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BundestagMehr Mitbestimmung beim Klima

Der Reichstag in Berlin. Sitz des Bundestags
Ein Klima-Bürgerrat könnte eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie, wie der im Bundestag, bedeuten. (Bild von Jeyaratnam Caniceus auf Pixabay)

Sie gehört zu den erfolgreichsten Petitionen, die je eingereicht wurden – fast 70.000 Menschen fordern einen Klima-Bürgerrat. Gestern fand die Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestags statt. Die Parteien beraten nun. Doch die Zeit drängt.

26.01.2021 – Innerhalb von 28 Tagen zeichneten fast 70.000 Menschen die Petition zur Einberufung eines bundesweiten Bürgerrates zur Klimapolitik mit. Die Petition gehört damit zu den 20 erfolgreichsten elektronischen Petitionen, die je beim Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht wurden. Die Initiative Klima-Mitbestimmung Jetzt hatte die Petition ins Leben gerufen, mit der Forderung, dass der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode einen Klima-Bürgerrat einberuft.

Wenn 50.000 Menschen eine Petition unterzeichnen, werden die Inhalte in der Regel im Petitionsausschuss angehört. Und gestern Nachmittag war es soweit. Enno Rosinger und Philipp Verpoort von der Initiative trugen die Forderungen der Petition vor und standen den Abgeordneten des Bundestags Rede und Antwort. „Die Anhörung im Petitionsausschuss war ein Etappensieg auf dem Weg zu mehr Mitbestimmung im Klimaschutz. Wir müssen unsere Demokratie lebendiger gestalten. Das Jahrhundertthema Klima können wir nur gemeinsam angehen“, sagten Rosinger und Verpoort im Anschluss an die Sitzung.

Ergänzung der repräsentativen Demokratie

Vor allem von Seiten der Abgeordneten Lisa Badum von den Grünen und Kerstin Kassner von der Linkspartei gab es Zustimmung. Stefan Thomae von der FDP dagegen trug den Einwand vor, dass Bürgerrate, in Form gewählter Abgeordneter in den Parlamenten, im Prinzip schon gegeben seien. Doch Rosinger und Verpoort erklärten, dass es ihnen mit einem Klima-Bürgerrat nicht um eine Ersetzung, sondern um eine Ergänzung der repräsentativen Demokratie gehe.

Darüber hinaus könnten in einem Bürgerrat die sozioökonomischen Verhältnisse in Deutschland viel besser abgebildet werden. Während 84 Prozent der Abgeordneten im Bundestag einen Hochschulabschluss haben, trifft dies nur auf 20 Prozent der Bevölkerung zu. Ein Klima-Bürgerrat soll dagegen ein Abbild der Gesellschaft darstellen. Per Los würden bis zu 150 Menschen ausgewählt, die nach Alter, Geschlecht, Wohnort, berufliche Qualifikation und weiteren Kriterien so zusammengesetzt werden, dass der Rat insgesamt repräsentativ für die Menschen in Deutschland steht. Das Losverfahren soll dabei transparent und für jeden nachvollziehbar ablaufen.

Dasselbe gilt für die Auswahl der Experten und Moderatoren, die die Bürger bei ihrer Entscheidungsfindung informieren und begleiten sollen. Verpoorten und Rosinger erklärten auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Hermann Färber, dass die Initiative selbst und unterstützende Umweltverbände darauf keinen Einfluss nehmen würden, sondern ein unabhängiges Gremium für die Auswahl der Experten zuständig sei.

Knackpunkt Verpflichtung

Ein weiterer wichtiger Punkt der Debatte im Petitionsausschuss war, inwieweit mögliche Empfehlungen eines Bürgerrates vom Parlament aufgenommen werden sollen. Eine rechtliche Verpflichtung, die Empfehlungen des Bürgerrates umzusetzen, ist verfassungsrechtlich nicht möglich, da Abgeordnete per Grundgesetz nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen sind. Faktisch jedoch handeln die Abgeordneten zumeist nach den Entscheidungen ihrer Fraktion.

Olaf Wißmann, Leiter des Referats Parlamentsrecht im Bundestag, warf bezüglich eines Bürgerrates ein, dass zwar keine rechtliche Verpflichtung bestehe, aber eine faktische, da es schwierig werden könnte, der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass man Empfehlungen nicht umsetze. Es sei laut Wißmann wichtig von Anfang darauf zu verweisen, dass Dinge möglicherweise nicht umgesetzt werden.

In Frankreich hatte Präsident Emmanuel Macron bei der Einberufung des dortigen Convention Citoyenne pour le Climat versprochen, deren Empfehlungen ungefiltert an das Parlament weiterzugeben oder den Bürgern in einem Referendum vorzulegen. Doch nun zeigt sich, dass die überraschend radikalen Forderungen für mehr Klimaschutz von Macron an vielen Stellen aufgeweicht wurden.

So wird es kein weiteres Tempolimit auf Autobahnen von 130 auf 110 km/h geben. Das geforderte Verbot von Inlandsflügen für Strecken, die innerhalb von vier Stunden mit dem Zug zu erreichen sind, wird auf eine Erreichbarkeit mit der Bahn von 2,5 Stunden beschränkt. Dazu sind Ausnahmen, wie Anschlussflüge vorgesehen. Auch sollen Vermieter nicht, wie vom Bürgerrat gefordert, zur Wärme-Sanierung ihrer Wohnungen verpflichtet werden. Zumindest gilt ab 2028 ein Verbot der Vermietung von schlecht gedämmten Wohnungen.

Auf Anfrage der energiezukunft erklärte Klima-Mitbestimmung Jetzt, dass die Entwicklungen in Frankreich Anlass bieten auf die Fraktionen im Bundestag zuzugehen und in Austausch über Wünsche, Hoffnungen und Sorgen zu gehen. Die Empfehlungen des Bürgerrates als Ganzes zu ignorieren oder auf die lange Bank zu schieben, würde der Demokratie insgesamt schaden.

Doch es bestehe nicht die Erwartung, dass die Empfehlungen eins zu eins umgesetzt würden. „Vielmehr erwarten wir, dass sich der Bundestag gegenüber den Empfehlungen responsiv verhält, das heißt die Empfehlungen entgegennimmt, kommentiert und in die parlamentarischen Beratungen einfließen lässt“, so die Initiative.

Zivilgesellschaft muss voranschreiten

Die Mitglieder des Petitionsausschusses werden nun über die Petition beraten. Angesichts der fortschreitenden Klimakrise drängt die Zeit indes. Unabhängig von einem vom Bundestag initiierten Bürgerrat, forderten Wissenschaftler von Scientists for Future daher kürzlich einen Klimarat aus der Zivilgesellschaft heraus zu initiieren.

Ein Klima-Bürgerrat müsste „seine Arbeit möglichst noch vor den Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung 2021 abgeschlossen haben“, so Scientists for Future, damit eine kommende Regierung auf Empfehlungen der Bürger zurückgreifen könne. Daher müssten zeitgleich zu Gesprächen mit Bundestag und Regierung, Vorbereitungen für einen zivilgesellschaftlichen Bürgerrat beginnen.

Klima-Mitbestimmung Jetzt unterstützt diesen Aufruf. Der in der Petition geforderte Zeitplan für einen Klima-Bürgerrat noch in diesem Jahr sei nicht mehr umsetzbar. Solche Verfahren müssten offiziell ausgeschrieben werden, was viele Monate in Anspruch nimmt. Rosinger und Verpoort forderten die Mitglieder des Petitionsausschusses daher explizit auf, diesen zivilgesellschaftlichen Bürgerrat zu unterstützen und deren Empfehlungen in der politischen Arbeit zu berücksichtigen.

„Dieser zivilgesellschaftliche Bürgerrat kann unsere öffentlichen Debatten zur Klimapolitik vor der Bundestagswahl entschieden bereichern. Dafür braucht es mediale und politische Aufmerksamkeit“, so Rosinger und Verpoort. In Frankreich etwa zeigten Umfragen, dass über zwei Drittel der Bevölkerung über die Arbeit des Convention Citoyenne pour le Climat Bescheid wussten. Auch jetzt ist die Debatte über die teilweise unzureichende Umsetzung der Maßnahmen groß. Macron schreckt dies indes nicht zurück. Er kündigte weitere Bürgerräte zu anderen Themen an. Auch ein europäischer Bürgerrat steht zur Debatte. mf


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Kommentare

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Thomas Bartsch-Hauschild 26.01.2021, 10:25:04

Buergerrat, eine Ergänzung zur Parlaments

Instanz der alleinigen Kompetenz Entscheidung über das gelingen der Energie Politik.

Ratgeber in der Energie Politik gibt es viele, allein schon deshalb ist eine Bürgerbeteiligung keine Mitbestimmung mit grossen Erfolgsaussichten verbal etwas ganz entscheidendes zu bewirken.

Die Vernunft ist nicht immer das bessere Argument, sondern wer die Macht hat ,der bestimmt immer was letztendlich geschieht

Michael Rother 02.02.2021, 00:43:51

Hallo, ich hoffe. dass die Parlamentsanbindung von Buergerraeten irgendwann mal im Grundgesetz geregelt wird. Aber, die Empfehlung ist schon mal der richtige Einstand. Die Grünen wollen nur eine beratende Alltagsexpertise, so das neue Grundsatzprogramm. Die Nachhaltigkeit sollte, wie in Schottland, gesetzlich abgesicherte werden. Die Kompromisse in Frankreich, außerhalb der Verfassungsergaenzung, scheinen doch substantieller zu sein, als von mir angenommen.

 

Grüße


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