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BraunkohleabbauPolen ignoriert Gerichtsentscheidung zum Tagebau Turów

Luftaufnahme einer Landschaft mit großem Loch (einem Braunkohletagebau)
Der Braunkohletagebau Turów liegt im Dreiländereck von Polen, Tschechien und Deutschland auf polnischem Gebiet in unmittelbarer Grenznähe. Aufgrund dieses Umstandes sind eigentlich grenzüberschreitende Konsultationen für die Genehmigung des Tagebaubetriebs nötig. Gerichte erklärten diese bereits mehrfach für unzureichend. (Bild: Eigene Aufnahme von Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Einer Klage folgend, entschied ein polnisches Gericht den Braunkohleabbau im Tagebau Turów sofort zu stoppen. Doch die polnische Regierung weigert sich dem nachzukommen. So sorgt der Tagebaubetrieb weiter für Gefahren für Mensch und Natur.

09.06.2023 – Vergangene Woche zeigten sich Umweltverbände und betroffene Gemeinden noch erfreut. Das Wojewodschafts-Verwaltungsgericht in Warschau hatte festgestellt, dass die Klage wegen einer unzureichenden Umweltverträglichkeitsprüfung rechtens war. Im Februar hatte die polnische Ministerin für Umwelt und Klima, Anna Moskwa, eine Verlängerung der Kohleförderungskonzession für den Braunkohletagebau Turów bis 2044 erlassen. Und das auf Grundlage einer nach europäischen Recht nötigen Umweltverträglichkeitsprüfung, die fehlerhaft war, wie Kritiker:innen des Tagebaus wiederholt anmerkten und letzte Woche auch das Verwaltungsgericht Warschau entschied.

Doch diese Woche dann Ernüchterung und Wut bei Gegnern des Tagebaus. Am Mittwoch zeigte sich Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in Turów und erklärte via Twitter: „Wir lassen sie Turów nicht schließen. Wir werden alles tun, die Mine bis 2044 betriebsbereit zu halten. Kein Gericht in Brüssel wird uns sagen, was Energiesicherheit ist.“ Hintergrund der Aussage sind Verfahren auf europäischer Ebene.

Fehlendes Trinkwasser und Risse an Häusern

Tschechien hatte im Februar 2021 Klage gegen den Weiterbetrieb des Braunkohletagebaus auf polnischem Gebiet vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Turów liegt in direkter Nachbarschaft zu den Grenzen Tschechiens und Deutschlands. Tschechien fürchtet auf um seine Trinkwasserversorgung. Untersuchungen hatten ergeben, dass die für den Tagebau nötige Absenkung des Grundwasserspiegels zu Verlust von Trinkwasser in der angrenzenden tschechischen Region Liberec führt. Eine nach EU-Recht erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung in Zusammenarbeit mit betroffenen Nachbarstaaten war laut tschechischer Anklage nicht vorhanden. Für den EuGH waren die Argumente stichhaltig genug, im Mai 2021 den sofortigen Stopp zum Schutz der Umwelt zu veranlassen, bis ein finales Urteil gefällt wird.

Schon dem widersetzte sich Polen und nahm Strafzahlungen von 500.000 Euro an jedem Tag in Kauf, an dem der Tagebau weiterbetrieben wird. Doch auch das ließ die polnische Regierung kalt. Im Februar 2022 brachte das EuGH eine Stellungnahme heraus, indem das EuGH darlegte, dass Polen klar gegen Unionsrecht verstoßen habe, da es die Genehmigung Turów ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (nach europäischem Recht) um sechs Jahre verlängert habe. Polen habe zudem gegen Unionsrecht verstoßen, weil es diese Genehmigung erst fünf Monate nach ihrem Erlass und zudem unvollständig an die Tschechische Republik übermittelt habe. Doch am selben Tag der Veröffentlichung der Stellungnahme einigten sich Polen und Tschechien außergerichtlich.

Betroffene Gemeinden und Umweltorganisationen warnten jedoch, dass die außergerichtlichen Vereinbarungen nicht ausreichend seien und kündigten ihrerseits Klagen an. So auch die Stadt Zittau auf deutschem Gebiet. Weniger als fünf Kilometer vom Zentrum Zittaus entfernt beginnt der Tagebau, Durch die Absenkung des Grundwasserspiegels senkt sich auch der Boden in der Umgebung ab. Zittau liegt in diesem sogenannten Senktrichter. Mehr als einen halben Meter könnte sich der Boden in der Stadt bis 2044 absenken. Schon jetzt sind Schäden an Häusern sichtbar. Risse ziehen sich an Wänden entlang.

Dringend nötige Transformation

Gemeinsam mit Greenpeace in Deutschland und Polen, der polnischen Organisation EKO-UNIA sowie der tschechischen Rechtsorganisation Frank Bold Society, legte Zittau in diesem Jahr Klage gegen den Weiterbetrieb vor dem Wojewodschafts-Verwaltungsgericht in Warschau ein, Die Klage, die vergangene Woche erfolgreich war und die die polnische Regierung wieder einmal ignoriert. Petra Kalenská, Anwältin bei Frank Bold, sagte: „Die Entscheidung des polnischen Gerichts zeigt, dass die Klagen gegen den Abbau in Turów begründet sind. Die vorgelegte Umweltverträglichkeitsprüfung der Betreibergesellschaft des Tagebaus PGE weist erhebliche Mängel auf. Es ist erforderlich, dass eine Prüfung vorgelegt wird, die das tatsächliche Ausmaß der Schäden beschreibt und Maßnahmen zur Vermeidung dieser Schäden enthält. Sonst kann der Abbau nicht fortgesetzt werden.“

PGE-Präsident Wojciech Dąbrowski sagte jedoch via Twitter, dass ein Betrieb von Turów bis 2044 für die Energiesicherheit Polens von entscheidender Bedeutung sei. Für Anna Meres von Greenpeace Polen hingegen gefährdet das Festhalten an Turów nicht nur den Klimaschutz, sondern auch Pläne für eine dringend nötige Transformation der Region um Turów und die Energiewende allgemein. „Stattdessen sollte ein System aufgebaut werden, das weitgehend auf erneuerbaren Energien und der Verbesserung der Energieeffizienz basiert. Die Regierung kämpft jedoch um jeden Preis dafür, am Ende der auf fossilen Brennstoffen basierenden Branche festzuhalten, trotz der Trends in der Energiewirtschaft und der damit verbundenen Kosten“, so Meres. mg


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