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EU-RechtWeitere Rechtswege gegen Braunkohleabbau in Turów beschritten

Erhöhter Blick auf Häuser, Bäume, Kohlekraftwerk und Tagebau
Das Kohlekraftwerk von Turów, links im Bild, und der Tagebau, im Hintergrund rechts, von Deutschland aus gesehen. (Bild: Neißehai, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 DE)

Tschechien und Polen haben ihren Streit um den Tagebau Turów beigelegt. Nun wählen weitere Betroffene des Kohleabbaus den Rechtsweg. Umweltorganisationen legen Beschwerde bei der EU ein und Zittau will Klage vor einem polnischen Gericht erheben.

11.11.2022 – Bei lediglich drei Enthaltungen stimmte fast der gesamte Stadtrat am Mittwochabend für die Einreichung einer Klage der Stadt gegen die Erweiterung des Braunkohleabbaus im polnischen Turów. Die Klage will Zittau beim Warschauer Wojewodschafts-Verwaltungsgericht einreichen. Einen entsprechenden Antrag hatte der Oberbürgermeister der Stadt, Thomas Zenker von der CDU, eingereicht. Der Tagebau liegt im Grenzgebiet zu Tschechien und Deutschland. Umweltauswirkungen des Tagebaus betreffen auch diese Länder.

Weniger als fünf Kilometer vom Zentrum Zittaus entfernt beginnt der Tagebau. Auf einer Fläche von rund 50 km2 wird dort Braunkohle abgebaut. Unmengen an Grundwasser müssen abgepumpt werden, damit der Tagebau nicht vollläuft. Dadurch senkt sich der Boden in der Umgebung ab. Auch Zittau liegt in diesem sogenannten Senktrichter. Mehr als einen halben Meter könnte sich der Boden in der Stadt bis 2044 absenken. Schon jetzt sind Schäden an Häusern sichtbar. Risse ziehen sich an Wänden entlang.

Zudem gibt es erhöhte Konzentrationen von Sulfat, Cadmium, Uran und Nickel im Grenzfluss zwischen Polen und Deutschland, der Neiße, die nachweislich aus dem Tagebau stammen. Auch die grenzüberschreitende Luftverschmutzung stellt ein Problem dar. Und in Tschechien fürchtet man um die Trinkwasserversorgung.

Klage gegen die Umstände der Genehmigung

Zittaus Oberbürgermeister Zenker indes betonte laut Radio Erzgebirge, dass sich die Klage nicht gegen den Kohleabbau an sich richte, sondern gegen die Umstände, die zur Genehmigung geführt hätten. Sowohl bei der Verlängerung der Konzession für den Bergbaubetrieb bis 2026 als auch bei einem laufenden Verfahren für die Verlängerung und Erweiterung des Tagebaus bis 2044 sei die Stadt Zittau nicht in ausreichendem Maße eingebunden gewesen.

Laut geltendem Recht der Europäischen Union müssen bei grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen entsprechende Konsultationen mit Nachbarländern durchgeführt werden. Zwar gab es Konsultationen, doch hatten diese keinen Einfluss auf die Verlängerung der Bergbaukonzession bis 2026. Auch fehlt für den Tagebau eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die europäischen Standards entspricht. Dies hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Stellungnahme Anfang des Jahres bereits offiziell festgestellt.

Hintergrund war eine entsprechende Klage Tschechiens gegen Polen vor dem EuGH gewesen. Doch zeitgleich mit der Stellungnahme wurde bekannt, dass sich die beiden Parteien außergerichtlich geeinigt hatten – auf Entschädigungszahlungen von 45 Millionen Euro, die Polen an Tschechien zahlen wird, um bereits entstandene und weitere mögliche Schäden auf tschechischer Seite zu beheben und vorzubeugen. Unter anderem geht es um eine im Bau befindliche Grundwasserbarriere auf polnischer Seite, die auf tschechischer Seite die Trinkwasserversorgung nicht gefährden soll.

Unwirksame Schutzmaßnahmen?

Doch die Rechtsorganisation Frank Bold, die betroffene Gemeinden in Tschechien juristisch unterstützt, warnte schon zum damaligen Zeitpunkt, dass bereits deutlich sei, dass die unterirdische Barriere nicht funktioniere und Wasser an anderer Stelle abfließe. Frank Bold berief sich dabei auf der Organisation vorliegende Dokumente, indem der Betreiber von Turów, die Polska Grupa Energetyczna (PGE), die entsprechenden Bedenken tschechischer Hydrologen bestätigte.

Wegen Zweifel an dieser und weiterer Schutzmaßnahmen legte die Frank Bold Society, gemeinsam mit weiteren Organisationen, darunter auch der Landesverband des Bund für Umwelt- und Naturschutz Sachsen, Ende Oktober Beschwerde gegen die polnisch-tschechische Einigung bei der EU-Kommission ein. „Die tschechische Regierung hat etwas zugestimmt, dass nach europäischen Recht illegal ist und seine Möglichkeiten verwirkt etwas dagegen zu unternehmen“, sagte Petra Kalenská, Rechtsanwältin bei der Frank Bold Society. Felix Ekardt vom BUND Sachsen wies bei der Verkündung der Beschwerde auf die Schäden an den Häusern in Zittau hin.

Unterstützung gab es aus dem Europäischen Parlament. Anna Cavazzini, Europaabgeordnete der Grünen aus Sachsen, sagte: „Der Tagebau Turów ist und bleibt ganz klar ein grenzüberschreitender Problemfall im Herzen Europas. Deshalb muss die EU-Kommission dringend bezüglich den ihr vorliegenden EU-Beschwerden tätig werden.“ Zur Klage Zittaus erklärte sie: „Es kann nicht sein, dass Europarecht - wie die Umweltverträglichkeitsprüfung - nicht eingehalten wird. Alle Bedenken und Informationsanfragen der Stadt Zittau müssen vollumfänglich beantwortet werden.“ mg


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