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ÖkozidFrankreich will Umweltsünder in Zukunft bestrafen

Karikatur zur französischen Atompolitik
Was zählt mehr – billiger Strom aus Atomkraft oder der Schutz von Leben und Umwelt? Der Bau des Druckwasserreaktors Flamanville am Ärmelkanal in der Normandie ist ein Desaster und ein Hochsicherheitsrisiko für Mensch und Umwelt. (Foto: Eva Stegen / Flickr / CC BY 2.0)

Das französische Parlament will den neuen Straftatbestand des „Ökozid“ durchsetzen. Umweltverschmutzung soll streng geahndet werden, mit Geldbußen bis hin zu Haftstrafen. Macron kündigt das als weiteren Schritt zur Bekämpfung der Klimakrise an.

20.04.2021 – Die französische Nationalversammlung hat sich aktuell für die Einführung des Straftatbestandes „Ökozid“ ausgesprochen. Damit sollen „harte Fälle von Umweltverschmutzung“ verfolgt und vor Gericht verhandelt werden. Auf den ersten Blick klingt das ganz gut: „Vorsätzliche, ernste und anhaltende“ Umweltverschmutzung soll in Frankreich strenger geprüft und bestraft werden. Wer Wasser, Luft oder Böden verschmutzt, müsste dann künftig mit einer Geldstrafe von bis zu 4,5 Mio. Euro bis hin zu zehn Jahren Haft rechnen, so die französische Umweltministerin Barbara Pompili gegenüber französischen Medien. Der Beschluss betrifft die nationale Gesetzgebung und gilt nur innerhalb des eigenen Landes.

Nicht alle Abgeordneten im französischen Parlament waren mit dem Vorstoß einverstanden. Vom rechten Flügel kam Kritik, man manifestiere damit eine Art „Strafökologie“ und verunsichere Unternehmen. Dabei sollte doch genau dies das Ziel sein – die großen Umweltverschmutzer zu einem ökologisch ausgerichteten Wandel zu zwingen.

Vom linken Flügel kamen eher Bedenken, dass die geplanten Maßnahmen zu lasch sein könnten und vor allem auslegbar – sie forderten, auch Umweltverschmutzung zu ahnden, die durch Fahrlässigkeit verursacht werde. Denn was zählt als willentliche und daher strafbare Umweltverschmutzung? Ein Umweltbericht der EU von 2020 nennt umwelt- und lebensbedrohliche Faktoren. Demnach ließen sich rund 13 Prozent der jährlichen Todesfälle in der EU auf Umweltfaktoren zurückführen, die laut EU-Umweltagentur mittels Beseitigung von Umweltrisiken verhindert werden könnten. Rund 400.000 Menschen pro Jahr sterben bspw. in der EU vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung.

Definition von Ökozid ist schwierig

Seit längerem gibt es Bemühungen von Klimaaktivisten und Juristen, schwere Umweltzerstörung international unter Strafe zu stellen und als neuen weltweit anerkannten Straftatbestand zu definieren, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als Ökozid verfolgt werden kann. Die Beweisführung wird schwierig. Wann wird Umweltverschmutzung zum Verbrechen – und müssten dann nicht viele Unternehmen ihre Tätigkeiten bereits heute einstellen oder komplett umstellen, da Umweltverschmutzung zu ihrem täglichen Geschäft zählt? Und ab wann ist eine lokale Umweltzerstörung so bedeutend, dass sie die internationale Gemeinschaft als Ganzes betrifft? Was ist willentlich, was fahrlässig, wie setzen Juristen die Definition an? Eine Ölpest im Atlantik durch einen havarierten Tanker, die Zerstörung von Arten durch Rodung von Wäldern, ein nuklearer GAU durch einen Tsunami oder ein Erdbeben oder auch mangelnde Sicherheitsvorkehrungen, wenn radioaktiv verseuchtes Wasser in Flüsse und ins Meer geleitet wird, die Verseuchung des Trinkwassers?

Ein Gericht in den Niederlanden hatte im Januar dieses Jahres ein Urteil gefällt, das den Ölkonzern Shell zu Entschädigungszahlungen wegen ausgelaufenem Öl und Umweltschäden in Nigeria verpflichtet. Die Klage war 2008 von einer Gruppe von Bauern eingereicht worden. Es war ein zäher Kampf und das Grundproblem weiterer Umweltzerstörung ist damit nicht gelöst. Die großen Umweltverschmutzer müssen sich wohl weiterhin keine großen Sorgen um weitreichende Konsequenzen machen, fürchten Klimaaktivisten.

Wahlkampf-PR statt echter Klimaschutz

Das Gesetz soll dem französischen Parlament nun im Mai zur Abstimmung vorgelegt werden. Findet es weiterhin mehrheitliche Zustimmung, wandert die Vorlage anschließend in den Senat.

In Frankreich hatte Präsident Emmanuel Macron bei der Einberufung des Bürgerrats Convention Citoyenne pour le Climat versprochen, dessen Empfehlungen direkt an das Parlament weiterzugeben oder den Bürgern in einem Referendum vorzulegen. Doch es zeigt sich immer mehr, dass die Forderungen für mehr Klimaschutz an vielen Stellen aufgeweicht wurden. „Make our planet great again“, hatte Macron gleich nach seiner Wahl vollmundig verkündet. Jetzt verliert sich das Bekenntnis in PR-Aktionen. Erst vor kurzem gab es den Vorstoß im französischen Parlament zum Verbot von kurzen Inlandsflügen, jedoch nur solche, die alternativ innerhalb von zweieinhalb Stunden auch mit der Bahn zurückgelegt werden könnten. Aus den ambitionierten Vorschlägen des Bürgerkonvents werden wohlklingende Scheinmaßnahmen gestrickt, die Macrons grünes Image ein Jahr vor den Wahlen aufpolieren sollen. na


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