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Studien: Materialflüsse verschieben sich

Analysen von Materialflüssen und ihre Wechselwirkung mit Gesellschaft und Umwelt sind bedeutsam für die Industrien von morgen. Ein Bündel von Studien untersucht genau dies und umreißt so die „Industrielle Ökologie“ als interdisziplinäre Wissenschaft.

24.05.2015 – Analysen weltweiter Materialflüsse und ihrer Wechselwirkung mit Gesellschaft und Umwelt – man könnte dieses Themengebiet als „Industrielle Ökologie“ bezeichnen. Sie vereint unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen und beschäftigt sich unter anderem mit der Frage: Wie wird der materielle Bedarf der Wirtschaft von morgen aussehen? Antworten darauf sind wichtig, denn ein Umbau von ganzen Industrien und Systemen, beispielsweise des Energiesystems, bedeutet eine fundamentale Veränderung vieler Stoffflüsse.

„Wenn wir unsere gesamte Energieerzeugung umbauen, um den Ausstoß von Treibhausgasen deutlich zu verringern, so wird das kein Spaziergang“, sagt Sangwon Suh von der Bren School of Environmental Science & Management der Universität von Kalifornien in Santa Barbara. „Wird zum Beispiel die Produktion erneuerbarer Energien hochgefahren, so werden viel größere Mengen bestimmter Metalle benötigt als heute. Um einen möglichst reibungsarmen Übergang zu einer CO2-freien Energie-Zukunft hinzukriegen, müssen wir also das materielle Bild unserer Wirtschaft neu zeichnen.“ 

Nur mit einer umfassenden Veränderung unserer bebauten Umwelt – Städte, Verkehrssysteme, Stromerzeugung – kann dauerhaft ein Wandel zur Nachhaltigkeit erreicht werden. Das ist eines der Ergebnisse eines ganzen Bündels von Studien, die als Sonderteil in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen sind. Die Themen reichen dabei von den Effekten der Verstädterung bis zur materiellen Basis moderner Gesellschaften. Es ist Grundlagenforschung für Entscheidungsträger.

„Kleinteiliges Klempnern wird nicht genügen, um die Risiken zu reduzieren“, sagt Helga Weisz, Herausgeberin des Sonderteils. „Unser Ausstoß von Treibhausgasen und der daraus resultierende Klimawandel sind hier das beste Beispiel. Wenn Nachhaltigkeit das Ziel ist, dann brauchen wir eine neue industrielle Revolution. Die des 19. Jahrhunderts hat auf fossilen Brennstoffen und hohem Materialdurchsatz beruht, die des 21. Jahrhunderts hingegen würde sich auf emissionsfreie Energiesysteme und geschlossene Stoffkreisläufe gründen.“ Hierfür könne der Weltklimagipfel in Paris Ende des Jahres eine Grundlage schaffen.

Die Studien zeigen, dass heute gebaute Infrastruktur den Verbrauch von Energie und Material auf Jahrzehnte hin festlegt – wenig verdichteter Städtebau etwa macht öffentliche Transportsysteme unwirtschaftlich. Deshalb zeigen die Untersuchungen auf, in welchen Bereichen unter welchen Bedingungen ein Umbau welche Wirkung hätte. So heißt es in einer der Studien, dass ein weltweiter Wechsel zu erneuerbaren Energien bei gleichbleibenden oder verringerten Umweltauswirkungen doppelt so viel Stromerzeugung erlauben würde wie heute. Zugleich würde aber etwa für die vielen dezentralen Anlagen erheblich mehr Zement und Aluminium gebraucht.

Die in Städten benötigte Energie könne mit geeigneten Maßnahmen bis 2050 um mehr als 25 Prozent verringert werden, zeigt eine andere Studie – ohne entsprechende Maßnahmen würde sich der Energiebedarf dagegen verdreifachen. Städte in den Entwicklungsländern Asiens, Afrikas und im Nahen Osten haben bei Weitem das größte Potenzial für Energie-Einsparungen. Hier kommt es auf die Raumplanung und auf den Aufbau öffentlicher Verkehrssysteme an, während in Industrieländern höhere Benzinpreise in Kombination mit der Stadtanlage wichtiger sein können. Die Forscher haben 274 Städte modelliert, von Hamburg bis Dar Es Salaam in Tansania, und haben dabei acht Typen der Urbanisierung identifiziert. Jeder dieser Typen braucht auf ihn zugeschnittene Maßnahmen für Klimaschutz, um die Wirkung zu maximieren. Städte haben eine Schlüsselbedeutung, weil sie drei Viertel der Energie weltweit verbrauchen.

Es ist mehr als zwanzig Jahre her, dass PNAS eine ähnliche Zusammenstellung von einschlägigen Studien in diesem Forschungsfeld veröffentlicht hat. Zum damaligen Zeitpunkt mussten die Studien größtenteils ohne detaillierte Daten auskommen und waren eher konzeptionell, während die jetzt erscheinenden Werke den Stoffwechsel der Gesellschaften quantitativ erfassen. Die PNAS-Studie untersucht Materialflüsse und Wechselwirkungen und umreißt so die „Industrielle Ökologie“ zum ersten Mal als Grenzen überschreitende Wissenschaft. „Die physische Grundlage der modernen Gesellschaft zu verstehen und zu quantifizieren, das ist ein zentrales Element der Nachhaltigkeit,“ sagt Thomas E. Graedel von der Yale School of Forestry & Environmental Studies, auch er ist einer der Ko-Herausgeber. „Diese Herausforderung anzugehen, ist eine der zentralen Aufgaben der Forschung zur industriellen Ökologie.“ rr


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