte vieles ändern

Werner Reh, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Verkehr und Autor der Analyse „Desaster im Dutzend“ fordert: „Bei der 2022 anstehenden turnusmäßigen Überprüfung des Fernstraßenbedarfsplans muss eine Generalrevision dieser gigantischen Fehlplanung und der Startschuss für eine zukunftsfähige Mobilitätsplanung erfolgen.“ Nach der Bundestagswahl in diesem Jahr könnten die Verantwortlichkeiten im Bund und im zuständigen Bundesverkehrsministerium unter anderen Vorzeichen stehen.

Matthias Gastel Sprecher für Bahnpolitik und zuständig für Verkehrsinfrastruktur bei Bündnis 90/die Grünen im Bundestag sagt: „Immer neue Fernstraßenprojekte lösen keine Verkehrsprobleme. Sie verschärfen stattdessen die Klimakrise und heizen den Flächenfraß weiter an. Der BUND mahnt deshalb zu Recht eine grundlegende Kursänderung in der Verkehrsinfrastrukturpolitik an.“ Sollten die Grünen an einer künftigen Regierungskoalition beteiligt sein, würden sie gerne das Verkehrsministerium übernehmen, wie verschiedeneMedien berichten. Ein grundlegender Wandel in der Mobilitätspolitik des Bundes könnte Einzug halten. mf


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

bosch anke 13.04.2021, 08:14:35

Lohnt es den Grünen die Stimme bei der Bundestagswahl zu geben, da Sie doch das Verkehrsministerium in Hessen besetzen und die A49 nicht verhindert haben, obwohl das neue BMVI doch erst 202o in Kraft getreten ist.

energiezukunft 13.04.2021, 08:59:51

+37 Gut

Sehr geehrte Frau Bosch,

der aktuell gültige Bundesverkehrswegeplan (BVWP) wurde 2016 verabschiedet: https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/bundesverkehrswegeplan-2030-gesamtplan.pdf?__blob=publicationFile

Mit freundlichen Grüßen

die Redaktion


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