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BraunkohleTschechien zieht gegen Polen vor Gericht

Blick über den Braunkohletagebau Turow mit angrenzendem Grünem Gebiet.
Der Braunkohletagebau Turów nimmt immer mehr Landschaft ein. (Bild: MEDIA WNET, flickr, CC BY-SA 2.0)   

Erstmals in der Geschichte der EU verklagt ein Mitgliedsstaat einen anderen wegen Umweltproblemen. Tschechien zieht gegen Polen vor ein europäisches Gericht. Der grenznahe polnische Braunkohletagebau in Turów ist der Grund für die Klage.

24.02.2021 – Sie bahnte sich an, die Klage der tschechischen Regierung gegen die Fortführung des Braunkohletagebaus Turów auf polnischem Gebiet. Im vergangenen Jahr legte Tschechien Beschwerde gegen Polen vor der EU-Kommission ein, da die polnische Regierung die Konzession für den Bergbau in Turów eigenmächtig bis 2026 verlängert hatte, ohne die Nachbarstaaten Tschechien und Deutschland mit einzubeziehen. Im Westen grenzt der Tagebau an Deutschland, im Osten und Süden an Tschechien und hat damit immense Auswirkungen auf die Umwelt der Nachbarländer. Die EU-Kommission gab der Beschwerde in weiten Teilen Recht.

Dies gibt Tschechien nun die Möglichkeit vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Bevor ein Mitgliedsstaat einen anderen anklagen kann, muss sich die Kommission mit dem Fall beschäftigen. Am Montag teilte das tschechische Außenministerium mit, Anklage zu erheben. Außenminister Thomas Petricek erklärte, man habe vergeblich versucht eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Damit verklagt erstmals ein EU-Mitgliedsstaat einen anderen wegen Umweltproblemen.

Die Entscheidung der Regierung Klage gegen Polen einzureichen, ist eine große Erleichterung für uns

Milan Starec, Bewohner der Region Liberec

Laut einer Studie führt die Absenkung des Grundwasserspiegels für den Tagebau in Turów zu Verlust von Trinkwasser in der angrenzenden tschechischen Region Liberec. Milan Starec, ein Bewohner der Region sagte gegenüber der NGO Europe Beyond Coal: „Die Entscheidung der Regierung Klage gegen Polen einzureichen, ist eine große Erleichterung für uns, die in unmittelbarer Entfernung zu der Mine leben. Allein 2020 fiel der Grundwasserspiegel in der Region um acht Meter. Das ist doppelt so hoch wie PGE erst für das Jahr 2044 prognostiziert hat.“ PGE ist der zuständige Energiekonzern für den Tagebau Turów, der mehrheitlich im Staatsbesitz ist.

Eine weitere Studie belegt, dass auch die deutsche Stadt Zittau von den Grundwasserabsenkungen betroffen ist. Mehr als einen halben Meter könnte sich der Boden in Zittau bis 2044 absenken. Dazu gibt es ebenfalls eine offizielle Beschwerde von deutscher Seite bei der EU-Kommission, die aktuell geprüft wird. Weitere Analysen zeigen, dass die Luftverschmutzung durch den Tagebau Turów grenzüberschreitend zu gesundheitlichen Schäden bis zum vorzeitigen Tod führen kann.

Laut geltendem Recht der Europäischen Union müssen bei grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen auch entsprechende Konsultationen mit Nachbarländern durchgeführt werden. Zwar gab es Konsultationen, doch hatten sie keinen Einfluss auf die Verlängerung der Bergbaukonzession bis 2026. Auch fehlt für den Tagebau eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die europäischen Standards entspricht. In diesem Falle ist bereits ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren anhängig, da Polen die Richtlinie der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß in polnisches Recht umgesetzt hat.

Polens wachsende irrationale Unterstützung für Kohle schädigt nicht nur die Gesundheit und Trinkwasserversorgung und verschlimmert die Klimakrise, sie isoliert uns auch von unseren Freunden und Nachbarn

Anna Meres, Climate and Energy Campaignerin bei Greenpeace Polen

Für Anna Meres, Climate and Energy Campaignerin bei Greenpeace Polen, ist es kein Wunder, dass das Verfahren nun vor den Europäischen Gerichtshof geht. „Polens wachsende irrationale Unterstützung für Kohle schädigt nicht nur die Gesundheit und Trinkwasserversorgung und verschlimmert die Klimakrise, sie isoliert uns auch von unseren Freunden und Nachbarn“, so Meres. Dabei befürworten inzwischen 78 Prozent der polnischen Bevölkerung einen Kohleausstieg bis 2030, sagte Meres weiter. Kerstin Doerenbruch von Greenpeace in Berlin appelliert derweil an die deutsche Bundesregierung, der tschechischen Klage gegen Polen beizutreten und sich gemeinsam dem Ausbau des Braunkohletagebaus in Turow entgegenzustellen. mf


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