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Die Energiewende hat keine Zeit mehr

Pressekonferenz zum Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) in Berlin. (Foto: Manuel Först)
Pressekonferenz zum Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) in Berlin. (Foto: Manuel Först)

Um die Klimaziele noch zu erreichen ist eine Sektorenkopplung von Strom, Wärme und Verkehr in Verbindung mit einem einheitlichen CO2-Preis unverzichtbar für eine nachhaltige Energiewende, stellt das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ fest.

15.11.2017 – Deutschland werde seine Klimaziele deutlich verfehlen, wenn es weitergehe wie bisher, mahnte Prof. Eberhard Umbach bei der Vorstellung einer Stellungnahme von acatech, Leopoldina und Akademienunion zur Sektorenkopplung und den Optionen für die nächste Energiewende gestern im dbb forum in Berlin. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Umbach von acatech und Prof. Hans-Martin Henning vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE erstellte einen 200-seitigen Bericht mit dem Ziel, für eine Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Verkehr zu werben, hin zu einer dominierenden Versorgung mit Strom aus regenerativen Quellen. Prof. Karen Pittel, Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und erschöpfbare Ressourcen, sprach sich zudem für einen einheitlichen CO2-Preis als zentrales Steuerungselement aus.

Energiesystem ohne fossile Energieträger

Durch neue Anwendungen im Wärme- und Verkehrssektor könnte sich der Stromverbrauch bis 2050 fast verdoppeln, so die Forscher. Dadurch steigen die Anforderungen an das Energiesystem: Die Kapazitäten der Windkraft- und Photovoltaikanlagen müssten gegenüber heute auf ein Fünf- bis Siebenfaches anwachsen. Kurz- und Langzeitspeicher sowie flexible Stromnutzungsmodelle müssten die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne ausgleichen. „Was wir bisher an Erneuerbaren Energien haben wird bei weitem nicht ausreichen. Wir werden drastisch zubauen müssen“, legte Umbach eines der zentralen Forderungen der Stellungnahme zugrunde. Während der Ausbau von Wasserkraft und Biomasse begrenzt sei, stellen Windkraft und Photovoltaik die zentralen Pfeiler für die zukünftige Energieversorgung dar. Henning hält daneben auch synthetische Energieträger in Zukunft für unverzichtbar: „Vor allem im Warenverkehr werden synthetische Brenn- und Kraftstoffe in Zukunft ein wichtiger Pfeiler des Energiesystems sein.“ Insbesondere bei Schiffen und Flugzeugen seien rein elektrische Lösungen in Zukunft schwer umsetzbar. Wasserstoff werde wohl hier ein Element für die Zukunft sein, der im Verkehr, aber auch in Industrieprozessen, vermehrt Einsatz finden sollte.

Forderung nach einheitlichem CO2-Preis

Für Pittel wird die Sektorenkopplung bislang mehr verhindert als gefördert. „Eine output-orientierte Einheitsbepreisung für Strom muss einem Input-orienterten Vorgehen weichen“, so Pittel. Ein zentrales Steuerungselement dieser Vorgehensweise sei vor allem ein einheitlicher CO2-Preis für alle Emissionen. Damit einhergehend würden fossile Energieträger endlich teurer werden. „Nur dann kann sich regenerativ erzeugter Strom auch am Markt gegen fossile Energieträger durchsetzen, und klimaschonende Technologien können sich etablieren.“ Es gebe bislang zu viele Gesetze und Regelungen hinsichtlich einer CO2-Bepreisung. „Ein einheitlicher CO2-Preis könnte allen Parteien schmecken“, so Umbach.

Das Akademienprojekt ESYS schlägt also vor, das europäische Emissionshandelssystem auf alle Sektoren auszuweiten und einen Preiskorridor festzulegen. Gelingt dies nicht, könnte eine europaweite oder nationale CO2-Steuer eingeführt werden. Durch diese Maßnahmen wäre die Entwicklung der CO2-Preise besser planbar und würde Unternehmen verlässliche Anreize geben, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Gleichzeitig sollte das bestehende System an Umlagen, Abgaben und Steuern reformiert und verschlankt werden.

Trotz der Forderung nach einem massiven Ausbau Erneuerbarer Energien betonten die Experten auch, dass sie gewisse Reservekapazitäten für notwendig halten um vor allem die Versorgung in „Kalt-Dunkelflauten“ abzusichern. Neben Kurz- und Langzeitspeichern müsse dies auch durch konventionelle Kraftwerksparks gewährleistet werden. Aber auch hier gebe es emissionsarme Lösungen wie Gas im Gegensatz zur Kohle.

Für Henning rückt die gesellschaftliche Akzeptanz in den Vordergrund. „Der Bürger muss ökologischer werden“, fordert der Leiter des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme. „Die Energiewende hat keine Zeit mehr“, schloss Umbach das Gespräch. mf


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