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BraunkohleSchwelende Konflikte um Tagebauseen in Ost und West

Einlauf für die Flutung eines Tagebaus
Einlaufbauwerk Lakoma zur Befüllung des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord: Im vergangenen Sommer keine Flutung der künftigen Cottbuser Ostsee (Bild: Manuel Grisard)

Die Pläne sind groß, die Probleme ebenso – die großflächige Flutung ehemaliger Tagebaue ist für RWE und die Leag die günstigste Lösung, während Natur und Mensch erheblichen Risiken ausgesetzt sind.

20.12.2023 – Es ist ein Thema, dass angesichts zunehmender Auswirkungen der Klimakrise in Deutschland an Bedeutung gewinnt: Wie umgehen mit ehemaligen Braunkohletagebauen im rheinischen Revier und in der Lausitz? RWE im Westen und die Leag im Osten verfolgen weiterhin die für sie günstigste Lösung großflächiger Flutungen ausgekohlter Gruben. Doch das erscheint nicht nur aufgrund zunehmender Wasserknappheit in Folge von Hitze und Dürre, ein problematisches Unterfangen, auch Rutschungen an bereits gefluteten oder in Flutung befindlichen Tagebauen sorgen für Schwierigkeiten, ebenso wie umweltschädliche Stoffe.

Ob am Graureihersee, Knappensee, Altdöberner See, Bergener See oder Senftenberger See – an vielen ehemaligen DDR-Tagebauen, die teils über Jahrzehnte geflutet wurden, gab es Rutschungen, sogenannte „Setzungsfließen“. Der Boden der Lausitz besteht an vielen Stellen aus Sandkorn, das sich aufgrund seiner runden Beschaffenheit schwer mit anderen Körnern verhakt. Seit es am ehemaligen Tagebau Spreetal zu einer verheerenden Rutschung auf fast zwei Kilometer Länge und 600 Meter Breite gekommen war, sperrte die für die Rekultivierung der ehemaligen DDR-Tagebaue zuständige Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft – kurz LMBV – zehntausende Hektar Fläche an Tagebauseen und angrenzenden Landflächen.

Inzwischen hat die LMBV das Verfahren der sogenannten „schonenden Sprengverdichtung“ entwickelt. Im Boden werden dazu kleine Sprengsätze gezündet, die wortwörtlich dafür sorgen sollen den Boden zu verdichten und vor weiteren Rutschungen zu bewahren. Ende 2024 soll dieses Verfahren als Regeltechnologie anerkannt werden. Laut LMBV könnten dann fast 80 Prozent der gefährdeten Flächen bearbeitet und in den nächsten 15 bis 20 Jahren wieder freigegeben werden – Kosten: rund 3 Milliarden Euro. Die verbleibenden rund 20 Prozent der Flächen aber müssen weiter gesperrt bleiben. „Das ist ehrlich, aber auch bedrückend. So etwas darf sich beim privatisierten Bergbau nicht auf Kosten der Allgemeinheit wiederholen“, sagt der Braunkohlenexperte der Grünen Liga, René Schuster.

Auch der private Bergbaubetreiber, die Leag, setzt bereits die großflächige Flutung ehemaliger Tagebaue um und plant dies auch für weitere noch aktive Braunkohlegruben. Während in der Vergangenheit Rutschungen teilweise die Folge übermäßiger, starker Regenfälle waren, machen nun zunehmende Dürreperioden den Restseeplanungen zu schaffen. Die Flutung des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord durch Wasser aus der Spree, sollte den ursprünglichen Plänen der Leag nach eigentlich bis Mitte des Jahrzehnts abgeschlossen sein. Zwar wurde aufgrund starker Schnee- und Regenfälle zuletzt wieder deutlich mehr Wasser in das Loch eingelassen, infolge langer Dürreperioden und Hitze jedoch, war die Flutung lange Zeit ausgesetzt und verlor durch Verdunstung sogar Wasser. Ein wiederkehrendes Problem, im von Trockenheit besonders bedrohten Osten Deutschlands. An eine Flutung bis Ende 2025 glauben die wenigsten.

Die fehlende stetige Flutung sorgt auch am künftigen Cottbuser Ostsee für gefährliche Rutschungen, wie im März 2022 und in diesem Jahr bereits an zwei Stellen. „Bei der Sicherung der Böschungen wurden Risiken, wie eine unregelmäßige Flutung, offensichtlich unterschätzt“, so Schuster im Gespräch mit der energiezukunft. In aktiven Tagebauen wird Grundwasser abgepumpt, um die Gruben für den Kohleabbau trocken zu halten. Werden die Pumpen nach Beendigung des Tagebaus abgestellt, steigt das Grundwasser wieder an und füllt die Gruben zu einem Teil auf natürliche Weise, der Rest geschieht durch künstliche Einleitungen. In diesem schwierig abzuwägenden Feld müssen die Böschungen genau auf die Befüllung von Grundwasser einerseits und künstlicher Einleitung andererseits abgestimmt werden, sonst steigt die Gefahr von Rutschungen.

Während die Leag die Befüllung des Tagebaus Cottbus-Nord mit sechs Jahren veranschlagte und diesen Zeitplan voraussichtlich nicht einhalten kann, plant der Bergbaubetreiber für die Flutung der wesentlich größeren Tagebaue Welzow und Nochten mit mehr als 30 Jahren. Schuster sieht angesichts dieser Zeitspanne weitere, große Probleme auf die Lausitz zukommen und fordert größere Rückstellungen seitens der Leag für die Rekultivierung, die sich vielmehr auf kleinere Seen und andere Maßnahmen konzentrieren sollte. Zwar hat die Leag mit den Ländern Brandenburg und Sachsen Vorsorgevereinbarungen getroffen, doch ob diese ausreichen, bezweifeln Umweltverbände und Expert:innen.

Teil der geplanten Rückstellungen sollen auch Zahlungen des Bundes von 1,75 Millionen Euro nach dem Kohleausstiegsgesetz sein. Die EU prüft jedoch weiterhin, ob diese Zahlungen nach dem EU-Beihilferecht rechtens sind. Zudem befürchtet Schuster, dass die Leag die Tagebaufolgekosten komplett dem Staat überlassen könnte. Mitte Dezember gab die Leag eine Umstrukturierung bekannt, wonach die Geschäftsfelder Kohle und Erneuerbare Energien künftig nur noch durch eine Holding miteinander verbunden sind und die zukunftsträchtige Erneuerbaren Sparte nicht mehr für das Kohlegeschäft haften müsste. „Offenbar sollen die Tagebaue pleite gehen, sobald die Kohle herausgeholt ist. Die Folgekosten in Milliardenhöhe würden auf die Steuerzahlenden abgewälzt, weil ausreichende insolvenzfeste Rückstellungen fehlen“, so Schuster.

Die Probleme gleichen sich

Wassermangel, Rutschungen und Milliarden an Kosten für die Rekultivierung – Themen die auch in Nordrhein-Westfalen, im rheinischen Revier, immer mehr ins Blickfeld geraten. Der dortige Bergbaubetreiber RWE plant große Teile der noch aktiven Tagebaue Hambach und Garzweiler ab 2030 mit Wasser aus dem Rhein zu befüllen. Ende Oktober legte die zuständige Bezirksregierung Köln einen Entwurf für die „Braunkohleplanung Hambach“ vor, die die Rekultivierung des Tagebaus Hambach und seiner Umgebung regeln soll. Stellungnahmen seien bis zum 21.12.2023 möglich. Die Bürgerinitiative Buirer für Buir, die sich seit vielen Jahren für den Erhalt des Hambacher Waldes und gegen die Erweiterung des Tagebaus einsetzt, kritisiert den knappen Zeitrahmen einer Stellungnahme, die eine nötige, umfassende Analyse der Planungsunterlagen schwierig mache.

Andreas Büttgen von der Initiative hat die umfangreichen Unterlagen trotzdem gesichtet und zeigt sich schockiert von den Planungen. Im Tagebau soll einmal der zweitgrößte See Deutschlands entstehen – auf einer Fläche von 4.200 Hektar und in einer Tiefe von bis zu 360 Metern. Das Volumen des Sees wird auf 4,3 Milliarden Kubikmeter beziffert. Laut Unterlagen wird mit Versickerungs- und Verdunstungsverlusten von 5 Milliarden Kubikmeter gerechnet, während neben Grundwasser 8,8 Milliarden Rheinwasser benötigt wird zur Befüllung, die mindestens 40 Jahre dauern soll. Büttgen verweist jedoch darauf, dass selbst RWE von bis zu 60 Jahren ausgeht. „Das ist aber noch nicht alles. In den Unterlagen steht auch drin, dass der See ca. 200 Jahre nachgefüllt werden muss. Sodass die gesamte Rekultivierungsdauer von heute aus gesehen mindestens 250 Jahre beträgt“, sagt Büttgen im Gespräch mit der energiezukunft.

Eine solch lange Befüllung erscheint angesichts zunehmender Dürreperioden und schmelzender Gletscher, aus denen sich der Rhein vor allem in niederschlagsarmen Zeiten speist, ein schwierig umzusetzendes Unterfangen. Wissenschaftler:innen warnen, dass die Gletscher schon Mitte des Jahrhunderts versiegen könnten und damit vor allem im Frühjahr und Sommer die Probleme zunehmen. Im letzten Jahr erreichte der Rheinpegel bereits einen historischen Niedrigstand. RWE teilte in diesem Jahr gegenüber dem ZDF jedoch mit, der Rhein führe für ein solches Unterfangen ausreichend Wasser. Je nach Wasserstand werde der Pegel um 0,4 bis 2,4 Zentimeter abgesenkt.

Eine ebenso fragwürdige Aussage, wie die, dass Voruntersuchungen gezeigt hätten, dass Rheinwasser für die Befüllung der Tagebaue geeignet sei. Zwar hat sich die Rheinwasserqualität in den letzten Jahrzehnten erheblich gebessert, doch weiterhin vermeldet das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW immer wieder erhöhte Konzentrationen von Schadstoffen an verschiedenen Messstellen im Rhein. Zuletzt waren es häufig Ölfilme oder auch Glyphosat. Schadstoffe, die für die Befüllung eines Sees und versickernden Wassers im Boden deutlich gefährlicher sind als für einen Fluss. Doch in den Planungen für die Überleitungen von Rheinwasser nach Hambach sind bislang keine Kläranlagen vorgesehen. „Aufgrund der Chemie, die weiterhin im Rhein transportiert wird, werden solche Klärstufen erforderlich sein“, prognostiziert Büttgen. Dafür seien aber bislang überhaupt keine Flächen vorgesehen und Szenarien gebildet.

Auch das Thema Rutschungen werde völlig vernachlässigt, kritisiert Büttgen: „RWE schließt Rutschungen wie in der Lausitz hier im Rheinland aus, weil man eine andere Sandkörnung habe. Das Ganze ist eine Lachnummer.“ Man müsse nur in der Region an verschiedene ehemalige Kiesgruben fahren und sehe bereits wie zerfurcht diese Gruben an den Rändern sind. Und das bereits nach wenigen Jahren, so Büttgen weiter. „Da ist ganz viel Stein in Bewegung.“ Zudem soll der künftige Hambachsee einmal der tiefste See Deutschlands werden. Erfahrungswerte mit der Befüllung solch tiefer Gruben fehlen. Büttgen befürchtet, dass allein schon der Wellenschlag des aufsteigenden Wassers zu verheerenden Rutschungen führen kann. Sollten etwa Teile der anliegende Sophienhöhe – selbst ein Schuttberg – in das Wasser rutschen, könnte dies zu einer riesigen Druckwelle – einem Tsunami gleich – führen.

Statt Milliarden Kubikmeter Wasser, sieht Büttgen die einzig sinnvolle Alternative, große Teile der Sophienhöhe, die noch nicht rekultiviert wurde, in die Grube zurückzubefördern. Förderbänder und schweres Gerät für dieses Unterfangen seien bereits vorhanden. „Wird die Höhe des Sees um ein Vielfaches gemindert, so minimiere ich auch die Risiken um ein Vielfaches“, sagt Büttgen. Schwierig zu managen sei jedoch weiterhin das aufsteigende Grundwasser und entsprechende Betrieb der Pumpen, je nachdem wie viel Wasser aus dem Rhein zugeführt werden kann. Eine unregelmäßige Flutung könnte wie in der Lausitz ebenfalls zu Rutschungen führen. Infolge all der Belastungen und Unwägbarkeiten sieht Büttgen Ewigkeitslasten auf das rheinische Revier zukommen, die mit bisherigen Rückstellungen nicht zu bewerkstelligen sind: „Aus meiner Sicht müssten Rückstellungen im hohen zweifachen Milliardenbereich gebildet werden, um die Risiken wirklich zu unterfüttern.“

Für die Nachsorge der alten DDR-Tagebaue musste die LMBV bislang 13 Milliarden Euro aus Steuermitteln zur Verfügung stellen. Die drei Milliarden durch die „schonenden Sprengverdichtungen“ werden in jedem Fall draufkommen. Doch auch dann ist ein Ende nicht absehbar. Wasser aus dem Gebiet ehemaliger DDR-Tagebaue ist hochgradig mit Eisen und Sulfat belastet und muss aufwändig gereinigt werden – Folge einer speziellen chemischen Reaktion des Grundwassers mit Lausitzer Boden. Und die Sulfatbelastung stammt nicht nur aus den ehemaligen Tagebauen, sondern wird auch aus den Abraumlagerungen aktiver Leag-Tagebaue ausgeschwemmt. Die Grüne Liga geht von Problemen mit Eisen und Sulfat für die Region Berlin und Brandenburg von 100 bis 150 Jahren aus. Solch langfristige Gegenmaßnahmen hat die Leag in ihren Rekultivierungskosten scheinbar nicht eingeplant. Manuel Grisard


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