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Extinction RebellionGegen die Macht der Kohlelobby

Das Haus der Wirtschaft mit Aktivsten von Extinction Rebellion davor.
Das Haus der Wirtschaft steht in Berlin-Charlottenburg. Extinction Rebellion blockierte die Straße vor dem Gebäude sowie Eingang und Büros. (Foto: Manuel Först)

Mehrere Stunden besetzte Extinction Rebellion gestern den Sitz des Braunkohleverbands DEBRIV. Der Branchenverband steht für seine intransparente Arbeit, Beeinflussung von Regierungsvertretern und Manipulation des öffentlichen Diskurses in der Kritik.

07.10.2020 – Das Haus der Wirtschaft in Berlin – nicht zu verwechseln mit dem Haus der deutschen Wirtschaft – ist nur wenigen ein Begriff. Hier sitzen vor allem regionale Branchenverbände, wie der Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg. Dabei beherbergt das Gebäude auch den DEBRIV, den Deutschen Braunkohle-Industrie-Verein, ebenfalls als Bundesverband Braunkohle bekannt. Mitglieder des Vereins sind die einschlägig bekannten Unternehmen, die in Deutschland Braunkohle abbauen und verstromen. LEAG, RWE, MIBRAG und weitere nehmen über den Braunkohle-Verband Einfluss auf Politiker und den öffentlichen Diskurs.

Im Rahmen einer erneuten „Rebellion Wave“ blockierten Aktivisten von Extinction Rebellion gestern Eingang und Büros des DEBRIV im Haus der Wirtschaft. Am frühen Morgen gelang es Aktivisten in das Haus einzudringen und aus den Büros des Braunkohleverbandes ein Banner zu hängen, mit der Aufschrift „Besetzt“. Gleichzeitig ketteten sich mehrere Menschen an Betonklötze, die Schlüssel verschickte Extinction Rebellion an die Parteizentralen von SPD und CDU, mit einer Einladung zu offenen und konstruktiven Gesprächen vor dem Haus der Wirtschaft. Dem Angebot kamen die Parteien nicht nach.

Diese Menschen haben einen langen Hebel und unglaublich viel Geld

Nichtoffene Gespräche zwischen Politik und Braunkohlelobby würden dagegen sehr häufig stattfinden, kritisierte Manon Gerhardt vom Presse-Team von Extinction Rebellion. „Diese Menschen haben einen langen Hebel und unglaublich viel Geld. Sie schaffen es in kürzester Zeit und über lange Strecken zahlreiche Gespräche mit maßgeblichen PolitikerInnen zu führen, sodass vorformulierte Wünsche und Vorschläge aus diesen Kreisen quasi eins zu eins in Gesetzesentwürfen münden“, so Gerhardt bei der Blockade am Haus der Wirtschaft.

Dabei verwies sie Beispielhaft auf das Jahr 2014, wo sich allein Vertreter von RWE nachweislich elfmal mit Regierungsvertretern trafen, darunter drei längere Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Bundesverband Erneuerbare Energie als Interessengemeinschaft der Branche hingegen erreichte nur vier Treffen mit Regierungsvertretern – keines davon mit der Kanzlerin. „Da verwundert es natürlich nicht, dass Gesetze immer wieder so formuliert werden, dass die Subventionen für die Kohle bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verlängert werden und wir zehn Jahre einen Deckel auf der Solarbranche hatten“, sagte Gerhardt.

Neben intransparenten Hinterzimmergesprächen versuchte der DEBRIV als Interessenverband der Braunkohlewirtschaft wiederholt den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen. 2016 deckte der gemeinnützige Verein Lobbycontrol auf, dass der Braunkohleverband hinter der vermeintlichen Bürgerinitiative „Unser Revier – Unsere Zukunft – An Rur und Erft“ steht. Nach außen hin gibt sich die Initiative unabhängig von RWE und wirbt für einen „fairen, sachlichen und konstruktiven Dialog“ um die Braunkohle. Doch Lobbycontrol ermittelte, dass das Postfach der vermeintlichen Bürgerinitiative dem DEBRIV und einem weiteren Interessenverband der Bergbauindustrie gehört.

Die Gründungsversammlung von „Unser Revier“ wurde derweil von George Milojcic eröffnet, damaliger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Braunkohle. Unterschriften unter die Vereinssatzung leisteten neben Milojcic zwei weitere Kohlelobbyisten. Uwe Maaßen und Claus Kuhnke sind noch immer Mitglieder der Geschäftsführung bei der DEBRIV. Neuer Vorsitzender des Vereins „Unser Revier“ ist indes Thomas Mock, der als Anwalt Bürgerinitiativen gegen die Windkraft vertritt. Lobbycontrol bezeichnet den Ansatz von „Unser Revier“ als Astroturfing. Damit gemeint ist das künstliche Nachahmen einer Bürgerbewegung oder Bürgerinitiative im Auftrag von Unternehmen, PR-Firmen oder politischen Institutionen.

Der Verband begegnet uns immer wieder als einflussreicher Lobbyverband der Kohleindustrie

„Der Verband begegnet uns immer wieder als einflussreicher Lobbyverband der Kohleindustrie“, teilte Christina Deckwirth von Lobbycontrol auf Anfrage der energiezukunft mit. Ein weiterer Vorstoß zur Beeinflussung des öffentlichen Diskurses kam 2018. Während die Kohlekommission intensiv tagte, beauftragte der DEBRIV ein Gutachten, dass eine hohe Anzahl Beschäftigter in der Braunkohlebranche suggerierte. Herausgestellt wurde, dass „35 Prozent aller Erwerbstätigen in der Elektrizitätsversorgung“ durch einen Kohleausstieg bedroht seien.

Das liest sich wesentlich schlimmer als der tatsächliche Anteil der Braunkohlebeschäftigten an den gesamten Erwerbstätigen in den Braunkohleregionen. So waren selbst im strukturschwachen Brandenburg 2015 nur 1,3 Prozent der Erwerbstätigen in der Braunkohlewirtschaft tätig, wie die Autoren des Buchs Klimaschmutzlobby aufzeigen. Auch an anderen Stellen rechnete der DEBRIV die Beschäftigenzahlen der Braunkohle schön. Sogar das Bundeswirtschaftsministerium verließ sich auf diese Zahlen. „Der DEBRIV gehört mit dieser fragwürdigen Lobbyarbeit zu der Klimabremser-Lobby in Deutschland, die in Deutschland einen schnellen Kohleausstieg zu verhindern versucht hat“, so Deckwirth.

Der Braunkohleverband selbst verurteilte die gestrige Aktion. Die Bundesregierung habe die Empfehlungen der Kohlekommission aufgegriffen und eine „gesellschaftlich breit legitimierte Grundlage für den Kohleausstieg“ geschaffen. Die Debatte in Folge des Kohleausstiegsgesetzes zeigt jedoch, dass es an gesellschaftlicher Legitimation fehlt. Vor allem die zweifelhaften Milliarden für RWE und LEAG stehen in der Kritik. Auch Extinction Rebellion wies mit der Blockade des DEBRIV auf die Intransparenz der Verhandlungen zwischen Regierung und Kohlekonzernen hin und fordert die Offenlegung der Berechnungsgrundlage für die Abfindungen in Höhe von insgesamt 4,3 Milliarden für RWE und LEAG.

Am späten Nachmittag blockierten die Aktivsten dann den Ort, der für die verfehlte Energiepolitik des Landes letztendlich die Hauptverantwortung trägt. Extinction Rebellion besetzte den Eingang des Bundeswirtschaftsministeriums. Das BMWi trage mit seiner Blockade Erneuerbarer Energien und einer absurd fossil-freundlichen Politik massiv zur Schädigung des Klimas bei, teilte Extinction Rebellion per Twitter mit. Peter Altmaier und Angela Merkel müssten endlich die existenzielle Bedrohung durch Klima- und ökologische Krse anerkennen und wirksame Maßnahmen einleiten. Manuel Först


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