Menü öffnen

TurówDer Kampf gegen den Kohleabbau geht weiter

Blick auf einen Tagebau mit Kohlekraftwerk im Hintergrund
Der Braunkohletagebau Turów liegt im Dreiländereck von Polen, Tschechien und Deutschland. (Bild: Martin Mašek, WikiCommons, CC BY-SA 3.0)  

Der Weiterbetrieb des Braunkohletagebaus Turów ist illegal, sagt der Europäische Gerichtshof. Doch nach einer Einigung mit Polen zieht Tschechien seine Klage zurück. Die rechtlichen Mittel gegen den Weiterbetrieb sind damit aber nicht ausgeschöpft.

04.02.2022 – Im Streit um den Weiterbetrieb des Braunkohletagebaus Turów in Polen überschlagen sich die Entwicklungen. Gestern Mittag brachte der Europäische Gerichtshof (EuGH) seine lange erwartete Stellungnahme zu dem Fall heraus. Tschechien hatte im Februar letzten Jahres Klage gegen den Weiterbetrieb des Braunkohletagebaus auf polnischem Gebiet eingereicht, da Tschechien im Grenzgebiet zu Polen um seine Trinkwasserversorgung fürchtet. Das EuGH nahm die Klage im Mai 2021 an und verordnete einen sofortigen Stopp des Braunkohleabbaus in Turów. Doch dem widersetzt sich Polen, weshalb das EuGH Strafzahlungen verhängte, die die EU-Kommission inzwischen aus EU-Mitteln abzieht.

Der Generalanwalt des EuGH Priit Pikamäe erklärte in der Stellungnahme, dass Polen klar gegen Unionsrecht verstoße, da es die Genehmigung für den Abbau von Braunkohle im Tagebau Turów ohne Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (nach europäischem Recht) um sechs Jahre verlängert habe. Bergbaustätten einer dem Tagebau Turów ähnlichen Fläche, die ihrer Natur nach die Gefahr erheblicher Auswirkungen auf die Umwelt mit sich brächten, müssten demnach zwingend Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung sein. Polen habe zudem gegen Unionsrecht verstoßen, weil es diese Genehmigung erst fünf Monate nach ihrem Erlass und zudem unvollständig an die Tschechische Republik übermittelt habe.

Die Stellungnahme galt eigentlich als wegweisend für ein Urteil, das in den kommenden Monaten gefällt werden sollte. Richter:innen des EuGH orientieren sich im Normalfall an einer Stellungnahme des Generalanwaltes. Doch gestern wurde ebenfalls bekannt, dass Polen und Tschechien eine außergerichtliche Einigung erzielt haben und Tschechien seine Klage vor dem EuGh zurückziehen werde. Seit Monaten laufen bilaterale Gespräche zwischen den beiden Staaten für eine Beilegung des Konflikts.

Nun einigten sich die beiden Staaten auf Entschädigungszahlungen von 45 Millionen Euro, die Polen an Tschechien zahlen wird, um bereits entstandene und weitere mögliche Schäden auf tschechischer Seite zu beheben. Auch verpflichtet sich Polen regelmäßig Daten zum Braunkohletagebau zur Verfügung zu stellen und den Bau eines Erdwalls gegen Lärmbelästigung umzusetzen. Ebenfalls teil der Einigung ist, die künftige Funktionsfähigkeit einer im Bau befindlichen Grundwasserbarriere auf polnischer Seite zu gewährleisten, die auf tschechischer Seite die Trinkwasserversorgung nicht gefährden soll.

Das Wasser fließt vorbei

Doch die Rechtsorganisation Frank Bold, die betroffene Gemeinden in Tschechien juristisch unterstützt, warnt, dass schon jetzt deutlich sei, dass die unterirdische Barriere nicht funktioniere und Wasser an anderer Stelle abfließe. Frank Bold beruft sich dabei auf der Organisation vorliegende Dokumente, indem der Betreiber von Turów, die Polska Grupa Energetyczna (PGE), die entsprechenden Bedenken tschechischer Hydrologen bestätigt. Lauf dem Dokument wurden diese Informationen von den polnischen Behörden bereits im August 2021 eingeholt. Polen habe daher eine Vereinbarung ausgehandelt, obwohl sie wussten, dass die unterirdische Barriere nicht funktioniere, kritisieren die Anwälte von Frank Bold.

Die sächsische Europaabgeordnete Anna Cavazzini, macht indes Hoffnung, dass damit der Fall Turów auf europäischer Ebene noch nicht abgeschlossen ist. „Wenn Tschechien die Klage gegen Polen zurückzieht, ist das noch lange nicht das Ende im Fall Turów. Vielmehr ist es der Anfang für die EU-Kommission endlich ihrer Rolle als Hüterin der Verträge gerecht zu werden. Der Verstoß gegen EU-Recht wurde heute durch den EuGH bestätigt. Folgerichtig sollte die EU-Kommission jetzt Verantwortung übernehmen und ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen einleiten“, so Cavazzini auf Anfrage der energiezukunft. Cavazzini ist gewählte Abgeordnete aus Sachsen im Europäischen Parlament und verfolgt den Fall Turów intensiv, da auch ihre Heimat durch den Tagebau bedroht ist.

Polnisches Gerichtsurteil macht Hoffnung

Hoffnung macht auch ein weiteres Urteil eines polnischen Gerichts am Dienstag. Frank Bold und Greenpeace hatten vor einem Warschauer Gericht gegen das Verfahren geklagt, in dem die polnische Regierung mit sofortiger Wirkung eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Turów durchgeführt hatte. Die Kläger:innen beklagten die Geschwindigkeit, mit der die Umweltgenehmigung für den Tagebau angenommen wurde. Das übereilte UVP-Verfahren habe lokalen Bürger:innen und Organisationen praktisch das Recht verweigert, sich nach geltendem EU-Recht zu den Plänen zu äußern.

Und das Warschauer Gericht gab der Klage statt. Zwar geht das Urteil lediglich gegen die Art und Weise des Verfahrens und tastet nicht die erteilte Bergbaulizenz an sich an, doch für die Umweltaktivist:innen bedeutet die Entscheidung des Gerichts Rückenwind für weitere Klagen. Die Entscheidung bremse die Pläne von PGE aus, die Bergbaulizenz von Turow bis 2044 zu verlängern, so Hubert Smolinski, Rechtsanwalt bei Frank Bold. „Wir werden nun von unserem Recht Gebrauch machen gegen die weiteren Pläne gerichtlich vorzugehen.“ mf


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft