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Global Oil & Gas Exit ListExpansionspläne der Öl- und Gasindustrie sichtbar gemacht

Rauchende Schlote vor einem Sonnenuntergang
Eine Erdölraffinerie sorgt für erhebliche Treibhausgasemissionen. (Bild: Devon Chandler auf Pixabay)

Zur Kohlewirtschaft existiert sie bereits. Nun haben NGOs eine umfangreiche Datenbank zur Öl- und Gasindustrie und deren Expansionsplänen erarbeitet. Damit fordern sie Investoren zum Divestment aus diesen Unternehmen auf.

05.11.2021 – Die Global Coal Exit List ist seit Jahren ein erfolgreiches Instrument, alle relevanten Unternehmen der globalen Kohlewirtschaft zu identifizieren. Investoren und Finanzinstitute zum Divestment, also zum Ausschluss von Kohleunternehmen aus ihren Portfolios zu bewegen, war und ist das Ziel mehrerer internationaler NGOs, die jährlich ein Update dieser Liste erstellen. Nun haben sich die zivilgesellschaftlichen Organisationen die Öl- und Gasindustrie vorgenommen und veröffentlichten im Rahmen der COP26 am gestrigen Donnerstag die Global Oil & Gas Exit List (GOGEL).

In den letzten Jahren habe es eine Welle von Richtlinien zum Ausschluss von Kohle durch Finanzinstitute gegeben, aber fast keine, die sich mit Öl und Gas befassen, kritisiert Katrin Ganswindt, Senior Finanz-Campaignerin bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald, die die GOGEL mit erarbeitet hat. „Mit Hilfe von GOGEL wollen wir sowohl öffentliche als auch private Finanzinstitute dazu bewegen, die Expansion der Öl- und Gasbranche nicht länger zu unterstützen. Die Finanzindustrie muss ihrer Verantwortung bei allen fossilen Energieträgern gerecht werden“, so Ganswindt.

Denn die Expansionspläne sind laut Recherche von urgewald und Partnern gewaltig. Demnach wurden in den letzten drei Jahren insgesamt 168 Milliarden US-Dollar für die Erkundung neuer Öl- und Gasvorkommen ausgegeben – ein erster Indikator dafür, wie groß die Expansionspläne der Öl- und Gasindustrie sind. Mehr als die Hälfte dieses Betrags für die Öl- und Gasexploration ist auf 16 Unternehmen zurückzuführen.

Insgesamt umfasst die GOGEL derzeit 887 Unternehmen und bildet laut den NGOs knapp 95 Prozent der weltweiten Öl- und Gasproduktion ab. Weitere Recherchen ergaben, dass 506 dieser Unternehmen ihr Produktionsportfolio zusammen um 190 Milliarden Barrel Öläquivalent (bboe) in den nächsten sieben Jahren erweitern wollen. Die Top 5 dabei sind: Qatar Energy (20 bboe), Gazprom aus Russland (17 bboe), Saudi Aramco aus Saudi-Arabien (15 bboe), ExxonMobil aus den USA (7 bboe) und Petrobras aus Brasilien (7 bboe). Fast alle in der GOGEL gelisteten Unternehmen seien derweil grundsätzlich auf der Suche nach neuen Reserven oder würden die Förderung vorbereiten.

Und der Bau von Öl- und Gasinfrastruktur ist nicht nur schädlich für Klima und Umwelt, sondern auch teuer. Die 1.230 km lange Nord Stream 2-Pipeline von Gazprom kostete 9,5 Milliarden Euro. Das Projekt Arctic LNG 2 von Novatek und Total wird voraussichtlich über 21 Milliarden US-Dollar kosten. Trotzdem befinden sich derzeit 211.849 Kilometer an Öl- und Gaspipelines in der Entwicklung, wie die NGOs auf Grundlage des Global Energy Monitor ermittelt haben. „Das ist quasi die halbe Strecke von der Erde bis zum Mond“, sagt Nils Bartsch, Leiter GOGEL-Research bei urgewald. Und diese Pipelines würden Öl- und Gaslieferungen auf Jahrzehnte zementieren.

Die Nord Stream 2 Pipeline etwa ist für eine Lebensdauer von 50 Jahren konzipiert. Das Projekt Arctic LNG 2 wird auf der Grundlage von Gasabnahmeverträgen von über 20 Jahren finanziert. Für den Export des LNGs werden indes auch neue Terminals geplant. LNG bezeichnet Erdgas, dass in einem aufwendigen Verfahren verflüssigt wird, um es auf spezielle Tanker zu verladen und zu weit entfernten Häfen verschiffen zu können. Dort wird es wieder regasifiziert, bevor es in einem Kraftwerk verbrannt werden kann. Laut Recherchen für die GOGEL sind ab 2021 neue LNG-Terminals mit einer Gesamtkapazität von 1.349 Million Tonnen pro Jahr geplant oder in der Entwicklung. Damit würde sich die weltweite LNG-Terminalkapazität verdoppeln.

Bartsch und Ganswindt warnen eindringlich vor den neuen Öl- und Gasprojekten, denn selbst wenn die Nutzung von Kohle über Nacht beendet würde, würden schon die Emissionen aus bereits erschlossenen Öl- und Gasvorkommen das globale CO2-Budget zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels ausschöpfen. Dazu kommen noch die schwierig messbaren Methan-Emissionen, die insbesondere beim Gas in der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferkette entstehen und teilweise unentdeckt und unkontrolliert entweichen.

Initiiert von der Europäischen Union und den USA wurde diese Woche auf der Klimakonferenz der Global Methane Pledge beschlossen, den rund 100 Länder unterstützen. Neben dem Bestreben die Methan-Emissionen auch im Energiesektor zu reduzieren, wurde auch versichert mehr Transparenz hinsichtlich möglicher Methanlecks zu schaffen und diese aktiv zu verhindern. Die USA als größter Öl- und Gasproduzent und die EU als größter Importeur von Gas, stehen hier besonders im Fokus. Doch die EU-Kommission ließ noch im Oktober durchblicken, dass innerhalb einer neuen EU-Taxonomieverordnung, neue Gasprojekte als förderwürdig eingestuft werden könnten. Eine endgültige Entscheidung soll bald folgen.

Besonders Deutschland steht beim Thema Gas im Zentrum globaler Interessen. Neben Gas-Pipelines aus Russland könnten künftig auch neue LNG-Terminals Flüssigerdgas aus den USA nach Deutschland transportieren. Die USA hatte mit wirtschaftlichen Sanktionen gedroht, sollte Nord Stream 2 in Betrieb gehen. Um die USA zu einer Abkehr von Sanktionen zu bewegen, hatte der bisherige Finanzminister Olaf Scholz im August 2020 den USA angeboten den Bau von LNG-Terminals in Deutschland, an denen Flüssigerdgas aus den USA anlanden könnte, mit Steuermitteln zu unterstützen. Im Mai 2021 schließlich bestätigte der amtierende US-Präsident Joe Biden einen Verzicht auf Sanktionen.

Die USA erklärte indes auf der Klimakonferenz am gestrigen Donnerstag, gemeinsam mit 24 anderen Industrie- und Entwicklungsländern sowie Finanzinstitutionen, die internationale Finanzierung für fossile Energieträger bis Ende nächsten Jahres zu beenden. Nachdem die G20 Staaten am Wochenende bereits das Ende der Kohlefinanzierung beschlossen hatten, beinhaltet dieser Schritt auch die öffentliche Öl- und Gasfinanzierung. Auch die Europäische Investitionsbank ist dabei, nicht jedoch Deutschland und die KfW, die weltweit größte nationale Förderbank.

Die KfW isoliere sich international zunehmend, wenn sie bis 2030 weiter Erdgasinfrastruktur unterstütze, die auf Jahrzehnte angelegt ist, kritisiert David Ryfisch, Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. „Die Koalitionsverhandlungen in Berlin sollten ein klares Signal setzen, dass es keine deutsche Entwicklungs- und Exportfinanzierung für Kohle, Öl und Gas mehr gibt. Deutsche Steuergelder dürfen nicht den internationalen Fortbestand der fossilen Energieträger subventionieren“, fordert Ryfisch. mf


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