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ErdüberlastungstagDie Wirtschaft raubt unsere Ressourcen jedes Jahr früher

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(Pixabay / Free License)

So früh war er noch nie – der Tag, an dem die Menschheit das jährliche Budget an Ressourcen aufgebraucht hat, ist heute erreicht. Schuld ist das Streben der Staaten nach immer mehr Wirtschaftswachstum, mahnen Klimaschützer.

29.07.2019 – Auch in Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Gradmesser für eine erfolgreiche Politik. So sehen es zumindest Wirtschaftsminister Peter Altmaier und seine Mitstreiter. Ein stagnierender oder fallender BIP kommt für sie einem Politikversagen gleich. Eine prozentuale Zunahme des BIP im Jahr kann dabei mit einem steigenden Wirtschaftswachstum gleichgesetzt werden. Erst Anfang dieses Jahres musste Altmaier die „Erwartungen“ an den BIP „senken“. Es werde 2019 „nur noch“ eine Zunahme des Wirtschaftswachstums von 1,0 statt 1,8 Prozent erwartet. In den Augen Altmaiers müsse diese „schwache Prognose“ Ansporn sein, um den Fokus auf "Wachstumsimpulse und Zukunftstechnologien" zu lenken.

Doch unter den aktuellen Begebenheiten bedeutet eine höhere Wirtschaftskraft eines Staates auch mehr Ressourcenverbrauch. Und diese Ressourcen sind global gesehen für dieses Jahr aufgebraucht. Das bedeutet: Die gesamte Weltbevölkerung geht so verschwenderisch mit nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen um, dass die Erde sich für dieses Jahr nicht mehr von ihrer Zerstörung erholen kann. Die Deutschen erreichten diesen Tag übrigens schon am 03. Mai dieses Jahres.

Den sogenannten Erdüberlastungstag – englisch: Earth Overshoot Day – errechnet jedes Jahr das Global Footprint Network, indem sie zwei Größen gegenüber stellen: Zum einen den ökologischen Fußabdruck des Menschen und seinen gesamten Bedarf und Verbrauch an natürlichen Ressourcen, wie Wälder, Wasserflächen und Orte die zur Produktion von Nahrung, Kleidung und der Bereitstellung von Energie benötigt werden, und zum anderen die biologische Kapazität der Erde, Ressourcen aufzubauen und Abfälle wie CO2-Emissionen aufzunehmen. Und während der Erdüberlastungstag letztes Jahr am 01. August war, ist er dieses Jahr bereits drei Tage früher.

Es gilt sich von der ressourcenintensiven und wachstumsbesessenen Wirtschaftsweise zu befreien

Mathis Wackernagel vom Global Footprint Network sieht hier vor allem die Industriestaaten wie Deutschland in der Pflicht gegenzusteuern. „Statt ökologisch gegen die Wand zu fahren, wäre es für Deutschland von Vorteil, wenn sich seine Regierung für eine wesentlich ambitioniertere Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik stark machen und sich von der ressourcenintensiven und wachstumsbesessenen Wirtschaftsweise befreien würde“, so Wackernagel.

Dabei haben große Teile der Klimabewegung in Deutschland erkannt, dass eine gerechte und nachhaltige Transformation unseres Wirtschaftssystems elementar ist, um die Klimakrise einzudämmen. Neben radikaleren Verfechtern für Klimagerechtigkeit, wie Ende Gelände und Extinction Rebellion, fordern auch Fridays for Future, dass wirtschaftliches Handeln nicht mehr planetare Grenzen überschreiten darf. Stellvertretend für die junge Generation erklärt Jan Göldner vom NAJU, der Jugendorganisation des NABU: „Wir können es uns nicht leisten, noch weiter Zeit zu verlieren und müssen anfangen, konsequent zu handeln. Unsere Wirtschafts- und Lebensweise und die daraus folgende Zerstörung der Umwelt geht auf Kosten der folgenden Generationen.“

Soziale gegen marktradikale Ansätze

Und die Forderungen scheinen indes auch in Teilen des Politikbetriebes angekommen zu sein. So legte die Linke im Bundestag jüngst ein Strategiepapier für „Klimagerechtigkeit statt Kapitalismus“ vor, indem sie sozial gerechten und nachhaltigen Klimaschutz in Bürgerhand fordern. Doch dem stehen Lobbyisten wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) gegenüber, die als Interessenvertreter der Industrie versuchen, konsequenten Klimaschutz zu vermeiden und stattdessen für radikale Marktwirtschaft eintreten.

Unterstützung erhalten sie dabei neben der Springer-Presse auch aus dem Wirtschaftsflügel der Union, der großen Einfluss auf das Wirtschaftsministerium um Peter Altmaier zu haben scheint. Denn aus dem Ministerium, welches auch die Abteilung Energie verantwortet, kommen bislang nur Vorschläge für eine marktwirtschaftliche Bepreisung von CO2, wie eine Ausweitung des Emissionshandels. Dafür gab es bereits Lob von der INSM.

Und nun soll auch noch eine enge Vertraute von Carsten Linnemann – Unionsfraktionsvize, Teil des Wirtschaftsflügels und ausgemachter Kritiker der Energiewende – den wichtigen Posten der Abteilung für Energiepolitik übernehmen. Dies berichtet der Tagesspiegel und warnt vor einer weiteren Verschleppung der Energiewende. Mit dieser Personalie könnte der Klimaschutz weiterhin gebremst werden, zugunsten von kurzfristigen Wirtschaftsinteressen. mf


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