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WirtschaftspolitikEU-Mercosur-Abkommen fördert klimaschädlichen Handel

Südamerika
Profit über alles? Das Mercosur-Abkommen bringt wirtschaftliche Vorteile für die Autoindustrie – und Nachteile für Klima, Mensch und Umwelt (Bild: Rodrigo Feldman Ruiz / pixabay).

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten erleichtert umwelt- und klimaschädliche Exporte und Produktionsbedingungen. Statt den Handel in grünere Bahnen zu lenken, werden bestehende Probleme verstärkt.

07.06.2022 – Ein klimafreundlicher Wandel der Handelspolitik ist dringend notwendig. Lobbying starker Industriesektoren und deren enge Verflechtung mit der Politik verhindern jedoch immer wieder strukturelle Veränderungen. Das geplante EU-Mercosur-Abkommen ist ein solcher Fall. Statt einen grünen Wandel zu fördern, begünstigt das Abkommen klima- und umweltschädliche Interessen der Automobil- und Fleischindustrie. Das belegt eine gemeinsam von Misereor, der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Greenpeace Deutschland, Powershift, Attac Deutschland, Attac Österreich und dem Netzwerk Gerechter Welthandel herausgegebene Studie.

Vorteile für die Autoindustrie – Nachteile für Klima, Mensch und Umwelt

Das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten soll Handel erleichtern und politische Beziehungen fördern. Die Rechnung ist dabei ganz einfach. Vereinfachte Handelsbedingungen fördern den Austausch eben der Güter, die günstiger exportiert und importiert werden können - und die damit verbundenen Emissionen. Das Mercosur-Abkommen soll nun Exportbedingungen in einer Reihe von Bereichen erleichtern, die bereits jetzt überdurchschnittlich zur Klimakrise beitragen. Dazu gehört die Auto- und Fleischindustrie, die Produktion von Agrokraftstoffen sowie der Bergbau.

In der Studie Mobilitätswende ausgebremst. Das EU-Mercosur-Abkommen und die Autoindustrie wird der Einfluss der deutschen und europäischen Autoindustrie auf die Aushandlung des Handelsabkommens untersucht. Die Studie belegt, dass die europäische Autoindustrie überdurchschnittlich von den neuen Handelsbedingungen profitieren würde – und wie stark sie in die Aushandlung des Abkommens verstrickt war. Die Autoindustrie hat ihre Interessen dabei nicht nur aktiv in die Verhandlungen eingebracht. Vielmehr sind auch politische Vertreter aktiv auf die Industrie zugegangen, um deren Wünsche zu erfragen und durchzusetzen.

„Das EU-Mercosur-Abkommen ist ein Autos-gegen-Fleisch-Deal, der vor allem einem Ziel dient: Herstellern klimaschädlicher Autos Produktions- und Importkosten zu sparen. Mit einem gerechten und nachhaltigen Handelsabkommen hat das nichts zu tun“, kritisiert Lis Cunha von Greenpeace.

Handelserleichterungen für Bergbau, Fleischproduktion und den fossilen Individualverkehr

Besonders kritisch ist die geplante Abschaffung der Zölle auf Rohstoffe und Metalle, die die EU in großen Mengen aus den Mercosur-Staaten importiert. Denn der Bergbau bleibt ein hochumstrittener Sektor. Minen und Extraktion von Rohstoffen führen regelmäßig zu massiven Umweltschäden und gehören zu den großen Mitverursachern für Entwaldung. Agrar- und Bergbauprodukte machen dabei drei Viertel aller Exporte der südamerikanischen Staaten in die EU aus – sei es Eisenerz und Kupfer aus Brasilien oder Silber und Lithium aus Argentinien.

Neben den Rohstoffen soll der Export von Fleisch, Soja, und aus Zuckerrohr produziertem Bioethanol für die Benzinbeimischung gefördert werden. Emissionen aus der Fleischproduktion tragen bereits jetzt überdurchschnittlich zur Klimakrise bei. Der Konsum von Fleisch und Milch in der EU müsste dringend sinken und nicht weiter gefördert werden. Hinzu kommt, dass Fleisch bereits jetzt in der EU überproduziert wird. Ähnliches gilt für Soja, das vor allem für die heimische Fleischproduktion importiert wird. Die Nutzung von Agrarflächen zum Anbau von Soja und Zuckerrohr bei den bestehenden Herausforderungen der Welternährung bleibt ebenfalls höchst fragwürdig.

Den europäischen Automobilherstellern soll neben Rohstoffen für die Produktion auch der Zugang zum südamerikanischen Automobilmarkt erleichtert werden. So würden bestehende Marktvorteile für den Individualverkehr mit fossilen Brennstoffen weiter zementiert und ein nachhaltiger Wandel der Mobilität verhindert.

Die größte Freihandelszone der Welt

Die Mercosur-Länder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Sie gehören zu den größten Absatzmärkten der deutschen und europäischen Wirtschaft. Das heißt auch, dass in der Regel auf Seiten der EU deutliche Exportüberschüsse erzielt werden. Bereits jetzt beträgt das Handelsvolumen zwischen den beiden Gebieten etwa 88 Milliarden Euro.

Mit dem Abkommen soll mit über 770 Millionen Einwohnern die größte Freihandelszone der Welt geschaffen werden. Nur Teilbereiche der ausgehandelten Bedingungen sind öffentlich einsehbar, doch sie tragen unverkennbar die Handschrift der Autoindustrie. Die Rohstoffversorgung der Autoindustrie würde allein durch die einsehbaren Vertragsteile nicht nur abgesichert, sondern auch verbilligt.

Nach über 20 Jahren einigten sich die EU und die Mercosur-Staaten Mitte 2019 auf gemeinsame Handelsbestimmungen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) betont, dass die Vertragspartner internationalen Arbeitsstandards, Umwelt- und Klimaabkommen verpflichtet seien – besonders den Bestimmungen gegen Entwaldung. Genau diese Verpflichtung stellen die NGOs in Frage – denn die Studie zeigt, dass Klimaschutz und Menschenrechte eben nicht rechtlich verbindlich im Abkommen abgebildet werden.

Profit über alles?

Das EU-Mercosur-Abkommen würde sich mit Abschaffung von Zöllen in den genannten Bereichen negativ auf Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz auswirken, eine nachhaltige Agrarwende verhindern, Menschenrechte weiter einschränken und zur weiteren Zerstörung des Regenwaldes beitragen sowie klimaschädliche Emissionen hochtreiben. Die an der Studie beteiligten NGOs fordern deshalb, dass der Vertrag in dieser Form nicht unterzeichnet werden darf.

„Gerade in diesen Zeiten ist eine grundlegend neue Handels- und Investitionspolitik absolut notwendig. Dazu brauchen wir transparente und demokratische Verhandlungen, starke Nachhaltigkeitskapitel und ein Ende der Aufweichung unserer Umwelt- und Sozialstandards“, so Ludwig Essig, Koordinator des Netzwerks gerechter Welthandel.

Statt intransparenter Verhandlungen hinter verschlossenen Türen brauche es endlich eine Handelspolitik für Mensch, Klima und Umwelt. jb

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