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Klimaklage





Globale PlastikkriseOzeane schwimmen in fossilem Müll

Fisch mit Plastik am Strand
Die planetare Plastikkrise der Ozeane muss gestoppt werden. (Bild: Nataliya Vaitkevich / Pexels)

Die Weltmeere versinken im Plastikmüll. Viele Gebiete haben kritische Verschmutzungswerte längst überschritten. Doch die Vermüllung geht weiter. Eine Meta-Studie zeigt nun Ausmaß und Auswirkungen der globalen Plastikkrise unserer Ozeane.

10.02.2022 – Eine Metastudie des Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Auftrag der Umweltschutzorganisation World Wildlife Foundation (WWF) analysiert die Plastikverschmutzung der Weltmeere. Untersucht wurden 2.592 Studien zum Ausmaß der maritimen Plastikkrise. Die meisten der analysierten Studien sind im AWI-Projekt Litterbase – Müll im Meer zusammengefasst. Plastik ist demnach bereits in fast alle Lebensbereiche der Meeresbewohner vorgedrungen und die Vermüllung nimmt weiter zu. Forscher und UNO sprechen von einer planetaren Bedrohung der marinen Ökosysteme.

Plastik durchdringt alles

Ökosysteme reagieren empfindlich auf die Plastikverschmutzung: Meerestiere verfangen sich im Plastikmüll, nehmen ihn zu sich, oder verlieren ihren Lebensraum. Denn Plastikschichten können die Versorgung mit Sauerstoff, Licht oder Nahrung verhindern. Es wurde beobachtet, dass Korallen und Mangroven weniger produktiv sind, Meerestiere sich verletzen, Bewegungseinschränkung erleiden oder verenden. Manche verändern ihre Nahrungsaufnahme und ihr Fortpflanzungsverhalten, zeigen Immunreaktionen oder veränderte Zellfunktionen. Besonders kritisch sind hier die kleinsten Plastikpartikel. Denn giftige, hormonell wirksame und langlebige Schadstoffe können in Körperzellen und teilweise sogar das Gehirn eindringen. Sogenannte organische Schadstoffe wie polychlorierte Biphenyle, besser bekannt als PCB, sind zudem extrem stabil. Sie schädigen Ökosysteme nachhaltig und weit entfernt vom Ort der Vermüllung, da sie nicht abgebaut werden.

Das Plastik im Meer zersetzt sich von Makroplastik zu Mikroplastik und weiter zu Nanoplastik. Durch die große Menge an Plastikmüll im Ozean wird sich die Menge an Mikroplastik, das bereits von den kleinsten Lebewesen aufgenommen wird, noch jahrzehntelang weiter erhöhen. Das Mikroplastik in den Weltmeeren würde sich durch die bereits herumschwimmenden Müllmengen innerhalb der nächsten 30 Jahre sogar dann noch mindestens verdoppeln, wenn kein weiteres Plastik mehr hinzukäme. Die Zersetzung erschwert eine Entmüllung der Meere enorm. Viele Meeresregionen haben kritische Verschmutzungswerte bereits so weit überschritten, dass die Forscher von erheblichen ökologischen Risiken ausgehen.

Die Analyse des AWI zeigt, dass Plastik in beinahe alle Lebensformen im Meer eingedrungen ist. Forscher beobachteten bei fast 90 Prozent der untersuchten Arten konkrete negative Auswirkungen durch Plastikmüll. Es konnte zudem nachgewiesen werden, dass Plastikpartikel über die Nahrungsketten nach oben wandern und auch in den menschlichen Organismus gelangen. Die genauen Auswirkungen der Plastikverschmutzung auf den Menschen sind allerdings noch unklar. In Fallstudien entwickelten verschiedene Lebewesen jedoch erhebliche Verhaltensstörungen. Forscher gehen deshalb davon aus, dass das gesamte Ökosystem durch Mikroplastik beeinträchtigt wird.

Fossiler Müll

Die Plastikproduktion und damit auch der Plastikmüll nimmt seit Jahren zu. Besonders in den letzten beiden Jahrzehnten wurde sprunghaft mehr Plastik produziert. Zwischen 2003 und 2016 wurde so ebenso viel Plastik hergestellt wie in der gesamten Zeit seit seiner Erfindung. Zusammen wiegt alles Plastik, das jemals produziert wurde, schon heute mehr als doppelt so viel wie die Gesamtmasse aller Land- und Meerestiere. Über die Hälfte davon ist bereits zu Müll geworden.

Es ist unklar, wie viel des Mülls bereits in den Ozeanen schwimmt. Wissenschaftliche Schätzungen gehen teilweise weit auseinander. Grob nehmen Forscher an, dass sich 86 bis 150 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren befindet. Jede Minute kommen dabei fast zwei LKW-Ladungen Plastikmüll hinzu. Das entspricht etwa 19-23 Millionen Tonnen Plastikmüll, der pro Jahr in die Meere geleitet wird.

Die Plastikproduktion wird von verschiedenen Seiten angeheizt und sie hat eine große Lobby. Fossile Unternehmen suchen neue Absatzmärkte, auch da die Nachfrage nach fossilen (Brenn-)Stoffen zur Energiegewinnung abnimmt. Große Konzerne wie BP wollen deshalb den Kunststoffmarkt forcieren und ihre Plastikproduktion steigern. Marktprognosen der Internationalen Energieagentur lassen vermuten, dass die Petrochemie bis 2050 bis zu 50 Prozent des Wachstums der Ölnachfrage ausmachen wird. Forscher erwarten, dass sich die Kunststoffproduktion bis 2040 mehr als verdoppeln und die Plastikvermüllung der Meere verdreifachen wird.

Nachhaltiger Meeresschutz

Zu den Grundproblemen der Verschmutzung gehören billige Produkte, die schnell entsorgt und damit zu Müll werden. Einwegplastik, besonders Verpackungen, sind der wahrscheinlich größte Müllfaktor. Zu den ambitionierten Plastikabnehmern gehört jedoch auch die Modeindustrie, deren Trend hin zu Fast-Fashion vor allem durch Plastikstoffe ermöglicht wird. Für die Klimakrise ist zudem nicht nur der Plastikmüll, sondern auch die Plastikproduktion ein CO2-schweres Problem.

Neben der Plastikverschmutzung bedrohten auch andere menschengemachte Faktoren wie die Klimakrise, die Versauerung der Ozeane, Überfischung, Sauerstoffmangel, Lärm, Ausbreitung fremder Arten und Zerstörung von Lebensräumen die marinen Ökosysteme, so die Forscher der Studie. Maßnahmen zum Schutz der Ozeane sollten nicht isoliert, sondern ganzheitlich betrachtet werden. Der WWF fordert Regierungen weltweit auf, die globale Plastikkrise gemeinsam zu stoppen. jb

 

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